Lotus-Nachhaltigkeits-Chefin Marie-Camille Lecocq im Interview

Lotus-Nachhaltigkeits-Chefin im Interview
Gehen Sportwagen auch nachhaltig?

Lotus krempelt sein komplettes Business um. Weg vom Verbrenner, hin zu Elektro und einer CO₂-neutralen Produktion. Umweltbewusstes Produzieren wird immer entscheidender. Im Interview verrät uns Marie-Camille Lecocq, was Nachhaltigkeit heute bedeutet, ob Sportwagen überhaupt nachhaltig sein können und welches Lotus-Modell sie am meisten mag.

Marie-Camille Lecocq
Foto: Lotus
Sie haben Ihre Karriere als Verantwortliche für Color and Trim begonnen – wie war Ihr Weg bisher?

Ich habe in Tokio für Nissan gearbeitet und dann in Detroit für Chevrolet und Cadillac. Dann war ich bei Jaguar Land Rover – mein letztes Projekt dort war der Range Rover Sport. Jetzt bin ich bei Lotus.

Bei Lotus machen Sie nicht "nur" Color and Trim, sondern kümmern sich auch um Nachhaltigkeit. Warum?

Jede Abteilung einer Firma muss sich inzwischen auch um Nachhaltig kümmern – das ist ein ganz wichtiges Thema. In der Color-and-Trim-Abteilung von Lotus habe ich das Thema übernommen. Ich finde Nachhaltigkeit gerade bei der Innenausstattung eines Autos besonders sinnvoll. Dafür arbeiten wir an einer neuen Nachhaltigkeits-Strategie.

Unsere Highlights
Glauben Sie, dass die Kunden nachhaltige Produkte fordern? Möchten die beispielsweise vegane Sitzbezüge?

Ich denke, dass wir uns gerade von der Idee wegbewegen, dass der Kunde irgendetwas möchte. Der Kunde erwartet einfach, dass die Firma nachhaltig und verantwortungsbewusst arbeitet. Es geht beispielsweise darum, wie wir das Auto bauen, wie wir unsere Mitarbeiter behandeln, aus welchen Quellen die von uns genutzte Energie stammt und mit welchen Zulieferern wir zusammenarbeiten. Um eine nette Greenwashing-Geschichte mit einzelnen Beispielen, wie einem veganen Interieur, geht es also nicht. Es geht um sehr viel mehr – wenn der Kunde einen Lotus kauft, soll er keine Schuldgefühle haben. Der Kunde soll sich über sein Auto freuen und der Firma vertrauen können.

Was ist Ihr Part bei der Sache?

Ich bin für alles zuständig, womit der Kunde im Innenraum des Autos in Berührung kommt. Ich kümmere mich darum, dass diese Materialien nachhaltig sind. Wir nutzen beispielsweise Produkte der Modeindustrie, die sonst weggeworfen und verbrannt werden würden. Wir haben eine Technologie, mit der wir aus den alten Kleidungsstücken ein neues Garn herstellen. Bei der Produktion kommen keine giftigen Stoffe zum Einsatz. Außerdem ist das Garn von vornherein so gemischt, dass man nicht per Hand einzelne Fäden heraussuchen muss. Mit diesem neuen Garn haben wir ein neues Textil erschaffen, mit dem wir auf dem Markt die Ersten sind. Das ist ein großer Vorteil. Andere Hersteller arbeiten beispielsweise mit recyceltem Polyester – dort müssen sie jeden einzelnen Faden per Hand heraussuchen. Bei Nachhaltigkeit geht es also auch immer um den gesamten Herstellungs-Prozess.

Kann denn ein Sportwagen überhaupt nachhaltig sein?

Das ist nicht einfach, aber ich denke: ja. Leichtbau ist ein wichtiges Thema. Damit ist man effizienter und verschwendet weniger Energie. Zudem muss das Produkt langlebig sein. Wenn Sie ein Produkt entwickeln, was nur zehn Jahre hält, landet es danach wahrscheinlich im Müll. Bei einem Premium-Luxus-Auto sollte das anders ein. An so einem Auto sollten auch noch Ihre Kinder und Enkel Freude haben.

Marie-Camille Lecocq
Lotus

Lotus-Nachhaltigkeits-Chefin Marie-Camille Lecocq liebt Leder, hat beim Thema Nachhaltigkeit aber die gesamte Firma mit all ihren Prozessen im Blick.

Gibt es da nicht Grenzen? Wenn die Autos ewig halten, können Sie vielleicht kaum noch neue verkaufen.

Wir brauchen für jedes Element des Autos einen eigenen Prozess. Einige Teile kann man recyceln, andere nicht. Auch darüber kann man Geld verdienen.

Sehen Sie weitere Potentiale für Nachhaltigkeit?

Oh ja, wir sind gerade erst am Anfang. Und es gibt nicht nur einen Weg zu Nachhaltigkeit. Wenn jeder alles gleich macht, ist das auch nicht nachhaltig. Wir müssen genau herausfinden, was speziell für Lotus am besten ist. Wir müssen unser Erbe beachten und wollen innovativ sein – wir dürfen uns nicht einschränken lassen.

Was meinen Sie: Haben Leder und Holz als Ausstattung für Autos eine Zukunft?

Ich liebe Leder. Es kommt auf den richtigen Lieferanten an. Für uns ist das Bridge of Weir aus Schottland – die wissen, was sie tun – die arbeiten sehr nachhaltig. Mit dem richtigen Zulieferer wird Leder in der Autoindustrie immer eine Zukunft haben. Allerdings frage ich mich, ob Leder aktuell zu Lotus passt. Wir sind ja ein Hersteller von Performance-Autos – da sehe ich Leder eher nicht.

Da Sie nach wie vor auch für Color and Trim zuständig sind: Gibt es in der bisher 75 Jahre währenden Geschichte von Lotus ein Modell, von dem Sie sagen würden, das sein in Sachen Color und Trim besonders gelungen?

Das ist eine schwierige Frage. Für mich ist die Elise ein ikonisches Auto. Wenn man tiefer in die Geschichte von Lotus eintaucht – da waren eine Menge Innovationen. Lotus gehörte zum Beispiel zu den Ersten, die mit Composite-Materialien beim Chassis gearbeitet haben. Solche Innovationen weiter voranzutreiben – daran arbeiten wir.