Unser letzter Ausflug zu den Sehnsuchtskurven des Südwestens liegt nun schon so lange zurück, dass Erinnerungsfetzen allmählich ins Vergessen diffundieren. Dabei haben wir noch längst nicht den Eindruck, dass wir genug Material für die Zeit danach gesammelt haben. Unsere Synapsen brauchen weitere Impulse, bevor ... nun ... das einzig Elektrisierende aus dem Akku kommen wird. Lassen wir uns also von Verbrennern euphorisieren, die unsere und Ihre Neurotransmitter so richtig in Fahrt bringen: vom Audi TT S Coupé, dem Porsche 718 Cayman und der Alpine A110 S.
Erlaubt man Auto-Aktivisten, einen Sportwagen zu bauen, sozusagen nur für sich – ohne dass sich allwissende Vertriebler oder centfuchsende Controller einmischen – hinter der Türe mit dem Schild: "Nur Enthusiasten!" ... dann dürfte so etwas wie eine Alpine herauskommen. Und jetzt folgt der süße Wahnsinn – diesen Wunschwagen gibt es. Sie haben bei Renault Sport ihren eigenen Mittelmotor-Muntermacher konstruiert. Klein, leicht, höchst agil.
Wie schwer leicht ist, wissen alle Sportwagenbauer. Doch die Zwänge ... der Fußgängerschutz ... die Sicherheit ... der Komfort ... Nichts als Ausreden: Die Alpine ist reichhaltig ausgestattet und über 300 Kilogramm leichter als die Konkurrenten.
Hält sich Lasten vom Leib
So ein Leichtgewicht lässt sich kaum aus Frontmotor-Plattformen morphen; doch darauf basiert der TTS. Und wenn man den Vorderbau des raumgreifenden 911 verwenden soll, kann kein zierlicher Sportwagen entstehen. Entsprechend groß und schwer ist der vierzylindrige Basis-Cayman. Die Alpine dagegen hielt sich Lasten vom Leib, musste vom Essenziellen nur das Bedienzeugs aus der Großserie übernehmen. Sowie den Antrieb, wobei man das nicht glauben mag, weil der 1,8-Liter besessen losgrollt, mitreißend durch die Drehzahlen tobt, die Luft vibrieren lässt. Als wäre er nur für den A110 S entstanden.
Seine Leidenschaft versteckt sich nicht lange im Schneckengehäuse des Turboladers, obwohl dieser 1,8 statt 1,4 bar Überdruck aufbauen muss, für 300 statt 252 PS wie in der Basis-Alpine. Darin eingeschlossen: acht PS und 20 Nm zusätzlich seit dem Modelljahr 2022. Und ein verstärktes Doppelkupplungsgetriebe. Obwohl auf den Porsche 40 und auf den Audi 60 Nm fehlen, schiebt die Alpine robust an, beschleunigt von 80 auf 120 km/h minimal schneller. Weniger Masse. Logisch. Bei Vollgas glühen Vierzylinder und Fahrer um die Wette. Wobei Vollgas nicht die Höchstgeschwindigkeit meint – wer das Aeropaket bestellt, darf in der siebten Welle 275 km/h mit viel Korrekturarbeit am Lenkrad erwarten. Unerheblich. Wichtig sind die lustvollen Gaswechsel im Gerangel zwischen zwei Kurven. Und dann wieder zwei. Enge Kurven. Eckige Kurven. Erhabene Kurven.
Lenken, das ist Leben. Für uns Auto-Aktivisten und für die Alpine, egal ob mit oder ohne S – jenseits einer Stoppuhr, die über gut oder schlecht entscheidet. Also jenseits der Porsche-Welt, in welcher der Cayman domestiziert wurde. Messwerte und Analysen? Selbstverständlich. Landstraßen werden in Sektoren zerlegt, beurteilt, durchmessen, ehe sie ihre Geheimnisse überhaupt offenbaren konnten. Denn der 718 ist bis in die beste Bremsleistung hinein auf Vollzug getrimmt. Da blühen eher Respektsbekundungen als blumige Schwärmereien.
Spielerisch und schwebend
Der A110 S beschreibt die gleichen Sektoren höchst emotional. Nehmen wir eine Rechtskurve: Einlenkpunkt anvisieren, Verzögerungsbedarf abschätzen, progressiver Druck aufs Bremspedal. Stramm, aber nicht hart fühlt es sich an, es schabt. Beläge-auf- Scheiben-Rückmeldung. Einlenken unter Radlastverschiebung, zunehmende Sattheit in der Lenkung. Das Chassis drückt aufs kurvenäußere Vorderrad, die Sitzschale klopft an die linke Schulter. Kraftvektoring durch den Arm, um den Lenkeinschlag gegen die Rückstellkräfte zu verteidigen. Dann, wenn alles passt, vermindert sich die Lenkkraft.
Es ist der ergreifende Moment der Leichtigkeit, wenn der Dreh- und Angelpunkt, das Kraftzentrum, in dem man eher kauert als sitzt, Aufwind erhält. Wenn die mittelmotorige Alpine von spielerisch in schwebend konvertiert, sich intuitiv ausrichtet. Hier koppelt das Über mit dem Steuern, wechselt die Gravität des Oberkörpers teilweise ihre Richtung – es drückt nun auch die rechte Wange der optionalen Schalensitze. Ganz weich, ganz zwanglos.
Scheinbar autonom öffnet sich die Lenkung, fließt das rechte Maß an Drehmoment und breitet seine Dynamik in der Schmauchzone aus. Actio gleich Reactio: Der Fahrer wirkt auf die Alpine ein und jene wieder auf den Fahrer.
Diesen Augenblick rund um den Scheitelpunkt erlebt man am Steuer langsamer als ein fiktiver Beobachter am Straßenrand. Mit einsteinscher Zeitdilatation hat das wenig zu tun, weil sich der Zustand schon bei erfreulich niedrigem Tempo einstellt. Auch Rallyefahrer berichten von solchen Zeitlupe-Erfahrungen im Drift. Im Audi stellen sie sich nicht ein. Der TTS verfolgt ein völlig anderes Konzept, ist eher Sportcoupé als Sportwagen. Das VW-Golf-Gen sitzt tief drin und bringt ein ganz eigenes Persönlichkeitsbild mit sich. Bislang war keine Rede vom Alltag mit seinen Anforderungen. Doch wer Querkräfte genießen möchte, muss erst einmal in einen Kurvenräuber einsteigen können (Sitzhöhe!). Wer ihn täglich bewegen will, braucht zuweilen Platz für Sperrgut. Wer einen Laternenparkplatz nutzt, nimmt die Übersichtlichkeit allabendlich dankbar an. Wer Kinder (bis einsfünfundvierzig) hat, lädt sie möglicherweise gerne auf eine Runde ein – beim zweisitzigen A110 S und beim 718 müssen sie leider draußen bleiben.
Jetzt klingt Funktionalität weder sexy noch euphorisch. Doch so eine einfache Bedienung mit dem Dreh-Drück-Steller hat ihren Reiz; wir vermissen ihn in vielen neuen Audi-Modellen ähnlich schmerzlich wie die exzellente Verarbeitungsqualität samt den Click-Click-Reglern. Das alles bringt hier im Vergleichstest Vorteile. Freilich wäre der TTS kein Ingenieursstückchen, wenn er nicht auch performen würde. Sein Reihenvierer zeigt die lebensdralle Begierde, die nur ein Benziner bieten kann, geht fünfzylindrig schnoddernd ans Gas, deutlich motivierter als der Boxer des 718 –, ohne den Feuereifer des A110 S zu erreichen. Wobei die eigentliche Triebfeder im Allradsystem sitzt. Der Audi lastwedelt in und um den Scheitelpunkt herum; ein entschlossener Lift am Gaspedal reicht, und von Achtern impulsiert es deutlich. Leistungsübersteuern gelingt dem losen Heckwerk nicht mit Gas und guten Worten, aber in die Kurve hineinpositionieren lässt sich der TTS damit – sogar auf die nächste Gerade hin ausrichten, wenn man mit etwas Übung in den Flow grätscht.
Ohne Übung kann das zuckende Hinterteil durchaus überraschen, bevor das ESP zuschlägt. Was erneut überrascht. Zumal der Ausfallschritt einstudiert statt natürlich wirkt. Wie generell das Kurvenwissen angelesen scheint, modellerrechnet, hingetrimmt. Ein Empfinden, das zum Teil die maulfaule Lenkung verursacht, denn sie vollzieht einfach nur ihre Aufgabe. Während das Doppelkupplungsgetriebe selbst dann eine Aufgabe erfüllt, wenn es keine verrichten sollte: Im manuellen Modus – da schaltet es im Kick-down zurück, obwohl der Fahrer doch genau das (manuell!) nicht möchte.
Weder Alpine noch Porsche erlauben sich unter diesen Umständen solche Übergriffigkeiten. Der Cayman bietet besonders viele anwählbare Adaptionen, feuert im Modus Sport plus die Gänge ausgelassen in den Antriebsstrang, zappt sich andererseits auf Wunsch schon in der Stadt in die lange Übersetzung – eigentlich gut für den Verbrauch. Dennoch kommt der 718 im Testdurchschnitt auf 9,6 l/100 km, 0,4 mehr als der TTS und fast eineinhalb mehr als die Alpine. Auch hier zeigt sich die Überlegenheit des Leichtbau-Konzepts. Laut unserer Eco-Runde kann der A110 S sogar mit 6,2 l/100 km gefahren werden, was für einen 300-PS-Wagen bemerkenswert ist (Audi: 6,6 l/100 km; Porsche: 6,9).
Der Wechselkurven-Swing
Klar, solche Verbrauchs-Betrachtungen klingen nun kleingeistig. Doch beim Basis-Cayman rutscht man immer wieder in die Vernunftsspur. Er hat wenig von seinen wilden Vorgängern. Und von seinen aktuellen Sechszylinder-Brüdern, den Vierliter-Modellen. Stattdessen einen rumpeligen Vierzylinder-Boxer, der nur im mittleren Drehzahlbereich lospumpt. Ein Heck, das bis hinein in einen spektakulären Querkraft-Bereich stoisch der Front folgt, sich allenfalls im Wechselkurven-Swing zum verhaltenen Mitschwingen anregen lässt. Das vermittelt wenig von der Mittelmotor-Euphorie, die wir gerne bejubeln. Wenig vom unmittelbaren Eindrehen um die Hochachse, sobald die Vorderachse eine Kurve wittert.
Dabei können wir der Lenkung selbst wenig vorwerfen. So geschmeidig und rückmeldungsaktiv, wie sie arbeitet. Immerhin reicht die Ausgewogenheit des 718 bis hinein in den Federungskomfort; er ist den adaptiven Stoßdämpfern (1.428 Euro) zu verdanken, die weniger stößig arbeiten als die Pendants im Audi. Apropos Konfigurieren: Unser Porsche-Testwagen hatte die Hinterachssperre für 1.309 Euro – sie dürfte einen erheblichen Teil zur verbissenen Traktion beitragen. Frontseitig helfen hier übrigens die 20-Zöller für 2.451 Euro sowie die Servolenkung Plus (262 Euro).
Nicht zu vergessen das Sport-Chrono-Paket (2.225 Euro). Es beinhaltet die Launch Control. Nur damit katapultiert sich der Porsche so zackig auf Tempo 100 wie die Konkurrenten. Gute Kopfrechner haben 7.675 Euro ermittelt – für Hilfsmittel, die den Cayman erst so fahren lassen wie hier beschrieben. Damit Sie auch noch so perfekt gestützt werden, wie wir das genossen und bepunktet haben, werden weitere 3.273 Euro für die adaptiven Sportsitze Plus fällig.
Explizites Sportfahrwerk
Das alles rechnen wir auf den hier bewerteten Testwagenpreis – logisch, es hat ja auch zur Performance beigetragen. Nebeneffekt: Der Porsche ist deutlich teurer als der Audi, erhält weniger Punkte im Kostenkapitel, büßt in der Gesamtwertung Platz eins ein. Jenen hatte er sich beharrlich in der Eigenschaftswertung erarbeitet. Nun geht der Sieg an den TTS.
Bleibt Rang drei für die noch teurere Alpine mit ihrem explizit harten Sportfahrwerk samt grenzwertigem Komfort und unstetem Geradeauslauf auf schlechten Straßen – mäßigende Adaptivdämpfer gibt es nicht. Auch ein Blick auf die dürftige Auswahl an Assistenzsystemen und Multimedia-Zubehör erklärt den Rückstand – sowie die knifflige Bedienbarkeit des Infotainments. Dieses einzigartige Auto wurde allerdings zum Fahren entworfen – weniger zum Bedienen. Zum Fahren rein um des Fahrens Willen. Das reinste Fahren, welches Gefühle erzeugt, die selbst Auto-Aktivisten noch nie gehabt haben. Das so sehr euphorisiert, dass man die zeitgeistige Dystopie zumindest kurzzeitig vergisst. Und immer wieder diese ergreifende Begeisterung erleben will.
Egal was unser Punkteschema rechts empfiehlt – nehmen Sie die Alpine. Nicht die hier besprochene S-Version, stattdessen den A110 in seiner deutlich günstigeren Basis-Version, der es dennoch an nichts mangelt. Außer an der Option der starren Sabelt-Sitzschalen, doch das ist kein Verlust; sie lassen sich nur mit dem Schraubenschlüssel (bedingt) neigen. Aus früheren Tests wissen wir außerdem: 252 PS reichen aus, um das Leichtgewicht in die Glückseligkeit zu beschleunigen, sein softeres Fahrwerk federt besser, sein Heck giert sogar nochmals gelöster.
Greifen Sie jetzt zu, sammeln Sie Erlebnis-Erinnerungen für die Zeit danach – etwas wie die Alpine wird es wohl nie wieder geben.
Fazit
Der Funktionalitäts-König glänzt mit hoher Variabilität, intuitiver Bedienung, Alltagszugewandtheit und günstigem Preis. Interessiert Sie als Kurven-Liebhaber nicht? ...
... Dann ist vielleicht der linientreue und gefasst federnde Cayman Ihr Buddy. Er saugt weg, was ihm unter die Räder kommt – immer schnell, immer sicher, immer bremsbereit.
Ihnen kam bislang die Leidenschaft zu kurz? Die gibt es hier. Teuer erkauft, klar. Aber auf einem Niveau, das seinesgleichen sucht. Alpine und Kurve, das ist das Traumpaar.
Alpine A110 S | Audi TTS Coupé | Porsche 718 Cayman Cayman | |
Grundpreis | 76.950 € | 59.100 € | 62.054 € |
Außenmaße | 4181 x 1798 x 1252 mm | 4199 x 1832 x 1343 mm | 4379 x 1801 x 1295 mm |
Kofferraumvolumen | 190 l | 305 bis 712 l | 150 l |
Hubraum / Motor | 1798 cm³ / 4-Zylinder | 1984 cm³ / 4-Zylinder | 1988 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 221 kW / 300 PS bei 6300 U/min | 235 kW / 320 PS bei 5600 U/min | 220 kW / 300 PS bei 6500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 260 km/h | 250 km/h | 275 km/h |
0-100 km/h | 4,7 s | 4,6 s | 4,6 s |
Verbrauch | 9,6 l/100 km | ||
Testverbrauch | 8,1 l/100 km | 9,2 l/100 km | 9,6 l/100 km |