Es gibt Synonyme, die absolut unmissverständlich sind: Reihensechszylinder und Hinterradantrieb ist eines von denen, die unteilbar sind – oder würden Sie damit etwa die Marken Audi, Porsche oder Lexus in Verbindung bringen? Der Name BMW ist alles, was einem zu dieser Antriebseinheit einfällt – zumindest wenn man ein paar Jahrzehnte Autoleidenschaft auf dem Buckel hat.
Dabei wird in München, dem ehemaligen Zentrum für klassisch- konventionelle Antriebssysteme, seit geraumer Zeit alles dafür getan, dass sich das ändert.
Alpina B3 Biturbo im Supertest mit Heckantrieb
Der Hinterradantrieb mit vorne längs eingebautem Motor ist nämlich auch bei BMW längst nicht mehr heilig: Nachdem inzwischen fast alle Modellreihen auch mit Allradantrieb erhältlich sind, muss man sich über den jüngsten Paradigmenwechsel bei den Weiß-Blauen auch nicht mehr wundern. So fährt der 1er demnächst mit Frontantrieb, womit die letzte ehedem markenspezifische Besonderheit so langsam, aber sicher in der Allgemeingültigkeit verschwindet.
Aber es gibt sie noch: ein paar Aufrechte im BMW-Umfeld, die sich nicht davon abhalten lassen, Refugien für klassische Rezepte offen zu halten – damit nicht alles, was früher Begehrlichkeiten geweckt hat, dem schnöden Vergessen anheimfällt.
Zum Beispiel die typisch blaue oder grüne Lackierung oder das klassische Zierstreifen-Design in Gold oder Silber, mit dem sich die Marke Alpina zumindest in den Köpfen tendenziell ergrauter Alpina-Fans fest verankert hat. Ungeachtet der Möglichkeit, im neuen Alpina B3 Biturbo auch mit xDrive-Allradantrieb antreten zu können, nimmt unsere viertürige Limousine vom Typ B3 Biturbo die Speed- und Fahrdynamik-Challenge des Supertests ebenso klassisch wie risikobewusst mit konventionellem Heckantrieb auf – professionell unterstützt von einer mechanischen Drexler-Differenzialsperre.
Wie es sich gemäß der BMW-Legende gehört, ist hier noch immer ein Reihensechszylinder am Werk, der im Grunde seines Kurbelhauses zwar ein klassisches BMW-Baumuster aufweist, sich in seiner technischen Komplexität aber weit vom Ausgangsprodukt entfernt hat.
12,5 Liter Verbrauch im Supertest-Mittel auf 100 Kilometer
Drei Liter Hubraum, Direkteinspritzung, vollvariable Valvetronic-Ventilsteuerung und nicht zuletzt die aufwendige Biturbo-Aufladung gewährleisten unterm Strich nämlich zweierlei: Leistung satt und eine für diese Leistungsklasse erstaunliche Effizienz. Seitens Alpina ist folgendes Statement überliefert: "Uns ist kein anderes Auto mit diesen Leistungs- und Verbrauchswerten bekannt."
Nach ECE-Norm soll der Verbrauch des Alpina B3 Biturbo gegenüber dem Vorgänger (Supertest Heft 12/2008) um 20 Prozent reduziert worden sein. Er liegt damit bei 7,6 Litern je 100 Kilometer, was einem CO2 -Ausstoß von lediglich 177 g/km entspricht – nicht schlecht für ein 410-PS-Aggregat. Alpina ist sich trotz signifikanter Leistungssteigerung demnach auch in dieser Hinsicht treu geblieben:
Bei keinem anderen Kleinserienhersteller war das Thema Effizienz so früh so hoch aufgehangen wie bei der Buchloer Automanufaktur – und das bei einem Jahresvolumen von gerade einmal 1.250 Einheiten (Geschäftsjahr 2013), ein Bruchteil von dem der BMW AG, die aufgrund ihrer Größe mit unvergleichlich höheren Entwicklungsbudgets operieren kann.
So ist das Delta zwischen dem, was die Norm verspricht, und dem, was in der Praxis an Einspritzmengen verlangt wird, beim Alpina B3 Biturbo erfreulich schmal: Verbräuche um die zehn Liter pro 100 Kilometer sind keine Seltenheit. Im Supertest-Mittel waren es moderate 12,5 Liter, die der vor Kraft schier berstende Biturbo-Motor auf 100 Kilometer für sich vereinnahmte.
Alpina B3 Biturboin 4,3 Sekunden auf Tempo 100
Dabei wurde auch der Alpina B3 Biturbo – wie man sich denken kann – im Supertest nicht geschont. So, wie sich die vollgetankt 1.677 Kilogramm schwere Limousine bei den Fahrleistungsmessungen ins Zeug legt, wären Trinksitten à la Ballermann folglich durchaus verständlich gewesen.
Der Sprint aus dem Stand auf 100 km/h ist im Alpina B3 Biturbo binnen 4,3 Sekunden erledigt. Bis 200 km/h nimmt sich der Hecktriebler 14,6 Sekunden Zeit – ein Wert, mit dem sich auch große Sportwagen schmücken könnten. Auch darüber hinaus geht es locker weiter in Richtung Höchstgeschwindigkeit – so, als sei es ein Kinderspiel, den steigenden Fahrwiderständen zu trotzen.
M3-Piloten, habt acht: Der Alpina B3 Biturbo bringt es im Supertest in der Spitze auf 305 km/h, und das mit einer Gelassenheit, die im Sportwagensegment vermutlich ihresgleichen sucht. In Sachen Geradeauslauf lässt sich der Alpina B3 Biturbo jedenfalls von nichts und niemandem stören. Feuchte Handflächen auf schnellen Autobahnetappen sind daher bei Alpina-Fahrern ein eher seltenes Phänomen.
Der Gesamtcharakter des Alpina B3 Biturbo ist dieser schnellen Längs-Disziplin in mehrerlei Hinsicht zugetan: Zur Geradeauslauf-Sicherheit gesellen sich vergleichsweise niedrige Fahr- und Windgeräusche. Auch die im Sport-Modus anfangs als kernig charakterisierte Lenkung entpuppt sich als sachdienliches Instrument, sobald ICE-Tempo erreicht ist.
Achtgang-ZF-Automatik im Alpina B3 Biturbo
Dank der Art und Weise, wie im Alpina B3 Biturbo Vortrieb erzeugt wird, ist Entspannung garantiert. Da ist zum einen der grandiose Turbo-Schub mit der immensen Durchsetzungskraft von 600 Newtonmetern. Und zum anderen die Achtgang-ZF-Automatik, deren geschliffener Automatismus dem Fahrer die bequeme Rolle des Passagiers zuweist – sofern er dies möchte.
Er kann aber auch die Switchtronic-Funktion aktivieren und so die Gangstufen nach eigenem Geschmack sortieren. Insgesamt stehen drei Getriebe-Modi zur Wahl: "Automatik", "Sport" und "Manuell". Die selbst initiierten Gangwechsel werden auf Knopfdruck ausgelöst.
Das zarte Fingerspiel auf den beiden runden Knöpfchen auf der Rückseite des Lenkradkranzes wirkt zunächst etwas verspielt, was im Alltag dazu verführt, das Arrangement zwischen Motor und Getriebe ganz dem Automaten zu überlassen. Aber die Bemerkung auf der Test-Begleitkarte lässt tief blicken – dort steht: "Getriebe arbeitet im Sport-Modus extrem reaktionsfreudig und ist damit sogar rundstreckengeeignet."
Ein schöneres Lob kann einer Automatik nicht ausgestellt werden. Das Gefühl, im Sport-Modus aufgrund automatisierter Zwischengasstöße und blitzschneller Gangwechsel im Rennsportumfeld gelandet zu sein, kann einen anregenden Ausgleich für zuvor erlittene Stau-Etappen liefern. Schön auch, zu wissen, dass die Gänge im manuellen Modus gehalten werden, also die Zwangshochschaltung bei Erreichen des roten Drehzahlbereichs ausgeschaltet bleibt.
Das gilt auch für den Kickdown-Modus: So kann die grandiose Durchzugskraft des Biturbo- Motors auch aus niedrigen Drehzahlen heraus in vollen Zügen genossen werden – sofern nicht gerade die achte und letzte Gangstufe eingespannt ist, die quasi nur als Schongang allein zum Halten der jeweiligen Geschwindigkeit taugt. Die Höchstgeschwindigkeit wird dementsprechend im siebten und nicht im letzten Gang erreicht.
Leistungsanstieg des Biturbo nicht ganz so gleichmäßig
Der Motor gibt sich auch akustisch eindeutig als Turbo zu erkennen: Das vernehmliche Pfeifen der beiden Turbinen birgt eine nicht zu unterschätzende akustische Brisanz von anregendem Unterhaltungswert.
Man sollte aber ihr Pfeifen gelegentlich auch als Warnton verstehen, denn so, wie der Biturbo die Längsdynamik bestimmt, spielt er auch im querdynamischen Fahrmodus eine dominante Rolle. Der Abzweig auf den abgeschlossenen Rennkurs zum finalen Ausloten der querdynamischen Talente ist in jedem Fall etwas für Spezialisten – sofern geplant ist, auf die Unterstützung durchs DSC zu verzichten. Der Leistungsanstieg des Biturbo-Motors ist nämlich nicht ganz so gleichmäßig und smooth, wie man es mittlerweile von anderen aktuellen Turbomotoren kennt – solchen, die bis zur Unkenntlichkeit auf Saugmotor-Charakteristik getrimmt sind.
Wenn also der Boost einsetzt, die möglichen Seitenführungskräfte der 265 Millimeter breiten Michelin Pilot Super Sport auf der hinteren Antriebsachse aber schon fast ausgeschöpft sind, dann ist ein willensstarker und reaktionsschneller Akteur am Steuer gefragt.
Gefühlvolle, nicht übertriebene Gegenlenkmaßnahmen und ein sensibler Gasfuß, der das Ideal zwischen Gaswegnehmen und Druckhalten trifft, sind Voraussetzung dafür, dass die Ideallinie mit dem Alpina B3 Biturbo einigermaßen gehalten werden kann.
Alpina B3 Biturbo in 1:15,3 über den Kleinen Kurs
Erschwerend kommt hinzu, dass seitens des Fahrwerks eine tendenzielle, sicherheitsbetonte Untersteuerneigung vorgehalten wird. Das Ergebnis im Grenzbereich lässt sich mit etwas Fantasie leicht ausmalen: Die am Eingang einer zügig angegangenen Kurve auftretende Untersteuerneigung geht beim Gaseinsatz ziemlich abrupt ins Übersteuern über, sobald das Wiederanlegen des Gaspedals auch nur eine Spur zu energisch ausfällt. Die zu bewältigenden Wege am Lenkrad werden lang bei dem Versuch, diese unterschiedlichen Tendenzen korrekt auszugleichen.
Die Rundenzeit auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim macht deutlich, dass es dem Alpina B3 Biturbo speziell mit der vorliegenden Reifenkonfiguration etwas widerstrebt, solch derben Prüfungen unterzogen zu werden. Mit einer Zeit von 1.15,3 Minuten ist die auf Basis des jüngsten 3ers aufgebaute Power-Limousine um über drei Sekunden langsamer als ein B3-Modell der Vorgängergeneration, das allerdings im Hinblick auf möglichst hohe Querbeschleunigungswerte ungleich besser ausgerüstet war.
Immerhin liefert Alpina mit dem damals auf Sportreifen rennenden B3 GT3 – so der Name des im Supertest-Heft 10/2012 vorgestellten Ahns – den überzeugenden Beweis dafür, dass es konzeptionell kein Nachteil sein muss, den Konkurrenzkampf mit klassischen Baumustern in Angriff zu nehmen.
Auf der Nordschleife wurde der GT3 mit einer Zeit von 7.49 Minuten vorstellig, womit wieder einmal bewiesen wäre, dass es nicht auf das Konzept ankommt – in diesem Fall: alt oder neu –, sondern darauf, was man daraus macht.
Gute Ergebnisse im 36-Meter-Slalom und Ausweichtest
Von dieser einst bemerkenswerten Zeitvorgabe ist der aktuelle Alpina B3 Biturbo im Supertest mit seiner Zeit von 8.14 Minuten weit entfernt, allerdings nicht ausschließlich aufgrund seiner alltagskonformen Reifen. Auch das für einen 3er bemerkenswert hohe Gewicht – immerhin 1.677 Kilogramm – macht sich in bekannt destruktiver Weise bemerkbar. Die Masse ist aber nicht, wie man meinen könnte, mehrheitlich von Alpina aufgelastet worden, sondern ein serienmäßiges Mitbringsel der jüngsten 3er-Basis.
Auch wenn die Erwartungen hinsichtlich eines "Racing"-Modus damit enttäuscht sind, so ist und bleibt der Alpina B3 Biturbo ein handliches, agiles Auto. Den Beweis dafür liefern sowohl der 36-Meter-Slalom als auch der Ausweichtest. In beiden Kriterien schneidet der Alpina im Vergleich zu der infrage kommenden Konkurrenz bemerkenswert gut ab.
Auch bremsentechnisch ist kein negativer Befund zu verzeichnen: Ungeachtet der kinetischen Energie, die angesichts der hohen Masse und der extrem hohen Geschwindigkeiten entfesselt werden kann, liefert der Alpina B3 Biturbo standesgemäße Verzögerungsleistungen – und im heißen Aggregatzustand sogar die besten: 11,1 m/sÇ. Das entspricht einem Bremsweg aus 100 km/h von 34,7 Metern.
Ein letztes Wort zur Alpina-Fahrkultur: Sie ist weit entfernt von dem, was einem 3er-BMW auf Anhieb zugetraut wird – dafür aber erstaunlich nah dran am Luxus-Segment. So viel Kraft und Herrlichkeit auf vergleichsweise kleiner Grundfläche: Das ist reizend bis aufreizend – aber niemals anmaßend oder gar anzüglich.
Geht es geradeaus, dann fährt der Alpina B3 Biturbo sogar gegenüber seinem schnellen Ahn B3 GT3 einen Vorsprung heraus – aber auch nur dann. Im Kurvengrenzbereich tritt der sportliche Charakter etwas gedämpfter zutage. Die Rundenzeit ist mit der seines Vorgängers auf E92-Basis praktisch identisch – trotz der deutlichen Mehrleistung. Am Limit ist bei ausgeschaltetem DSC Vorsicht angesagt: Das Heck wird unter Gaseinsatz leicht lose – soll heißen, gefühlvolles Gasanlegen hat oberste Prioriät. Trotz üppiger Formate: Die Grenze des Machbaren wird seitens der Reifen markiert. Entgegen der Vermutung handelt es sich bei den Michelin Pilot Super Sport nicht um Sportreifen im engeren Sinn.
Der Hockenheim-Auftritt war eher ernüchternd: Die Rundenzeit reflektiert durch Zahlen, was sich auch subjektiv bemerkbar macht. Mit diesem Set-up (Fahrwerk/Reifen) ist sportlich nicht viel mehr zu holen. Der Wechsel zwischen Untersteuerneigung und – bei forschem Gaseinsatz – ausgeprägter Tendenz, das Heck raushängen zu lassen, gestaltet es nicht leicht, den optimalen Strich zu verfolgen. Die gute Nachricht: Die Bremse der 410 PS starken Limousine hält den Angriffen, die bei solchen Eckwerten stets zu erwarten sind, stand. Weder Fading noch unangenehme Geräusche weisen auf Schwächen im System hin.
Im aufschlussreichen Beschleunigungs- und Bremstest gibt es nicht viele seiner Gattung, die dem Alpina B3 Biturbo das Wasser reichen könnten. In Sachen Beschleunigung steht also sowohl bei positiven als auch negativen Vorzeichen alles zum Besten.
- Beschleunigung 0-200 km/h:
- 14,6 s
- Bremsen 200-0 km/h:
- 5,1 s
Die angegebenen Aerodynamik-Werte – cW-Wert und Auftriebswerte an den Achsen – sind nicht verifiziert. Es handelt sich um Angaben von Alpina beziehungsweise des BMW-Werks.
Die maximalen Querbeschleunigungswerte weisen es aus: Mit 1,25 g ist ein gutes, aber kein sportlich herausragendes Niveau erreicht. Der B3 GT3 auf Basis des Vorgängers (E91) brachte es mit Sportreifen auf 1,4 g. Entgegen der Bezeichnung – Pilot Super Sport – handelt es sich bei den verwendeten Michelin-Reifen nicht um Semislicks, sondern um solche aus der Generalisten-Ecke.
Im engen 18-Meter-Slalom fiel der B3 noch durch Untersteuerneigung auf. Im schnelleren 36-Meter-Slalom wandelte sich das Bild. Auf gutes Einlenkverhalten folgt ein "mitlenkendes Heck" in Form von leichtem Übersteuern. Das Fahrverhalten kann auch bei deaktiviertem Stabilitätssystem noch als sicher bezeichnet werden. Bösartige Lastwechselreaktionen oder Konterschwünge bleiben aus.
Wie schon zuvor im Slalom fühlt sich der Hecktriebler eher bei höheren Geschwindigkeiten wohl. Die schnelle Ausweichgasse meistert der Alpina mit annähernd neutralem Fahrverhalten im Grenzbereich. Auf provozierte Lastwechsel folgt ein gut zu kontrollierendes, leicht drückendes Heck. Alle getroffenen Aussagen beziehen sich auf Testfahrten mit komplett deaktiviertem DSC.
Fazit
Geht man davon aus, dass der Alpina B3 Biturbo zu 95 Prozent auf öffentlichen Straßen bewegt wird, dann macht er alles richtig – und bringt alles mit, was das Herz begehrt: einen in jeder Hinsicht effizienten Motor, der kühle Zahlenmenschen ebenso begeistert wie von Leidenschaft verzehrte Auto-Verrückte. In Kombination mit der perfekt funktionierenden Achtgangautomatik zeigt sich hier ein Antriebsstrang von allererster Güte. Trackday-Einsätze? Würde ich eher von absehen und mich lieber auf die begeisternde Längsdynamik konzentrieren – und/oder auf den B3-GT3-Nachfolger warten. Ob der kommt? Nun, fragen kostet ja nichts.
Alpina B3 | |
Grundpreis | 67.900 € |
Außenmaße | 4632 x 1811 x 1431 mm |
Kofferraumvolumen | 480 l |
Hubraum / Motor | 2979 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 301 kW / 410 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 303 km/h |
0-100 km/h | 4,3 s |
Verbrauch | 7,6 l/100 km |