Wie gut laden chinesische E-Autos im Vergleich zum Rest?

Lade- und Reichweitenvergleich
Nio, MG und Polestar vs. Hyundai, Tesla und Porsche

Wir gehen mit drei chinesischen und drei nichtchinesischen Stromern auf eine 1.000-Kilometer-Tour und stellen ihre Ladeleistungen sowie Reichweiten in drei Konkurrenzpaarungen gegenüber. Laden die chinesischen Stromer – wie vielerseits behauptet wird – wirklich schlechter als die internationalen Kontrahenten?

Wenn es momentan ein wirtschaftspolitisches Aufreger-Thema gibt, dann handelt es von den Erfolgschancen chinesischer Elektroautos in Europa. Daher waren wir gespannt, wie sich unsere drei chinesischen Testfahrzeuge Nio ET5 Touring, MG 4 und Polestar 2 auf einer 1.000 Kilometer langen Reise gegen ihre internationalen Konkurrenten Porsche Taycan Cross Turismo, Tesla Model Y und Hyundai Ioniq 6 in puncto Reichweite und Ladeleistung auf schlagen.

Unsere Highlights

MG 4 gegen Tesla Model Y

MO/OVE-Ausfahrt China gegen den Rest der Welt
Dino Eisele

MGs kompakter SUV tritt mit dem größten seiner drei lieferbaren Akkus und damit 77 kWh gegen Teslas Model Y Performance mit unerheblich weniger Energie im Bauch an (75 kWh). Kein Wunder, dass die Reichweiten bei vollem Akku sehr ähnlich ausfielen: Während der MG nach 278 Kilometern mit 18 Prozent SOC am ersten Lader eintraf, kam der Tesla nach 285 Kilometern ganz in der Nähe mit 19 Prozent SOC am Supercharger an. 300 Kilometer Reichweite mit vollem Akku sind also jeweils drin – kein schlechter Wert angesichts einer entspannten, aber keineswegs extrem sparsamen Fahrweise mit bis zu 140 km/h und niedriger Temperaturen zwischen drei und fünf Grad Celsius. Im Sommer sollten dennoch rund 20 Prozent höhere Reichweiten möglich sein.

Unterschiede ergaben sich bei der Ladegeschwindigkeit: Der MG schaffte bei keinem der fünf Ladevorgänge über 100 kW Leistung und blieb damit unter den vom Hersteller versprochenen 144 kW. So benötigte er knapp 37 Minuten, den Akku von 18 bis 82 Prozent zu füllen. Der Tesla blieb ebenfalls deutlich unter seinen Werksangaben von 250 kW Ladeleistung, stieg unter identischen Bedingungen immerhin mit rund 150 kW in den Ladevorgang ein und benötigte 31 Minuten bis 82 Prozent. Da das Model Y zudem ähnlich sparsam fuhr, ergab sich hieraus eine Ladegeschwindigkeit von 565 km/h zu 404 km/h beim MG. Der km/h-Wert steht in diesem Fall nicht für ein Fahrtempo, sondern dafür, welche Reichweite sich im Schnitt pro Stunde Ladezeit im SOC-Bereich zwischen 10 und 80 Prozent zuführen lässt, und hat sich als Vergleichsgröße bei E-Autos etabliert.

Beim zweiten Ladestopp erreichte der MG mit 438 km/h seine höchste Ladegeschwindigkeit auf dieser Tour, während der Tesla seinen Anfangswert zwar nicht mehr toppte, dafür jedoch bei allen vier Ladestopps immer über 500 km/h erreichte. Obwohl auch der Tesla unter den Erwartungen blieb, geht der Sieg beim Laden an das Model Y.

Kein Lade-Routenplaner im MG4

Das größte Manko des MG ist jedoch der fehlende Lade-Routenplaner. Sein Navigationssystem berechnet lediglich die Route ans Ziel. Neigt sich der Akku-Inhalt dem Ende entgegen, muss der Fahrer manuell über die Navigation nach Ladesäulen in der Umgebung fahnden. Oder er beauftragt den Beifahrer (falls vorhanden), während der Fahrt über eine Handy-App wie Chargefinder schon im Voraus nach freien Säulen zu suchen. Beides keine zeitgemäßen Lösungen. Sicherheitshalber fuhr unser Testfahrer auf der Rücktour daher lieber bei noch recht hohem SOC an die Ladesäule und verschenkte so Fahrzeit. Auf das Testergebnis hat dies jedoch keinen Einfluss, da wir nur den besten Ladevorgang bepunkten.

Bei Tesla gehört eine ausgeklügelte Lade-Routenplanung hingegen von Anfang an zum Gesamtpaket, ebenso wie ein dichtes Netz an leistungsstarken Superchargern. Da lässt es sich verkraften, dass der Lade-Routenplaner keine Ladesäulen anderer Betreiber berücksichtigt, selbst wenn diese noch besser gelegen sein sollten.

MO/OVE-Ladevergleich MG 4 vs Tesla Model Y
auto motor und sport

Fazit: Bei Reichweite und Verbrauch kann der MG 4 gut mit Teslas Model Y mithalten, nicht jedoch beim Laden. Mehr als 438 km/h Ladegeschwindigkeit waren nicht drin, ein eher mäßiger Wert. Der Tesla lag hingegen immer bei 500 km/h und gewinnt dieses Duell auch wegen des guten Ladeplaners.

Polestar 2 gegen Hyundai Ioniq 6

MO/OVE-Ausfahrt China gegen den Rest der Welt
Dino Eisele

Bei Polestar handelt es sich um eine chinesisch-schwedische Kooperation von Geely und Volvo, bei der Geely die Mehrheit gehört. Der Polestar 2 mit 79-kWh-Batterie nutzt daher viel chinesische Technik, weswegen wir ihn für die Vergleichsfahrt hinzugezogen haben. Zu tun bekommt es die E-Limousine mit dem Hyundai Ioniq 6, der seinen 77-kWh-Akku in eine äußerst aerodynamische Karosserie packt.

Mit zu 100 Prozent geladenem Akku lagen die Reichweiten bis zur ersten Ladepause hier wie da bei rund 280 Kilometer und damit auf dem Niveau der weniger windschlüpfrigen SUV von MG und Tesla. Beim ersten Ladestopp von 14 Prozent SOC auf 84 Prozent spielte der 800-Volt-Antrieb von Hyundai jedoch seine Trümpfe aus: In 20 Minuten saugte er 247 Kilometer Reichweite ein, was einer Ladegeschwindigkeit von 741 km/h und damit dem Bestwert in diesem Test entspricht. Zudem lag er bei allen Ladesäulen-Besuchen nie unter 500 km/h.

Polestar 2 streckt Ladedauer deutlich aus

Der Polestar benötigte bei seinem besten Ladevorgang 36 Minuten, um von 14 auf 80 Prozent zu laden, und damit fast doppelt so lang wie der Hyundai. Mehr als eine Ladegeschwindigkeit von 425 km/h schaffte er nie und lud damit ähnlich langsam wie der ebenfalls trödelige MG. Die aufsummierten Ladezeiten für die gut 1.000 km lange Gesamtstrecke unterscheiden sich daher in keiner Paarung so stark: Während der Polestar auf eine reine Ladezeit von 129 Minuten kam, stand der Hyundai zusammengerechnet nur 74 Minuten.

Bei der Lade-Routenplanung setzt Polestar auf ein System von Google. Dieses erzeugte zwar bei Fahrtantritt vernünftige Vorschläge für Ladeunterbrechungen, während der Fahrt war es jedoch oft nicht in der Lage, auf Abweichungen wie höhere Verbräuche zu reagieren, und hielt zu lang an den anfangs vorgeschlagenen Ladern fest. Hyundai hat erst seit Kurzem einen eigenen Lade-Routenplaner in seine E-Fahrzeuge integriert und damit auf einen der Hauptkritikpunkte reagiert. Etwas Feinschliff würde ihm allerdings guttun, da er den Ioniq 6 meist bei einem zu hohen SOC von 30 bis 40 Prozent an den Lader schickte und damit Ladegeschwindigkeit verschenkte.

MO/OVE-Ladevergleich Polestar 2 vs. Hyundai Ioniq 6
auto motor und sport

Fazit: Seine enorme Ladegeschwindigkeit macht den Hyundai Ioniq 6 zu einem sehr guten Langstrecken-Stromer. Der Polestar kam mit vollem Akku ähnlich weit, stand jedoch auf der 1.000-Kilometer-Strecke insgesamt fast eine Stunde länger am Lader und verliert dadurch das Duell.

Nio ET5 gegen Porsche Taycan

MO/OVE-Ausfahrt China gegen den Rest der Welt
Dino Eisele

Bei unseren Sport-Kombis Nio ET5 und Porsche Taycan schlugen nicht nur die niedrigen Temperaturen, sondern auch das höhere Reisetempo auf die Reichweite durch. Während wir mit den Autos der ersten beiden Paarungen maximal 140 km/h fuhren, war beim Porsche und beim Nio die Vorgabe, auf unbeschränkten Autobahn-Abschnitten bis zu 180 km/h schnell zu fahren, soweit es die Verkehrslage zuließ. Und siehe da, unter diesen Bedingungen leerte der Nio seinen 90-kWh-Akku binnen 289 Kilometern von 100 auf 17 Prozent SOC, der Porsche saugte seinen 84 kWh großen Akku gar binnen 239 Kilometern auf 18 Prozent SOC. Wir waren allerdings noch mit dem Vorgänger-Modell des Taycan unterwegs, der bei auto motor und sport gerade einen 100.000-km-Dauertest absolviert. Anfang 2024 hat Porsche den Taycan umfangreich überarbeitet und ihm einen 97 kWh großen Speicher spendiert.

Beim ersten Ladevorgang enttäuschte der Taycan, obwohl er laut Werksangaben mit bis zu 270 kW die höchste Ladeleistung aller sechs Stromer aufweist und seinen Akku bei der Anfahrt zur 300-kW-Stromtankstelle vortemperierte. Dies passierte automatisch, da die Station vom Porsche-eigenen Lade-Routenplaner ausgesucht wurde, der insgesamt einen sehr guten Eindruck hinterließ. So lenkte er den Porsche stets mit einem SOC von 10 bis 20 Prozent an den Lader, um den Akku in einem möglichst günstigen SOC-Fenster mit Strom zu versorgen. Aus unerfindlichen Gründen dauerte es dennoch 22 Minuten, bis die Batterie wieder zu 80 Prozent gefüllt war, was eine Ladegeschwindigkeit von 431 km/h bedeutet. Beim zweiten Mal Stromzapfen mit ebenfalls vorkonditioniertem Akku kam er auf 675 km/h und erreichte hier seinen besten Wert. Der Nio schaffte hingegen bei allen Ladeversuchen über 550 km/h und blieb in der Spitze mit 639 km/h nur knapp hinter dem Porsche.

Boxenstopp an der Nio Power Swap Station

Doch der ET5 kann noch mehr: Als einziger Hersteller setzt Nio für die Langstrecke nicht nur aufs Schnellladen, sondern auf den Wechsel des Akkus. Hierfür baut der chinesische Hersteller in Europa gerade ein Netz von Akku-Tauschstationen auf. In Deutschland sind zwar erst 15 davon in Betrieb, doch eine davon liegt in Aurach an der A6 und damit direkt an unserer Route. Der Routenplaner im ET5 wählte die Station auf der Rückfahrt selbstständig aus, mit einem SOC von 31 Prozent rollten wir in die Wechselstation.

MO/OVE-Ausfahrt China gegen den Rest der Welt
Dino Eisele

Grüße aus der Power Swap Station, die dem Nio innerhalb von sechs Minuten einen zu 91 Prozent gefüllten Akku an den Unterboden schraubt.

Binnen sechs Minuten bekamen wir von der vollautomatischen Station einen neuen Akku mit 91 Prozent SOC in den Unterboden geschraubt. Das macht eine Ladegeschwindigkeit von 2.050 km/h. Mit weniger Restenergie im Bauch und einem geringeren Verbrauch durch gemütlicheres Fahren sind sogar noch höhere Ladegeschwindigkeiten möglich, da der Tauschvorgang unabhängig vom Rest-SOC immer ca. sechs Minuten dauert. Die Möglichkeit des Batterie-Tausches bietet Nio allerdings nur für Kunden an, die den Akku mieten statt kaufen, was beim 100-kWh-Speicher 289 Euro/Monat kostet, den Kaufpreis des ET5 jedoch um stattliche 21.000 Euro verringert.

Sämtliche Lade- bzw. Tauschzeiten addiert, kamen Porsche und Nio mit 79 bzw. 75 Minuten fast auf gleich lange Zwangspausen. Dass der ET5 nicht mehr von seinem Akku-Tausch profitieren konnte, liegt daran, dass er sich einen zu rund einem Drittel gefüllten Akku entnehmen ließ und mit über 100 km mehr Restreichweite im Ziel ankam als der Porsche. Obwohl der Lade-Routenplaner im Nio nicht so gut funktionierte wie der im Porsche und teils schon unnötig früh Ladevorgänge vorschlug, geht der Sieg in dieser Paarung an China.

MO/OVE-Ladevergleich Nio ET 5 Touring vs Porsche Tycan 4 Cross Turismo
auto motor und sport

Fazit: Der Nio ET5 gewinnt, da er schneller lud als erwartet und zudem von Akku-Tauschstationen profitierte. Das höhere Reisetempo dieser Paarung schlug beim Taycan besonders stark auf die Reichweite, zudem schaffte er es nicht immer, an seine höchste Ladegeschwindigkeit heranzukommen.

So haben wir getestet

Wir fuhren für den großen Praxis-Test von Stuttgart nach Dresden und wieder zurück, insgesamt gut 1.000 Kilometer. Dabei starteten wir mit 100 Prozent vollem Akku und zapften unterwegs mehrfach Strom nach. Über Nacht in Dresden wurde nicht nachgeladen, um die 1.000 Kilometer als eine Strecke zu behandeln. Um die Ladezeiten nicht zu sehr in die Länge zu treiben, füllten wir die Akkus beim Zwischenladen nur zu 80 Prozent. Das Lademanagement aller E-Autos reduziert nämlich die Ladeleistung mit zunehmendem Ladestand (englisch State of Charge, kurz SoC), sodass die letzten 20 Prozent oft länger dauern als die ersten 80 Prozent.

Wir haben den Test in drei Paarungen mit je einem chinesischen und einem vergleichbaren nichtchinesischen Fahrzeug unterteilt: Nio gegen Porsche, Polestar gegen Hyundai und MG gegen Tesla. Unterwegs hielten wir uns exakt an sämtliche Tempolimits, auf unbegrenzten Autobahnabschnitten fuhren wir maximal 140 km/h – außer mit dem Nio und dem Porsche. Die beiden Luxus-Stromer mit ihren großen Akkus durften bis zu 180 km/h fahren.

MO/OVE-Ausfahrt China gegen den Rest der Welt
Dino Eisele

Zwecks unserer Test-Bedingungen durften Polestar, Hyundai, MG und Tesla auf Abschnitten ohne Tempolimit höchstens 140 km/h fahren. Für Nio und Porsche waren maximal 180 km/h angesagt.

Erschwerte Bedingungen ergaben sich beim Test durch die niedrigen Außentemperaturen. Am ersten Tag auf der Hintour nach Dresden lagen sie bei ca. fünf Grad, auf der Rückfahrt nach Stuttgart nur noch bei rund drei Grad und damit alles andere als optimal für E-Autos, die unterwegs viel Energie in die Heizung des Innenraums stecken müssen und zudem mit verzögerten chemischen Prozessen beim Laden zu kämpfen haben. Viele E-Autos heizen ihren Akku bei der Anfahrt auf eine Ladesäule vor, was zwar das Laden beschleunigt, aber auch Energie aus dem Antriebs-Akku und damit Reichweite kostet.

Ebenfalls im Blick hatten wir die Qualität der eingebauten Lade-Routenplaner. Das Navigationssystem eines E-Autos muss nicht nur eine Route ans Ziel berechnen, sondern bei nachlassenden Energievorräten mit möglichst wenig Umwegen an eine Stromtankstelle entlang der Strecke führen.