Die Robotertaxi-Anbieter Waymo (Tochter der Google-Mutter Alphabet) und Cruise (Tochter von GM) durften ihre vollautonomen Fahrzeuge in Kalifornien bis Anfang August 2023 nur mit Sicherheitsfahrer betreiben. Wer als zahlender Kunde durch die Stadt chauffiert werden wollte, musste sich anmelden und nahm im Prinzip an einem Real-Feldversuch teil. Einzelne Fahrten wurden allerdings auch schon ohne Fahrer durchgeführt. Als Fahrgäste durften nur bestimmte Personen an Bord, die zudem eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen mussten.
Das hat sich inzwischen geändert. Die vollautonomen Autos dürfen Fahrgäste jetzt rund um die Uhr wie herkömmliche Taxis von A nach B bringen – sogar ohne Sicherheitsfahrer an Bord. Die verantwortliche kalifornische Regulierungsbehörde CPUC hatte die Freigabe dafür am 10. August erteilt und sich gegen den Widerstand von Taxifahrern und einigen Anwohnern durchgesetzt. Waymo wird zunächst 100 seiner 250 Autos für kostenlose Testzwecke zur Verfügung stellen. Bei Cruise waren direkt nach Antritt 300 Robotaxis tagsüber und rund 100 nachts im Einsatz. Inzwischen ist es jeweils nur die Hälfte (siehe Textende).
Erste Stadt der Welt mit autonomen Taxis
San Francisco – dazu gehört auch das nahegelegene Silicon Valley – ist damit zur ersten Stadt der Welt geworden, in dem Robotaxis ohne Sicherheitsfahrer unterwegs sind. Das US-Unternehmen Waymo gilt als Pionier beim Einsatz autonom fahrender Autos. In Phoenix, einer Stadt im US-Bundesstaat Arizona, betreibt Waymo bereits seit einigen Jahren eine Flotte von Shuttle-Fahrzeugen, die hochautomatisiert unterwegs sind. Eine Basis dafür stellt der Van Chrysler Pacifica (siehe Galerie). In San Francisco kommen aber auch E-Fahrzeuge wie der Jaguar I-Pace oder Modelle von Zeekr/Geely zum Einsatz.
Zwischenfälle mit liegengebliebenen Fahrzeugen und Beschwerden von Passanten gab und gibt es immer wieder – auch schon vor der Liberalisierung Anfang August. Eine Auswertung des "San Francisco Chronicle" auf Basis von Daten, die die kalifornische Verkehrsbehörde "Department of Motor Vehicles" (DMV) zur Verfügung stellt, verdeutlicht nun das Ausmaß dieser Zwischenfälle. Demnach gab es seit Erfassung der Zwischenfälle im Jahr 2014 in ganz Kalifornien 646 Kollisionen, an denen fahrerlose Autos beteiligt waren. Mit der Zunahme fahrerloser Autos im Laufe der Zeit wurden es zuletzt immer mehr. Allein seit Jahresbeginn 2022 bis heute verzeichnete das DMV 253 solcher Unfälle.
Stadtgebiet als Unfall-Hotspot
Wie eine Karte des "San Francisco Chronicle" zeigt, ist das Stadtgebiet von San Francisco der Hotspot dieser Zwischenfälle. Was wenig verwunderlich ist, schließlich sind die Robotaxis hier vorrangig unterwegs und es lauern aufgrund unübersichtlicher Fahrsituationen auf den Straßen der Metropole mehr Gefahren als außerhalb. Interessant ist zudem, dass die fahrerlosen Autos von Cruise statistisch gesehen sicherer unterwegs zu sein scheinen als jene von Waymo. Die Vehikel der GM-Tochter waren seit Jahresbeginn 2022 an 69 Unfällen beteiligt, obwohl sie die deutlich größere Flotte stellen. Im selben Zeitraum waren Waymos Robotaxis in 110 Crashes verwickelt.
Eine positive Entwicklung im Hinblick auf Sicherheit ist im vergangenen anderthalben Jahr übrigens nicht zu verzeichnen. Im gesamten Jahr 2022 geschahen laut DMV 151 Unfälle mit Robotaxi-Beteiligung – macht im Schnitt 0,41 pro Tag. Bis zur Freigabe, ohne Sicherheitsfahrer ihre Runden drehen zu dürfen, waren es im bisherigen Jahr 2023 an 222 Tagen 93 Crashes, also 0,42 pro Tag. Die Liberalisierung schien das Sicherheitsniveau nur leicht negativ zu beeinflussen – zumindest statistisch: Neun Kollisionen an 19 Tagen bis zum 29. August 2023 ergeben einen Durchschnitt von 0,47. Doch vor allem die Art der Vorfälle ließ aufhorchen und führte zu umfassender Medien-Berichterstattung. Erst fuhr am 15. August ein Cruise-Robotaxi in noch nicht ausgehärteten Asphalt und blieb darin stecken. Zwei Tage später kollidierte ein Auto desselben Anbieters mit einem Feuerwehrfahrzeug, wobei der Passagier leichte Verletzungen erlitt.
Cruise reduziert vorerst Robotaxi-Flotte
Immerhin: Keiner der bisher vom DMV dokumentierten Robotaxi-Unfälle endete für einen der beteiligten Menschen tödlich. Dennoch gibt es immer wieder kritische Stimmen hinsichtlich des liberalen Umgangs mit fahrerlosen Autos in und um San Francisco. So bezeichnet die Feuerwehr der Stadt die Technik als bis jetzt nicht ausgereift. Verlieren die Robotaxis beispielsweise den Kontakt zum Telefon-Netz, bleiben sie einfach stehen – ob auf einer Kreuzung, auf der linken Spur oder auf einem Feuerwehrschlauch.
Genau das passierte ebenfalls wenige Tage nach der Freigabe: Erneut waren es Fahrzeuge von Cruise, die zu Problemen führten. Sie hatten zeitweise keine Internetverbindung und blockierten massiv den Verkehr, als sie sich an einer Kreuzung ballten und nicht weiterfuhren. Cruise erklärte den Vorfall damit, dass wegen eines Musikfestivals die Internetverbindung gestört gewesen sein soll. Allerdings blieben die Autos am östlichen Stadtrand San Franciscos liegen. Das Festival fand jedoch im Westen der Stadt statt. Als erste Reaktion auf die jüngsten Vorfälle reduziert Cruise auf Geheiß der CPUC seine Robotaxi-Flotte um 50 Prozent – und zwar so lange, wie die Untersuchungen der Behörden bezüglich der Vorfälle laufen.
Fazit
In San Francisco dürfen seit dem 11. August 2023 autonome Robotaxis ohne Sicherheitsfahrer unterwegs sein und Kunden quer durch die Stadt chauffieren. Mit Waymo und Cruise sind zunächst zwei Anbieter im Stadtgebiet – zu dem auch das Silicon Valley gehört – unterwegs. Weitere, etwa die Amazon-Tochter Zoox, wollen folgen. Seit der Liberalisierung gab es jedoch bereits einige medienwirksame Zwischenfälle, die die Kritik an der Entscheidung verstärkten – und dazu führten, dass Cruise seine Flotte vorerst halbieren muss.