Man kann den Engländern ja viel vorwerfen: ihre Auffassung von Kulinarik zum Beispiel, diesen Spleen, auf der falschen Straßenseite Auto zu fahren, oder den gewaltigen Knick in der Optik, wenn es um die Retrospektive eines gewissen Tores in Wembley geht. Eines jedoch beweisen sie uns immer wieder aufs Neue: Sportsgeist.
Heute vorgetragen vom Continental GT V8, der bestimmt nicht gemacht ist für das, was ihm hier blüht. Ich meine: Schauen Sie ihn sich an. Er ist kein ordinäres Power-Coupé; keiner, den man anhand seiner Leistungszahl ermessen kann, sondern das Monument einer komplexen Markentradition, die ihn zur Herrenfahrerei ebenso verpflichtet wie zum Luxus und ihn damit sozusagen zwischen die Stühle stellt.
Okay, seit dem Generationswechsel, als er sich der klobigen Phaeton-Plattform entledigte, ist er die Klötze an den Beinen los. Dennoch ist die Aussicht auf fahrdynamische Heldentaten weiterhin gering. 2,2 Tonnen, 4,85 Meter Länge, knapp zwei in der Breite – das sind einfach Dimensionen, die sich nicht ungesühnt an der Physik vorbeischmuggeln lassen. Zumindest nicht, wenn man nebenbei auch noch den Wellnesstempel spielen muss.
Doch im Gegensatz zu anderen Herstellern, die – Nähkästchen auf – im Vorfeld solcher Tests erst mal Hochrechnungen anstellen, um bei Siegchancen kleiner gleich 99,1 Prozent gern mal einen Rückzieher zu machen, schickt Bentley den Conti ohne Rumgeeier ins Gefecht. Nicht weil sie masochistisch veranlagt wären, sondern aus der berechtigten Überzeugung heraus, trotz der negativen Vorzeichen ein famoses Auto präsentieren zu können – einen echten Märchenbuch-GT sogar.
Und so wird dann auch ein Schuh aus dieser Geschichte, die weniger von der Spannung lebt als vom Charisma der Darsteller. Beider Darsteller! Der BMW mag in der Aura seines Nebenmanns versinken, ist in seiner Welt aber ebenso perfekt in Szene gesetzt. Die fünfstellige Bezeichnung weist ihn als das aus, was man früher mal Performance-Modell nannte – also als Mittelweg, der sich im konkreten Fall zwischen den sanften Hügeln der Standard- 8er auf der einen Seite und dem spektakulären M8-Vulkan auf der anderen hindurchschlängelt. Und zwar per Ideallinie! Weil? Weil die feinherbe Ausrichtung optimal mit dem Wesen des 8ers korrespondiert. Weil sich das Vollformat-Coupé hier nicht mit aller Gewalt zum Sportwagen biegen muss, weil es andererseits aber auch nicht so schmusibusig rüberkommt wie so ein 840i.
Das Fahrwerk beherrscht den strengen Scheitel ebenso wie die Dauerwelle, im Handling mischen sich energische Reaktionen mit Eleganz, der 4,4-Liter-Biturbo drückt mächtig, steht trotz seines breiten 750-Nm-Bizeps aber nie als Kraftprotz da. Wenn man dem 850i etwas vorwerfen möchte, dann nur, dass er seine große Gestik kleinbürgerlich verkauft, vor allem im Interieur, das für das High End von BMW zu sachlich eingerichtet ist.
Der Bentley hingegen eröffnet dir bei jedem Einsteigen dein höchstpersönliches Grandhotel Excelsior. Es glitzert und funkelt, das Riffel-Alu auf der Mittelkonsole fühlt sich noch besser an, als es aussieht, der Navi-Screen revolvert bei Bedarf zugunsten eines pittoresken Uhren-Trios beiseite, während einem das Soundsystem einen Rockstar nach dem anderen auf den Beifahrersitz hockt – in Lebensgröße, samt Bass-Vibration im Sitzrücken.
Showmaster vs. Meistermacher
Alles nur Show? Logisch, bloß kommt es darauf schon auch an – im Coupé-Geschäft ganz allgemein und bei Bentley im Speziellen. Schließlich kommt das spezielle Flair eines Continental nicht mehr aus den Genen, denn die kommen mittlerweile aus Stuttgart-Zuffenhausen. Präziser: vom dort ansässigen Panamera, der definitiv ein hervorragender Porsche ist, aber damit erst mal ein höchst mittelmäßiger Bentley. Mit einem frischen Gewand und etwas Bling-Bling war die Geschlechtsumwandlung also nicht getan. Nein, man musste die Hardware erst für ihre neue Zielgruppe konditionieren, musste dem Feeling Würde verleihen und der Power Pathos.
Mission impossible? Schon, und doch haben sie es irgendwie geschafft, das Modulbau-Gesteck so aufzutoupieren, dass es einem nicht angeheiratet, sondern in der Tat hochwohlgeboren vorkommt. Die zentrale Figur dabei: der Motor – der vier Liter große Tausendsassa, der für Lamborghini die Bestie rauskehrt, im A8 Mäuschen spielt und nun in seine Paraderolle schlüpft. Mit den 550 PS, die er für den Job im Continental verordnet bekam, mag er innerhalb seines Spektrums Durchschnitt sein, dennoch sticht er praktisch mit dem ersten Gasstoß aus der Patchwork-Mischpoke heraus – in Gestalt des graziösen Antreibers, der stufenlos zwischen gnädigem Fräulein und eiserner Lady changiert.
Seine beiden Lader sprechen eilig, aber nie überhastet an, die Kraft fließt wie gewohnt in Strömen, hat aber mehr Tiefe, mehr Volumen und dazu diese nautische Auspuff-Note, die sich je nach Last mal mehr, mal weniger um das dumpfe Wummern webt. Endeffekt: Trotz Technik-Uniform hat der Continental immer noch das Ballkleid an, wirkt exklusiver, als er de facto ist, noch immer superglamourös und im Vordergrund der Hockenheimer Boxengasse daher so ein bisschen wie Princess Kate auf Stippvisite im Pilseck Wanne-Eickel-Ost.
Anders der BMW, der mit Kohlefasereinlagen am Äußeren und im Inneren seiner Karosserie zumindest eine gewisse Nähe zum Rennsport suggeriert. Entsprechend souverän spult er sein Pensum ab, beschleunigt insgesamt etwas banaler als der theatralisch aufbrausende Bentley, dank Launch Control und einem Gewichtsvorteil von stolzen 250 Kilo aber ja sicherlich auch effektiver.
Denkste! Irgendwie scheinen die Porsche-Ingredienzen nämlich doch auf den Continental abzufärben, ungeahnte Kräfte zu heben und freizusetzen, sodass er dem M850i beim Sprint auf 100 km/h um immerhin zwei Zehntelsekunden entwischt. Ein kleiner Erfolg, ja, aber einer mit Symbolcharakter. Denn selbst der Grand-Prix-Kurs, der ihm früher so arg zusetzte, fühlt sich mit dem neuen Conti auf einmal viel geschmeidiger und längst nicht mehr so sumpfig an.
Sportsgeist vs. Sportlichkeit
Nanu? Haben Seine Majestät etwa die Absicht, aus dem ihr gebührenden Rahmen auszubrechen? Steckt hinter dem Sportsgeist am Ende sogar Sportlichkeit? Antwort: je nach Blickwinkel. In Bentley-Maßstäben ist der V8-GT nicht weniger als eine Sensation. Gegenüber dem Vorgänger sowieso, aber auch im Vergleich zum 15.000 Euro teureren, 85 PS stärkeren W12. Der Unterschied: die geringere Vorderachslast, die wie eine Bruststraffung aufs Fahrverhalten wirkt.
Natürlich umgibt seinen Bewegungsapparat nach wie vor eine gewisse Schwülstigkeit, nur ufert die nun nicht mehr aus. Statt die viele Masse nur herumzuschubsen, wird diese von der Wankstabilisierung weitestgehend abgefangen und mithilfe der heckbetonten Allradverteilung erstaunlich schwungvoll durch Kurven gepresst. Nur beim Bremsen, da rutscht der Wanst weiterhin über den Hosenbund, was letztlich aber nichts daran ändert, dass sich insgesamt bedeutend mehr Dynamik entfesseln lässt, als jemals von ihm erwartet werden wird.
Gleiches gilt für den BMW. Auch er wird im wahren Leben eher gekieste Auffahrten emporknirschen als sich der Frage gegenübersehen, ob der schnelle Rechtsknick voll geht. Angesichts des höheren Performance-Niveaus ist der Zusammenhang zwischen Anschein und Wirklichkeit bei ihm aber sogar noch grotesker. Er fährt direkter, fühlt sich kompakter an und entwickelt mehr Drive im Kurvenverlauf.
Hauptverantwortlich dafür: das variable Allradsystem, das die Kraft über ein Hinterachsdifferenzial zum Stellhebel umlenkt. Klingt kompliziert? Funktioniert aber völlig schnörkellos. Erstens einlenken, zweitens stramm ans Gas. Drittens: spüren, wie sich der M850i selbst in den Hintern tritt, wie er im Winkel schwimmt und danach von allein wieder gerade zieht. Ach so, und vergessen Sie Viertens nicht: das Genießen, auf das die Sportlichkeit der beiden Charmebolzen nämlich ganz dezidiert ausgerichtet ist.
Fazit
Auf die Zahlen reduziert, ist dieser Vergleich so klar wie Kloßbrühe – oder wie Gin and Tonic, ganz wie Sie mögen. Entscheidend ist aber vielmehr das, was zwischen den Zeilen der Wertungskästchen steht. Zum Beispiel, dass Bentley mit dem V8-Conti einen riesigen Performance-Sprung hinlegt, dass sich die Bentley-Boys ihres sportlichen Erbes nun nicht mehr schämen müssen, der lordschaftliche Proporz der Klientel aber weiterhin voll auf seine (extrem hohen) Kosten kommt. Beim BMW versteckt sich die Botschaft in der Relation zum M8, dem er stellenweise ziemlich nahekommt. Sein Handling ist sogar fluffiger, pointierter, dazu passt er mit seiner lässigeren Abstimmung viel besser ins Coupé-Bild als der Grobian-Turismo, dem er untersteht.
Bentley Continental GT Coupé 4.0 V8 4WD | BMW M850i Coupé xDrive | |
Grundpreis | 190.588 € | 128.100 € |
Außenmaße | 4850 x 1966 x 1405 mm | 4851 x 1902 x 1346 mm |
Kofferraumvolumen | 358 l | 420 l |
Hubraum / Motor | 3996 cm³ / 8-Zylinder | 4395 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 405 kW / 550 PS bei 6000 U/min | 390 kW / 530 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 318 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 3,8 s | 4,0 s |
Verbrauch | 11,2 l/100 km | 9,9 l/100 km |