Audi RS 7, BMW M8 Gran Coupé, Mercedes-AMG GT 63 S im Test

Audi RS 7, BMW M8 & Mercedes-AMG GT im Test
Tolle Kraft voraus

Wer einmal vom süßen Gift monströser Leistung, V8-Wummersounds und sinnesstrubbelnder Handlings kostete, für den ist nichts mehr, wie es war. Willkommen im Club der 600-PS-plus-Limousinen, willkommen beim Vergleichstest!

Audi RS7 Sportback
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ein Parkplatz irgendwo an der K soundso zwischen hier und da gegen Abend um sieben. Kenner lieben diese Melange aus abnehmender Sonne und zunehmend besenreinen Nebenstraßen. Doch diesmal: eine knisternde Sportabgasanlage und ein ratloser Tester. Wie soll er das erklären? Was genau? Eine angeschrammelte Felge? Eine übersehene Radarfalle? Nichts davon. Viel schlimmer: Wie lässt man bloß drei Limousinen mit 600 PS plus elegant durch Testschema, Text und Straßenverkehr flutschen? Wie packt man die Superlative? Na, mit etwas Nachdenken, viel Testen – und Gelassenheit.

Unsere Highlights

Im Diesseits der Legalität über die Hausstrecke mit erzwungenem Begrenzerrattern, Auspuffknall und Reifenquietschen hilft jedenfalls nicht weiter. Klar, schließlich bringen Audi RS 7 Sportback, BMW M8 Gran Coupé und Mercedes- AMG GT 63 S Viertürer mit Dynamik und Perfektion selbst Denkfaule zur Philosophie. Zumindest in deren Speckgürtel. Ohne in "absolut" und "relativ" zu denken, geht bei diesen Autos nix. Nehmen wir nur den Sprint auf 100. 3,0 Sekunden für BMW und AMG. Ja, ein Taycan geht noch besser (in 2,8 s), der Audi-RS-7-Testwagen aber nur in 3,5 s. Nur ... Merken Sie was? Wir sind schon mitten im Strudel der Relativität.

Rückblende. Teststrecke Lahr. Als Erster auf der Piste: der RS 7 mit 600 PS, 800 Newtonmetern und traktionsstarkem Allradantrieb. Der 2.152-Kilo-Apparat stößt sich ab. Kaum Schlupf, Stakkato-Wummersound, flitzige Gangwechsel, Alarm im Vestibulartrakt des Piloten. Die Zahlen flitzen, der LED-Baum des digitalen Drehzahlmessers brennt lichterloh in Gelb und Rot. Wahnsinn. Irre. 280 km/h, Piste zu Ende, Klappe, fertig.

Audi RS7 Sportback
Hans-Dieter Seufert
Audi RS 7: Mildhybridisierter V8 ohne Verbrauchsvorteil. Weniger antrittsstark als die Konkurrenten aber zutraulich fahrbar, nie hinterhältig, enorm schnell, überraschend komfortabel und mit moderner Bedienung.

Und? Dreifünf auf 100. Toll, denkt der Fahrer, während die Härchen im Gleichgewichtsorgan schüchtern aus der Deckung kommen. Später zeigt sich: Der Audi ist eine halbe Sekunde hintendran. Böse Relativität. Absolut gesehen, erfüllt der RS 7 jeden Tempowunsch mit ausgesuchter Servilität, Traktion und Vehemenz, niemand würde ihm ein Phlegma unterstellen, so wie der Vierliter- Biturbo-V8 dreht und macht und tut, sogar als Mildhybrid kokettiert.

Philosophie und Party-Zone

Dennoch: Die beiden Mitbewerber sind schneller, härter, krasser. So wie der BMW M8 mit 4,4 Litern und der AMG mit seinem Vierliter loshämmern, das ist irre. Absolut und relativ. Selbst ausgebuffte Fahrensleute lassen den Satz "Ja, aber im Vergleich zum ..." in der Hosentasche.

Wo der Audi anscheinend immer ein klitzekleines Momentchen Luft holen muss, den Vollgasbefehl leicht verzögert zu den spürbar beschleunigenden Ladern und Kolben durchstellt, da ist bei den anderen Burschen bereits Party-Zone im V8. Subjektiv, objektiv, absolut und relativ. Bis 280 schenken sie sich gerade eine halbe Sekunde, dem Audi gleich mal zwei ein. Auch flink: die 10,4 respektive 10,5 s auf 200.

Und beim Bremsen? Da versuchen die Herzchen mit ihren mächtigen Keramikbremsen und breiten Reifen mit dem Gurt die Schlüsselbeine der Insassen zu knacken. Freuten sich Tester früher über Werte so um die Erdbeschleunigung herum, bist du als Auto heute mit 35 Metern aus 100 der Mops. Um 12 m/s² Verzögerung und 32, 33 Meter Weg musst du schon bringen. Nicht als runtergehungertes GT-Monster samt Klebereifen und FIA-Käfig, sondern als richtige Limousine.

Audi RS7 Sportback
Hans-Dieter Seufert
32,2 Meter Bremsweg aus 100 km/h ankert sich der BMW. Mit 33,0 rollt der AMG knapp vorbei, während sich der Audi 35,1 Meter gönnt. Absolut okay, relativ jedoch enttäuschend.

Bachelor im Reisefach sozusagen, mit Dreizonen-Luftfederung, Vierzonenklima und Vielkanal-Surround, ebenso perlig wie basskontrolliert, dabei räumlich wie ein in der Sommerbrise schwebendes Spitzenkleid. Limousinen, die ihren Fondgästen Getränke in den Cupholdern kühlen oder wärmen, sie ambientebeleuchtet in nappaledertapezierten, karbonvertäfelten Boudoirs auf sattelbraunen Häuten zu fernen Zielen tragen.

Puh, bisschen viel? Ja, musste aber mal gesagt werden. Auch das mit den Kofferräumen, bis auf den BMW inklusive großer Klappe und mehr als 1.300 Liter Volumen. Bei umgelegten Rücksitzlehnen nehmen die Dinger es lässig mit Fahrrädern und ähnlichem Expressgut auf, strebern mit umfangreicher Assistenz. Die reicht vom Head-up-Display über Nachtsicht, Spurhaltung und andere Eingriffe bis zum absolut überzeugenden, bei BMW und Audi sogar mit relativ noch hellerem Laser-Beamer strahlenden Matrix-LED.

Doch zurück auf die Teststrecke Lahr. Zur Kernkompetenz. Unserer und der drei Sportstypen. Fahrdynamik. Start im RS 7 mit der etwas hohen Sitzposition. Er bleibt gutmütig, die Lenkung sanft, stets deutlich filternd, passend dazu ein sanftes Schieben über die Vorderräder samt zarten Karosseriebewegungen. Das macht den Audi zum – absolut gesehen – pfeilschnellen Kuschelkissen. Selbst ohne elektronische Stabilitätskontrolle mit gesteigerter Lastwechselfreude, unter Last stabilisierend mit zart ausstellendem Heck, bei dem man das elektronisch gesteuerte Hinterachsdifferenzial zu spüren glaubt, ebenso wie Hinterachslenkung.

Hat der M8 auch, platziert seinen Piloten aber nicht nur wegen der tiefen Sitzposition deutlich näher am Geschehen. Er kultiviert selbst im 4x4-Modus die Tradition des Hinterradantriebs, ohne dass es dazu des Hinterachs-konzentrierten Drift-Modus bedürfte, wie ihn auch AMG bietet. Bevor der M8 untersteuert, zapfen sie auf dem Oktoberfest Flensburger (das machen sie tatsächlich: in Tokio – aber das ist wieder eine andere Geschichte). Im Slalom giert der M8 (rund drei Zentner leichter als die Konkurrenz) begeistert durch die Hütchen, informiert dabei unverzüglich über die akkurate Lenkung. Er zeigt weder spürbares Untersteuern noch Lastwechselreaktionen, dafür massig Grip und eine Neigung zum Übersteuern unter Last.

BMW M8
Hans-Dieter Seufert
Er kultiviert selbst im 4x4-Modus die Tradition des Hinterradantriebs, ohne dass es dazu des Hinterachs-konzentrierten Drift-Modus bedürfte

Im doppelten Spurwechsel spielt er seinen Vorderachsgrip aus, das Heck folgt. Mit ESP. Ohne rächt sich der hohe mechanische Grip in Form eines schmalen Grenzbereichs. Bevor Nasenbohrer den Zeigefinger wieder am Lenkrad haben, ist nach dem Dreher dichter Michelin-Pilot-Sport-4S-Nebel aufgezogen. Der M8 ist alte Schule – sehr lange gripstark und präzise, danach heikel.

Und der AMG? Sie haben schon zu den Messwerten gespickelt? Pfui! Also: im Slalom tendenziell übersteuernd, lastwechselfreudig, aber gut beherrschbar. Hier knapp Schnellster legt er beim doppelten Spurwechsel nach. Wo der BMW, wenn es scharf zugeht, zur Mäßigung mahnt, darf der AMG-Fahrer im relativ breiten Grenzbereich experimentieren. 5 km/h schneller als der M8 und über 8 schneller als der absolut schnell und einfach fahrbare RS 7.

Apropos: Wie schafft es Audi Sport bloß, trotz 22-Zöllern so einen Komfort hinzubekommen? Der RS 7 rollt feinfühlig ab, nimmt Unebenheiten sämig auf. Bei ihm fühlt sich "Dynamic" an wie beim M8 "Comfort". Kein M-Kompliment, auf Dauer stört die trockene Abstimmung des Gran Coupé, das Assoziationen zu Unibal-Fahrwerken weckt. (Klar, die sind härter – ist ja nur eine Assoziation.)

Wo steht der AMG? Sieht von außen etwas fladig aus, regt zu der Diskussion an, ob es sinnvoll ist, den Style des Transaxle-Zweitürers GT mit dem Unterzeug des E-Klasse-T-Modells zu mischen.

Mercedes-AMG GT 63S
Hans-Dieter Seufert
AMG: Wir schätzen ultraschnelle Kerle wie den GT – wie sein V8 losbolzt, Tempo macht, der Allrad gript, sich der Grenzbereich in Anmut offenbart, der Innenraum luxusprunkt.

Aber, lieber AMG-Chef Moers: Wir ziehen den Hut vor diesem GT. Irre schnell, einfach fahrbar, integriert er seinen Piloten perfekt in die fabelhaften Sportsitze unter dem Options-Karbondach samt alltagstauglichem Komfort, vertrauenswürdigem Allrad-Grip (315er-Reifen hinten) und einer Lenkung, die man erst gar nicht so richtig einschätzen kann, dann aber zu schätzen lernt. Weil sie alles kann, ohne sich aufzudrängen.

So: Um das und alles andere rauszufinden, traktierten wir für Sie die Teststrecken Lahr und Boxberg, verifizierten auf der Straße, tauschten Autos hin und her, diskutierten und philosophierten. Bis wir uns am Schluss ganz sicher waren, eine Erklärung für alles gefunden zu haben – Rollbraten-Brötchen mampfend vor unserem Stamm-Supermarkt, untermalt vom Knistern der Sportabgasanlagen.

Technische Daten
Mercedes AMG GT 63 S 4Matic+ SAudi RS 7 Sportback 4.0 TFSI Quattro BMW M8 Gran Coupé M8 Competition
Grundpreis167.017 €128.000 €167.400 €
Außenmaße5054 x 1953 x 1447 mm5009 x 1950 x 1424 mm5098 x 1943 x 1420 mm
Kofferraumvolumen455 bis 1324 l535 bis 1390 l460 l
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder3996 cm³ / 8-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung470 kW / 639 PS bei 5500 U/min441 kW / 600 PS bei 6000 U/min460 kW / 625 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h250 km/h250 km/h
0-100 km/h3,0 s3,5 s3,0 s
Verbrauch11,3 l/100 km11,1 l/100 km
Testverbrauch13,5 l/100 km13,1 l/100 km12,7 l/100 km