Als die Kupplung kommt, ein Drehzahltusch ins Auto schießt und man registriert, dass man, ja, Kruzifix, anstatt des fünften Gangs schon wieder den dritten erwischt hat, der obendrein auf dem Stammplatz des zweiten hockt – dann, ja dann weißt du: Der Vantage ist wieder wer. Wieder er! Genauer: Er ist zurück in der Rolle des charmanten Querkopfs, von der sie ihn eigentlich abgezogen hatten.
Sie, das sind die Ladys und Gentlemen Markenstrategen, die bei Aston Martin vor rund vier Jahren zum großen Imageputz geblasen haben. Von heute auf morgen wollte man damals raus aus der Beauty-Abteilung, wollte ran an die Konkurrenz und vor allem rein in die Jetztzeit. Entsprechend rigoros wurde ausgemistet: Runduhren, Glasschlüssel, Saugmotor – alles, was Kunst war, war auf einmal Krempel.
Die großen DB-Modelle verkrafteten das Theater noch ganz gut. Ihre Personality ist stark, die V12 sind trotz Turboaufladung immer noch charismatisch genug, um die Fahnen hochzuhalten. Der Vantage jedoch wurde von der Aufbruchstimmung mächtig durchgerüttelt – konzeptionell wie stilistisch. Seine Schönheit war plötzlich nicht mehr objektiv, sie lag im Auge des Betrachters, was fast ein Einzelschicksal in der über 100-jährigen Designgeschichte ist. Und als wäre der Look mit den schüchternen Äuglein und dem obszönen Hintern nicht schon Bürde genug, ereilten das Transaxle-Coupé auch noch ein AMG-Motor und die brunftigen Schlachtrufe seines (inzwischen abgesägten) CEO, die – bei allem Respekt – weder zum Stil der Marke passten noch zu seinen fahrdynamischen Möglichkeiten.
Man kann sich nur ausmalen, wie sich der arme Kerl bei seiner Präsentation gefühlt haben muss. Womöglich wäre er am liebsten wieder unter das Tuch gekrochen, das man ihm vor der hanebüchenen Jobanweisung vom Leibe riss. Inzwischen wissen wir jedoch, dass der Sportwagenwelt ohne ihn so einiges entgangen wäre. Weil? Weil sie bei Aston eben doch nicht aus ihrer Haut können; weil sie es geschafft haben, dass die schwäbischen Zutaten nicht nach Spätzle mit Soße schmecken und weil sie sich trotz des Modernisierungswahns nicht jedem Trend an den Hals werfen.
Hakelig, aber sensationell
Ein wunderbares Beispiel dieser – sagen wir – inneren Abwehrkraft donnert hier durch den Blätterwald. Es kostet rund 150.000 Euro, ist auf 200 Exemplare limitiert und hört auf einen, nun ja, unpassenden Beinamen. AMR steht für "Aston Martin Racing", was eigentlich impliziert, dass sich dieser Vantage in Rennrichtung orientiert, dass er ein Rasierapparat für Zehntelsekunden ist. Oder um im Duktus der reformierten Aston-Leitlinien zu bleiben: der schlimmste Albtraum des 911 GT3.
Die Realität sieht gottlob anders aus. Statt Streckenrekorden nachzueifern, ist er aufs Entertainment konzentriert, will den Fahrer begeistern, involvieren, wozu er sich extra eine Handschaltung angeeignet hat. Das Siebenganggetriebe stammt von Graziano, ist ab sofort auch im regulären Vantage zu haben und eine kleine Sensation. Nicht weil es so sauber geführt wäre oder perfekt einrasten würde, denn ehrlich gesagt tut es all das nicht. Sondern aufgrund der Tatsache, dass es existiert. Überlegen Sie mal, wie sich andere Hersteller um dieses Thema winden: Die Nachfrage sei so gering, mimimi, der Entwicklungsaufwand im Verhältnis zu hoch, mimimi. Aston jedoch, der mickrige Laden, kriegt es auf die Beine gestellt!
Und denken Sie bloß nicht, man hätte es bei einem lapidaren Getriebetausch bewenden lassen. Nein, der AMR zieht die Nummer mit dem Fahrerfokus durch. Der Bremskraftverstärker ist dezidiert auf die Anforderungen der Hacke-Spitzler ausgelegt, die E-Sperre flog zugunsten einer rein mechanischen, verlässlicher ansprechenden Lösung raus; die Hinterachse bekam straffere Stabis für mehr Mitspielfreude; sogar der Motor passt sich an: Um ein kraftschlüssiges Anfahren zu gewährleisten, wird in den ersten beiden Gängen das Drehmoment zurückgeschraubt – einen Tick zu weit für unseren Geschmack.
Sobald der Dritte drinsteckt, ist aber voller Ladedruck auf dem Vierliter-Kessel. Bis zu 625 Nm toben dann durch die Antriebskanäle und pauken die 1.649 Kilo entsprechend zornig voran. Die Ganganschlüsse passen ebenso hervorragend wie die Übersetzungen; Zwischengasstöße überblenden das Schleppmoment; beim Kuppeln drosselt der V8 selbsttätig die Last, sodass man beim Hochschalten voll auf dem Gas bleiben kann. Genial!
Nur das Schaltschema stiftet Chaos. Es folgt dem Dogleg-Prinzip, winkelt den ersten Gang also nach links unten ab, damit sich die restlichen sechs in gerader Linie gegenüberstehen. Klingt eingängig, kollidiert aber immer dann mit der Gewohnheit, wenn auf die Schnelle ein bestimmter Gang hermuss. Na wo isser, der Vierte? Na? Na? Genau, oben in der Mitte!
Auf der Landstraße ist das halb so wild, zumal sich der V8 ruckizucki wieder berappelt, falls der Schaltarm doch mal in der Spalte verrutscht. Der Hockenheimring jedoch wurde zur Denksportaufgabe. Das Handling als solches? Fabelhaft! Die Vorderachse treibt sich wie ein Keil in Ecken, die Hinterachse generiert Traktion, wenn sie soll, oder Quertrieb, wenn nicht. Der Schalthebel jedoch bog im Lauf der Runde eben immer irgendwo falsch ab. Wie gesagt: Kruzifix!
Dass das Gehakel mit den Ösen dennoch aufging, verdanken wir einem Stück Klebeband, das die Ganganzeige im Display unschädlich machte. Sie werden lachen, aber damit platzte der Knoten im Kopf, aus Fahren nach irreführenden Zahlen wurde ein Stellungsspiel mit der Intuition, bei dem am Ende sogar eine Bombenzeit raussprang – als Beweis dafür, dass der Weg zu zeitgemäßer Performance manchmal auch über Traditionen führen kann.
Fazit
Das Siebenganggetriebe ist beileibe kein Meisterwerk: Die Gassen sind verwinkelt, die Rastung ist borstig, das Schaltgefühl schnodderig. Aber: Es bringt dem Vantage seine Authentizität zurück. Schönfärberei? Im Gegenteil! Dank V8-Keule, sensibler Sperrmechanik und eines auf Agilität getrimmten Fahrwerks stellt der AMR sogar den Anschluss an die Konkurrenz her. Ein Novum in der Modellgeschichte!