Auch der kleine schwedische Supersportwagen-Hersteller Koenigsegg entwickelt mit vollem Einsatz Komponenten für Elektroautos. Ein neuer 6-Phasen-Wechselrichter namens David ist schon fertig, jetzt folgt ein Elektromotor, den die Entwickler "Quark" getauf haben. Beim Quark-Motor kombinieren die Koenigsegg-Ingenieure nach eigenen Angaben hohe Leistung mit hohem Drehmoment, was vermuten lässt, dass sie die Prinzipien des gängigen Radialflussmotors mit denen des exotischen Axialflussmotors kombinieren. Axialflussmotoren? Da war doch was – im Sommer 2021 gab Daimler bekannt, dass man speziell für Elektro-Modelle von Mercedes-AMG eine Firma namens Yasa, die sich auf diese Art von E-Motoren spezialisiert ist, erworben hat. Tatsächlich nennt Koenigsegg die ausgewogene Kombination aus "radial erzeugter Leistung und axial generiertem Drehmoment" Raxial Flux (Raxial Fluss).
Sowohl beim Radialfluss-Motor als auch beim Axialfluss-Motor tritt an den Rändern magnetischer Streufluss auf. Die Koenigsegg-Ingenieure haben sich wegen des hohen Drehmoments für einen Axialfluss-Motor entschieden, bei dem sie die radialen Streuverluste konstruktiv minimieren. Die Spezialisten haben den Durchmesser des Rotors im Verhältnis zum Stator erhöht und den Außendurchmesser des Stators optimiert. Den jetzt zusätzlich zur Verfügung stehenden radialen Magnetfluss nutzen die Ingenieure nach eigenen Angaben auch, um den axialen Fluss zu unterstützen. Die Koenigsegg-Mitarbeiter wissen nicht, ob sie die Erfinder dieser Auslegung sind. Sie gehen aber davon aus, dass die maximale Nutzung des Radialflusses in einem Axial-Motor ziemlich einzigartig ist.
Damit nicht genug: Aus zwei Quark-Elektromotoren, einem David-Wechselrichter und zwei Planetengetrieben bauen die Sportwagen-Spezialisten dann eine Antriebseinheit, die dank der zwei Maschinen radselektiv Kraft weitergeben kann und somit das so genannte Torque Vectoring an der Antriebsachse beherrscht. Torque Vectoring heißt, dass Antriebsmoment aktiv an das kurvenäußere oder kurveninnere Rad verteilt werden kann, was dem Vortrieb einen Richtungsimpuls (Vektor) gibt. Weil Koenigsegg den Antrieb als klein, energisch und "unerschrocken" empfindet, haben ihm die Entwickler den Namen "Terrier" gegeben.
Kommt im Gemera zum Einsatz
Den Quark-Motor sieht Koenigsegg als Weiterführung seiner Entwicklungen für den Gemera. Der 1.700 PS starke Gemera ist Koenigseggs erstes viersitziges Modell. Für dessen Antrieb sind bisher ein 2,0-Liter-Dreizylinder-Biturbo mit 600 PS in Kombination mit drei Elektromotoren zuständig, von denen einer jeweils an einem Hinterrad und der dritte an der Kurbelwelle sitzt. Seinen kräftigen und kompakten Motor möchte Koenigsegg aber auch an Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt sowie aus dem Schiffbau verkaufen.
Bezieht sich auf Elementarteilchen
Den Namen Quark übernimmt Koenigsegg tatsächlich vom physikalischen Begriff für die als Quarks bezeichneten Elementarteilchen, die ein fundamentaler Bestandteil der Materie sind. Als Grund für die Namenswahl geben die Schweden an, dass Quarks im Standardmodell der Teilchenphysik die einzigen Elementarteilchen sind, die mit starker Wechselwirkung (unter anderem verantwortlich für den Zsuammenhalt von Atomkernen), Elektromagnetismus, schwacher Wechselwirkung (unter anderem bei der Kernfusion in der Sonne maßgeblich) und Gravitation allen vier fundamentalen Wechselwirkungen unterliegen. Koenigsegg will bei seinem Quark-Motor die vier Bereiche Magnetismus, Materialien, Kühlung und Packaging neu betrachtet haben.
Als Komponente für Hybridantrieb
Mit seiner Mischung aus radialem und axialem Fluss möchten die Ingenieure beim Quark-Motor das beste Verhältnis aus Leistung, Drehmoment und Gewicht erzielt haben. Der Leiter für das Koenigsegg-Elektromotoren-Design Dragos-Mihai Postariu betont, dass der Quark-Motor bei niedrigen Geschwindigkeiten eine brutale Beschleunigung ermöglichen soll – für gleichbleibend hohe Geschwindigkeiten sei dann ein Verbrennungsmotor zuständig.
Mit Welle aus Rennsport-Stahl
Koenigsegg-Motorenentwickler András Székely freut sich, dass der Quark-Motor mit einer Welle aus 300M-Stahl ausgerüstet ist. 300M-Stahl ist vakuumgeschmolzen und extrem fest, weshalb ihn Rennsport-Konstrukteure gerne nutzen. Für die Kühlung des Elektromotors nutzt Koenigsegg seine Aircore-Technologie: Hierbei strömt kalte Luft durch aus einem Stück gefertigte hohle Kohlefaser-Bauteile. Aktuell setzen die Schweden diese Art der Kühlung beispielsweise in ihren Felgen, Lenkrädern und Sitzen ein.
30 Kilogramm leicht
Der Quark-Elektromotor leistet laut Koenigsegg 250 Kilowatt (340 PS) und generiert ein maximales Drehmoment in Höhe von 600 Newtonmeter – und soll nur 30 Kilogramm auf die Waage bringen. Für den Gemera, der ab 2023 auf den Markt kommen soll, stellen die Ingenieure sogar 28,5 Kilogramm in Aussicht. Die Drehzahl des Motors soll ein Untersetzungsgetriebe, wie es kleine Hochdrehzahlmotoren normalerweise brauchen, unnötig machen. Ein Untersetzungsgetriebe sorgt für mehr Teile sowie Gewicht und führt zu Energieverlusten durch Reibung. Andere E-Auto-Bauer setzen hingegen sogar auf Zweigang-Getriebe, so wie Porsche beim Taycan, was laut Hersteller eine bessere Beschleunigung ermöglicht.
Zwei Motoren statt zwei Gänge
Aus zwei Quark-Motoren und einem David-Wechselrichter baut Koenigsegg seinen Terrier-Antrieb. Damit möchten die Ingenieure den leistungs- und drehmomentdichtesten Torque-Vectoring-Elektroantrieb der EV-Branche konstruiert haben. Einer der Vorteile des Terrier-Antriebs ist der Einsatz von nur einem Wechselrichter bei zwei Motoren – der sechsphasige David-Wechselrichter versorgt jeden der beiden Quark-Motoren mit jeweils drei Phasen. Auch das führt wieder zu einer Einsparung von Größe und Gewicht. Da die Quark-Motoren sehr flach konstruiert sind, kommt zwischen ihnen leicht ein David-Wechselrichter unter. Und weil die Quark-Motoren zudem enorme Leistungs- und Drehmomentwerte bei moderaten Drehzahlen liefern sollen, sitzen an beiden Motor-Ausgängen zur Momentenverteilung nur kleine leichte Planetengetriebe mit niedriger Übersetzung. Das niedrige Gewicht und die kompakten Maße sollen es zudem ermöglichen, den Motor ohne Hilfsrahmen direkt an Chassis-Komponenten zu schrauben.
Fazit
Wie Lucid beim Air, so legt auch Koenigsegg bei der Entwicklung seiner elektrischen Antriebe größten Wert auf Kompaktheit und Gewichtsersparnis. Damit stärken die Ingenieure den Elektroantrieb in Bereichen, in denen er ohnehin schon stark ist, was wiederum die Vorteile eines elektrischen Antriebs noch drastischer macht. Während Lucid aber auf rein elektrische Antriebe setzt, konzentriert sich Koenigsegg erstmal auf einen Hybridantrieb. Die auf Höchstgeschwindigkeit erpichten Schweden brauchen den Verbrenner noch für eben diese dauerhaft hohen Geschwindigkeiten – genauso wie Bugatti. Bei dauerhaft hohem Tempo ist der Energiebedarf so hoch, dass rein elektrisch angetriebene Autos schnell den Akku leeren, der im Vergleich zu einem Benzintank nur wenig Energie speichern kann – ein Liter Benzin trägt rund 9 kWh Energie, der Taycan-Akku also umgerechnet nur gut 10 Liter Sprit.
Außerdem mindert Koenigsegg die Komplexität seiner Elektroantriebe und versucht mit seinem aus zwei Quark-Motoren und einem David-Gleichrichter bestehenden Terrier-Antrieb ein optimales Gleichgewicht aus Leistung und Drehmoment zu erzielen. Für Anwendungen in der Elektromobilität könnte dies der richtige Weg sein – zudem beweisen die Forschungen von Koenigsegg, dass die Entwicklungen bei der Elektromobilität rasant voranschreiten.