Aston Martin V12 Vanquish S im Test

Aston Martin V12 Vanquish S im Test
Schneller als der DB11 und BMW M6 Competition

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Finstere Mächte haben vom Aston Martin Vanquish Besitz ergriffen und eine Klangkulisse erschaffen, die alles in den Schatten stellt. Mit 600 PS zwischen Himmel und Hölle.

Aston Martin V12 Vanquish S, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Wissen Sie, warum mir Aston Martin so sympathisch ist? Wegen Aktionen wie dieser hier. Kaum ein Jahr ist es her, da haben die Briten den DB11 (Fahrbericht) zur Welt gebracht, das Auto, an dem der Modellfahrplan für die kommenden Jahre hängt und dadurch wahrscheinlich nicht weniger als der Fortbestand des gesamten Ladens. Jeder andere Hersteller hätte um so ein Herzstück sofort eine No-go-Area eingerichtet, einen Bereich, in den kein anderes Modell vorstoßen darf. Und was machen sie bei Aston Martin? Sie zeigen ihrem Heiland erst mal fein säuberlich den Mittelfinger – in Gestalt des Vanquish S, der sich mit seinem 600 PS starken V12 und der runden Viertelmillion Grundpreis nun praktisch genau dort anwurzelt, wo der DB11 gerade dabei ist, seine erste Ernte einzufahren. Gentlemen, ich finde, das ist ungefähr so, als würde Porsche seinem 911 einen 911,3 auf den Hals hetzen.

Aston Martin V12 Vanquish S will den Verstand rauben

So, das war der kritische Teil dieser Geschichte. Jetzt folgt der andere, nicht ganz so kritische, mit dem man zu der Erkenntnis gelangen kann, dass es wohl am vernünftigsten ist, beide zu besitzen. Um zu verstehen warum, müssen wir uns jedoch erst noch mal in den DB11 zurückversetzen, uns in seine wohlgeformten Sitze sacken lassen, durch die logischen Menüs des Daimler-Infotainments klicken, registrieren, wie er im Teillastbetrieb die Hälfte seiner Zylinder stilllegt, und uns vom Dampf der beiden Turbolader davontragen lassen. Denn all das gibt es im Aston Martin V12 Vanquish S nicht. Nicht in diesem und in keinem anderen.

Aston Martin V12 Vanquish S, Motor
Rossen Gargolov
Alte Schule: V12-Sauger mit 5,9 Liter Hubraum und 600 PS.

Stattdessen sitzt man eher suboptimal und ärgert sich mit einem Infotainment herum, das zwar endlich die 90er-Jahre-Grafik abgelegt hat, aber gern mal Hü anruft, obwohl man Hott gewählt hat. Doch während der DB11 mit seinen Effizienzmaßnahmen nun eben ganz dezidiert auch den Verstand anspricht, verfolgt der Vanquish S nur ein einziges Ziel: dir diesen zu rauben. Gänzlich, umgehend, ein für alle Mal.

V12 zum Dahinschmelzen

Allein dieser Anblick! Auch der DB11 mag ein wundervolles Auto sein, vielleicht eines der schönsten, die im letzten Jahrzehnt erschaffen wurden, er hier jedoch sieht aus wie der Refrain eines Gänsehautsongs. Alles Geschmackssache? Eben nicht! Marek Reichmann, Chefstylist der Briten, hat mir neulich lang und breit erklärt, dass das Geheimnis hinter dem Aston-Look gar kein Geheimnis ist, sondern pure Wissenschaft: Alle Ästhetik hänge am Goldenen Schnitt, also an der Verteilung von grob zwei Dritteln zu einem Drittel, die dem menschlichen Auge besonders schmeichle. Jeder Aston folgt diesem Gesetz der perfekten Proportionen im Großen wie im Kleinen und kann uns daher nur gefallen – egal ob uns das gefällt oder nicht.

Die Frage ist also weniger, wie sie das jedes Mal schaffen bei Aston Martin, sondern vielmehr: Warum schaffen es so viele andere nicht, wenn der Code der Schönheit doch schon entschlüsselt ist? Antwort: Weil die wahre Schönheit auch von innen kommt. Bedeutet im Umkehrschluss, dass wir auch deshalb vor dem Vanquish S dahinschmelzen, weil eben kein Dreizylinder-Diesel darin steckt – sondern so ziemlich genau das Gegenteil.

Während der DB11 auf Biturbo-Aufladung umsattelte beziehungsweise umsatteln musste, um zukunftssicher zu sein, braucht sich der Vanquish auf seine alten Tage nicht mehr neu auszurichten. Heißt: Vorn sitzt weiterhin ein 5,9-Liter-Saugmotor, dem man über eine optimierte Ansaugung nun noch mal 27 Extra-PS einhauchte – als Tropfen auf den heißen Stein oder Tüpfelchen auf dem i, ganz wie Sie mögen. Der Schub ist überaus imposant, keine Frage, vor allem so ab 4.000 Umdrehungen, wenn man den Eindruck hat, die Kolben würden sich für die zweite Hälfte des Drehzahlbands erst recht reinknien. Allerdings sind die Auswirkungen des Updates so marginal, dass man eigentlich immer einen normalen Vanquish auf der Nebenspur bräuchte – als Längsdynamik-Maßstab sozusagen.

Aston Martin V12 Vanquish S, Heckleuchte
Rossen Gargolov
Der Vanquish S treibt die Hinterräder an. Eine Achtgangautomatik überträgt die Leistung.

Aston Martin V12 Vanquish S mit brutalem Sound

Das Paradoxe: Dennoch würden nie Zweifel an der Überlegenheit des S-Modells aufkommen. Ich weiß nicht, wer bei Aston Martin jemanden kennt, der jemanden kennt, der diese Vierrohr-Abgasanlage TÜV-gesegnet hat – heiliger Bimbam! Das Tragische daran: Klang lässt sich nicht drucken. Und auch das mit dem In-Worte-Fassen ist hier recht kompliziert, einfach weil das „Bollern“, „Knurren“ und „Röhren“, das wir sonst so um Klangkulissen herumschreiben, die Realität nur verschleiern würde.

Das einzig halbwegs Vergleichbare, was mir einfällt, stammt aus der Fußballwelt. Kennen Sie dieses „You'll never walk alone“, das sich die Fan-Kurven im Stadion des FC Liverpool vor jedem Match entgegenschmettern? Falls nicht, lohnt es sich, zu googeln danach. Denn die Akustik des Aston Martin V12 Vanquish S ist so was wie das automobile Pendant dazu. Nicht nur wegen der abartigen Lautstärke, der Inbrunst und diesem versoffenen Unterton, sondern vor allem, weil alles so wunderbar nachhallt.

Aston Martin V12 Vanquish S, Endrohre
Rossen Gargolov
Vier Endrohre, was für ein Sound!

Ein Problem jedoch gibt es damit, oder sagen wir besser, eine Ungereimtheit: Nämlich dass der Soundtrack nicht vollends mit den Handling-Strängen korrespondiert. Auf Geraden stimmt noch alles. Diese rockt und rollt Seine dunkle Lordschaft gnadenlos nieder – 4,1 Sekunden auf 100, 12,9 auf 200, das ist schon großes Actionkino. In Kurven jedoch kann er den Takt, den er im Test vorgibt, nicht ganz halten – eine Bettszene intoniert als Horrorschocker, wenn man so will.

Gute Rundenzeit in Hockenheim

Eigentlich ist er perfekt gebaut: Dank Frontmittelmotor und Transaxle-Getriebe verteilen sich seine 1.788 Kilo im Verhältnis 51 zu 49 Prozent zwischen den Achsen, Schmiederäder und Keramikbremsscheiben halten die ungefederten Massen klein, während ein Torsen-Sperrdifferenzial die 630 Nm zwischen den Hinterrädern verspreizt. Doch trotz allem fehlt es schon beim Einlenken an der letzten Konsequenz. Das hat mit dem Selbstverständnis des Vanquish S zu tun, mit seiner Auslegung, aber auch mit technischen Möglichkeiten, die aufgrund seines reifen Alters einfach etwas limitierter sind.

Als Fahrer sportlicher Autos ist man es mittlerweile ja gewohnt, mitgerissen zu werden. Von motivierenden Fahrmodi, von stichelnden Lenkungen und vor allem davon, dass man ständig irgendwo mit Torque-Vektoren gepiesackt wird. Der Vanquish vermeidet sowohl als auch, was zur Folge hat, dass man entweder einen lockeren Umgang miteinander pflegt, sich dem Streckenverlauf eher entlangzwirbelt, statt sich einzufädeln in ihn. Oder man ergreift die Initiative eben selbst und lockt die Dynamik aus der Reserve. Ob er das mag? Nun ja, er lässt es sich gefallen, untersteuert hier ein bisschen und schunkelt dort etwas um seine Längsachse, drückt bei Bedarf aber schön aus dem Hintern mit. Sonderlich agil wirkt das zwar nicht, Behäbigkeit lässt sich der Aston Martin V12 Vanquish S im Test jedoch ebenso wenig nachsagen.

Im Gegenteil: Mit einer 1.12,4 heizt der Vanquish S nicht nur moderneren Kollegen wie dem M6 Competition ein, auch dem DB11 brummt er 1,2 Sekunden auf – was auch immer er damit bezwecken will.

Technische Daten
Aston Martin Vanquish S Coupé 6.0 V12
Grundpreis262.950 €
Außenmaße4730 x 1910 x 1295 mm
Kofferraumvolumen187 l
Hubraum / Motor5935 cm³ / 12-Zylinder
Leistung444 kW / 603 PS bei 7000 U/min
Höchstgeschwindigkeit325 km/h
0-100 km/h4,1 s
Verbrauch13,1 l/100 km