Die Drehzahl pulsiert bei 4000 Umdrehungen, der feuchte Asphalt glänzt in den morgendlichen Sonnenstrahlen. Abschuss. Die vier Räder suchen nach Halt, als der brodelnde Fünfzylinder übernimmt und den Wagen in sagenhaften 3,7 Sekunden gen 100 km/h katapultiert. Nein, hier grüßt nicht die 86er-Monte, sondern Hockenheim 2022.
Es hilft ja nichts: Weder Launch-Control-Start noch Vergleichstest kommen beim RS 3 ohne Rallye-Kopfkino aus. Dabei teilt er mit seinen Vorfahren den rauchigen Antriebscharme und die Ernüchterung, dass er nicht immer mit seinem eigenen Ruf mithalten konnte. Der Quattro – ob lang oder kurz – kämpfte stets gegen seine frontlastige Gewichtsverteilung, die dem wilden Flügeltier E2 in Audis letzter vollständiger Saison 1985 nur noch einen Sieg bescherte.
Audi RS 3: Jetzt auch mit Drift Mode
Auch die beiden bisherigen RS-3 Generationen konnten sich nie ganz aus ihrer konzeptionellen Behäbigkeit befreien und vollstreckten am liebsten auf geradem Wege. Der Neue will davon nichts mehr wissen und schickt neben dem charakterprägenden Fünfzylinder mit 400 PS und nun 500 statt 480 Newtonmetern zum ersten Mal einen Allradantrieb mit variabler Kraftverteilung an der Hinterachse ins Rennen. Torque Splitter nennen sie das bei Audi und greifen damit auf ein System zurück, das auch der Konkurrent A 45 S nutzt.
Die Schwaben nennen es Torque Control und setzen ganz nebenbei auf den stärksten Serien-Vierzylinder der Welt mit 421 PS. In beiden Fällen gilt: Zwei Lamellenkupplungen an der Hinterachse verzweigen die Kraft auf die belastete Fahrzeugseite und sollen wie ein Defibrillator auf das Kurvenphlegma einer mit 939 kg belasteten Vorderachse wirken. Mit dickeren Stabis, neuen Schwenklagern und erhöhtem Negativsturz an der Vorderachse verspricht der RS 3 mehr Kurvengier und das überarbeitete Adaptivfahrwerk ein Ende der Hoppeligkeit des Vorgängers.
Querdynamisch verbessert – längsdynamisch top
Und tatsächlich begegnet der Audi dem Hockenheimring mit einem neuen Selbstbewusstsein. Auf der Bremse sitzt das Heck überraschend locker und kann beim Einlenken mit etwas Übung gegen engere Kurven ausgespielt werden. Der RS 3 lenkt williger ein, was nicht nur der Mischbereifung mit breiteren Gummis an der Vorderachse geschuldet ist – die hatten die Vorgänger auch. Die Lenkung bietet viel Präzision um die Mittellage, obwohl Feedback und Genauigkeit im weiteren Lenkwinkelverlauf etwas nachlassen.
Im Dynamic- oder Performance-Modus wird der neue Allrad sogar zum Motivationscoach. Das Motto: je früher auf dem Gas, desto besser. Dann verkleinert das mitlenkende Heck wirksam Kurvenradius wie Untersteuerneigung, um den 1597-Kilo-Klops frühestmöglich traktionsstark aus der Kurve zu katapultieren. Auch die Bremse zeigt eine lang vermisste Beharrlichkeit und wehrt sich trotz durchschnittlicher Standardbremswerte selbst ohne optionale Keramikscheiben zuverlässig gegen Fading.
Aus dieser neuen Abstimmungsnote entstehen plötzlich Festigkeit wie Festlichkeit im Handling. Etwas, das aus dem RS 3 endlich das Auto macht, das er mit seinem Kürzel schon immer sein sollte. Jedoch löst die neue Agilität erst mal nur seine eigenen Probleme, nicht die mit der Konkurrenz. Denn der Umstieg in den AMG offenbart, dass der Audi zwar am stärksten aller Hot Hatches dran, aber noch nicht vorbeigezogen ist. Bei Beschleunigung und Topspeed bis optional 280 (im Verbund mit der Keramikbremse 290) km/h spielt er den ultimativen Kompakt-Dragster.
Mercedes-AMG A 45 S: Bissigeres Handling
Der AMG dagegen steht in Kurven mehr unter Spannung und bewegt sich mit seiner feinsinnigen Lenkung noch stringenter über den Kurs. Auf der Bremse lässt er sich mit einem zackigen Lenkimpuls präzise anstellen. Die Vorderachse beißt trotz der noch kopflastigeren Gewichtsverteilung eine Nuance fester in den Scheitel, und der Allrad hebelt im selben Muster fleißig mit, verteilt die Kraft aber eine Stufe subtiler und feinfühliger. Das lässt den etwas wanstigen 1642-Kilo-A als äußerst kompakte, harmonische und präzise Einheit über die Strecke kurven.
Doch ein wirklicher Vorsprung stellt sich erst auf der Landstraße ein, denn hier bekommt der Audi seine Rallyechoreografie auf den nun montierten Winterreifen nicht mehr auf den Asphalt. Daran hat ausgerechnet der so herrlich prustende Fünfzylinder mindestens eine Teilschuld, und zwar wegen des Ansprechverhaltens. Unter 3000 Umdrehungen grantelt er noch brummelig im Morgenmantel daher; erst danach wacht er auf und zündet einen üppigen Flächenbrand bis sechsfünf. Aber selbst bei hohen Drehzahlen braucht der Audi Zeit, Ladedruck heranzuschaffen. Ein Turbocharakter Marke Oldschool eben, der durchaus als sympathisch wahrgenommen werden darf.
Motorenkunst
Nur wirkt der AMG M 139 einfach direkter und gieriger, da er das modernere und aufwendigere Aggregat ist. Der EA 855 evo des Audi setzt auf einen klassischen Monoscroll-Turbolader mit einem Strömungskanal und einer gleitgelagerten Welle, während der AMG-Motor einen Twinscroll-Lader mit einer reibungsärmeren Wälzlagerung nutzt. Der Ladedruck von 2,1 bar, eine kombinierte Saugrohr- und Direkteinspritzung und Schmiedekolben sorgen für extreme 211 PS pro Liter Hubraum.
Das elektronische Wastegate moduliert den Ladedruck und damit die Drehmomentkurve so progressiv, dass der M 139 erst bei 5000 Umdrehungen seinen Peak erreicht. Dementsprechend packt der AMG trotz des mächtigen Turboladers früh zu und windet sich mit ansteckender Drehfreude bis zum Begrenzer bei 7200 Umdrehungen aus jedem Vierzylinder-Vorurteil heraus.
Dabei faucht er deutlich lauter als der Audi in den Innenraum und klingt mit seinem aggressiv-brülligen Unterton für einen Vierzylinder durchaus emotional. Mit dem kurz übersetzten und sehr spontan auf Schaltbefehle reagierenden Doppelkupplungsgetriebe lässt der Mercedes dem RS 3 aus engen Kehren keine Chance, fordert zudem den Fahrer dank der kurzen Gänge an den metallisch-taktil klickenden Schaltwippen zu häufigen Eingriffen auf, für die er sich mit knallenden Auspuff-Sektkorken bedankt. Lenkung und Vorderachse vermitteln selbst auf schmierigen Straßen viel Gefühl, und der agile Allradantrieb lässt dich im Verbund mit dem gekonnt applizierten Sport-ESP auch im Rahmen der StVO wissen, dass er keine 08/15- Semipermanentlösung ist.
Der Audi verstärkt seine motorische Morgenmuffeligkeit durch seine längere Übersetzung und hängt in engen Kurven auch mal ein wenig in den Seilen. Gleiches gilt für das auf der Rennstrecke noch so schnell und präzise agierende Getriebe, das auf der Landstraße hier und da zögert und kleinere Ruckler zeigt. Das ESP greift auf der Überlandrunde mit Winterreifen entweder sehr rigoros oder im Sportmodus mal mehr, mal weniger ein und gibt dem neuen Allradsystem keine Möglichkeiten, sich auf der Landstraße dem Fahrer ganz ohne wilde Drifterei, sondern mit gezielter Kraftverteilung samt Hebelwirkung zu präsentieren.
Etwaige Gemütlichkeit
Eine neue Seite zeigt der Audi, sobald man ihn nicht mehr als RS, sondern als A3 nutzt. Im Comfort-Modus hat er erfreuliche Komfortreserven und wiegt grobe Unebenheiten recht umgänglich aus dem Asphalt. Bequeme Sitze, gut auflösende Displays, rote Akzente – im Audi lässt es sich aushalten. Zugunsten einer besseren Gewichtsverteilung sitzt die Batterie unter dem Kofferraumboden, was ein paar Liter kostet – geschenkt. Und die großen Sportsitze kosten kaum Beinfreiheit im Fond.
Durch die Menüs muss getoucht werden, und die Sprachbedienung hilft nur eingeschränkt; doch dafür ist das System recht verständlich und übersichtlich aufgebaut. Obwohl der Audi qualitativ solide wirkt, dürfte er angesichts eines Volle-Hütte-Preises von fast 80 000 Euro etwas weniger Hartplastik an der Mittelkonsole, Carbonimitat und empfindlichen Klavierlack tragen. Auch das Leder warf hier und da kleine Fältchen. Ebenfalls auffällig und nicht ungefährlich: die bei winterlichen Bedingungen nach nur wenigen Autobahnkilometern völlig verschmutzten und blind werdenden Außenspiegel.
Der Mercedes wirkt mit seinem belederten Armaturenträger, den Alu-Akzenten und Außenspiegeln mit Durchblick zwar eine Spur wertiger, kriegt aber das lodernde Feuer von Antrieb und Fahrwerk nie vollständig gelöscht. Das ganze Auto wirkt stets unter Spannung, federt straffer und läuft bei hohem Tempo nicht ganz so unverrückbar geradeaus wie der Audi. Die mindestens 3891 Euro teuren Sitze bieten mehr Seitenhalt, sind jedoch etwas spärlicher gepolstert. Mit zig Einstellmöglichkeiten sowie Heizung und Kühlung lassen sich die Fünf-Sterne- Schraubstöcke bestmöglich anpassen. Und die Bedienung? Erfolgt wahlweise mit guter Sprachsteuerung, Touchpad, Touchscreen oder den teils fummeligen Lenkradtasten.
RS wie AMG bieten, gemessen am Performance-Level, viel Alltagstauglichkeit, was jedoch nichts daran ändert, dass beide mit üppigem Ausstattungsnachschlag einem BMW M3 preislich dicht auf die Niere rücken. Testniederlage hin oder her: Der Audi steht zwischen all den uniformierten Vierzylindern des Segments weiterhin als großer Sympathieträger da. Umso schöner, dass er endlich Handlingcharakter zeigt, während der A 45 S das große Rallye-Kopfkino auch ohne glorreiche Historie anknipst.
Fazit
Platz eins mit bissigem Handling, mehr Feedback sowie dem feurigen Vierzylinder mit passendem Getriebe. Auch im Alltag gut dank toller Sitze und besserer Bedienung.
Platz zwei trotz immenser Spurtkraft und souligem Fünfzylinder. Die neu gewonnene (Heck-) Agilität begeistert, kommt aber auf der Straße weniger zum Vorschein als der gute Komfort.
Mercedes AMG A 45 S Kompaktlimousine 4Matic+ Mercedes-AMG S | Audi RS3 Sportback | |
Grundpreis | 64.825 € | 62.000 € |
Außenmaße | 4419 x 1796 x 1440 mm | 4389 x 1851 x 1436 mm |
Kofferraumvolumen | 370 bis 1210 l | 282 bis 1104 l |
Hubraum / Motor | 1991 cm³ / 4-Zylinder | 2480 cm³ / 5-Zylinder |
Leistung | 310 kW / 421 PS bei 6750 U/min | 294 kW / 400 PS bei 5600 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 270 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 4,1 s | 3,7 s |
Verbrauch | 8,3 l/100 km | 8,3 l/100 km |
Testverbrauch | 9,8 l/100 km | 10,2 l/100 km |