Ein ausgewachsenes Auto hat vier Zylinder. Das ist eine jener Auto-Binsenweisheiten, die zu Zeiten von Downsizing und Hybridisierung rasant an Gültigkeit verlieren. Inzwischen gibt es sogar Oberklasse-SUV mit Mildhybrid-Dreizylindern, warum also nicht in der Kompaktklasse?
In der Basis bieten BMW 1er, Seat Leon und VW Golf jeweils Dreizylinder-Benziner, aber mit kleinen Unterschieden. Der VW-Konzern vertraut auf ein Einliter-Triebwerk, das bei den Testwagen mit 110 PS auf diesen Seiten von Riemenstartergeneratoren samt 48-Volt-Bordnetz unterstützt wird. Prinzipiell sind beide Modelle auch ohne E-Unterstützung und mit 90 PS zu haben, doch zumindest der Golf mit diesem Antrieb ist zurzeit nicht verfügbar – wegen Chipmangel, heißt es.
Der BMW-Triple im 116i ist mit 1,5 Litern Hubraum etwas großzügiger dimensioniert und bringt es auf 109 PS. Bei 26.850 Euro startet das Einstiegsmodell der Marke – inklusive 16-Zoll-Stahlrädern und Halogenlicht –, doch als M Sport wie im Test kostet der BMW schon mindestens 32.750 Euro. Dazu käme noch das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe für 2.100 Euro extra.
BMW: Freude am Sparen
Mit allen Sonderausstattungen stellt der Testwagen sogar einen Wert von rund 55.000 Euro dar, doch zur Fahrfreude am 116i sind längst nicht alle teuren Optionen sinnvoll oder gar erforderlich. So erscheinen die 18-
Zoll-Alus mit Michelin Pilot Sport 4 (2.460 Euro) für ein sparsam motorisiertes Basismodell durchaus verzichtbar, obwohl sich die Investition zumindest mit sehr guten Bremswerten bezahlt macht: Mit 34,6 Metern von 100 auf 0 km/h schneidet der kleine BMW hier sehr gut ab, wenngleich die Konkurrenz auf ähnlich hohem Niveau bremst.
Dagegen kann der Dreizylinder sein Hubraumplus von 500 cm³ nicht so richtig ausspielen. Er agiert vergleichsweise zögerlich, beschleunigt deutlich verhaltener und hängt weniger aufmerksam am Gas als die Einlitermotoren in Golf und Leon mit ihrer Mildhybrid-Unterstützung. Der Verzicht auf diese Technik wirkt sich auch auf den Benzinverbrauch aus, denn im allen Lebenslagen konsumiert der 116i im Durchschnitt rund einen Liter mehr als die Rivalen. Dass der BMW-Dreizylinder außerdem rauer und lauter arbeitet als die Einliter-Turbos aus dem VW-Konzern, verstärkt das Gefühl, womöglich am falschen Ende gespart zu haben.
Statt wie früher die motorische Brillanz scheint BMW seit geraumer Zeit eher die Bedienung zur markentypischen Tugend zu befördern, und da kann sich auch der 1er gut in Szene setzen. So wirkt die Steuerung der vielen Funktionen per iDrive-Dreh-Drück-Steller hier erneut ausgereift, ausgeklügelt und sinnvoll unterteilt.
Derart intuitiv und einfach funktioniert das bei Leon und Golf jedenfalls nicht, doch auch für den aktuellen 1er gilt: Die Redundanz in der Bedienung mit iDrive-Regler, Touchscreen und Gestensteuerung (300 Euro) scheint eher verwirrend als hilfreich – was ebenso fürs Design der Instrumente gilt.
Ein großzügiges Raumangebot zählt ohnehin nicht zu den Top-Talenten des 1er, vor allem hinten sitzt man schon sehr beengt. Sein Ladevolumen zeigt sich dagegen in klassenüblichem Format. Zumindest dort scheint sich der Wechsel auf die Frontantriebs-Plattform gelohnt zu haben.
Seat: Freude am Fahren
Deutlich bessere Platzverhältnisse findet man dagegen im Seat vor. Sogar der Golf hat da nicht mehr zu bieten, allenfalls im Skoda Octavia geht es ähnlich luftig zu. So taugt der Leon fast ohne Einschränkungen als Langstrecken-Viersitzer für Erwachsene, zumal auch der Kofferraum mit 380 Litern ausreichend groß ausfällt.
Dass der Seat ein so angenehmer Weggefährte ist, liegt vor allem am komfortbetonten Fahrwerk. Trotz der 18-Zöller (710 Euro) bewältigt er Unebenheiten beinahe so elegant wie der in dieser Beziehung mustergültige Golf und bleibt selbst bei kurzen, harten Autobahn-Querfugen recht gelassen. Das erscheint umso bemerkenswerter, da beide Konzernautos in diesen Versionen die einfachere Verbundlenker-Hinterachse haben.
Allerdings gilt das Lob nicht für die Bedienung. Der Leon kommt mit der neuesten Generation des MIB-Systems, das auch im Golf im Einsatz ist – mit einigen Abweichungen, die jedoch den Umgang nicht immer erleichtern. Dazu zählen etwa die verspielten Icons auf dem Touchscreen, bei denen nicht unbedingt auf Anhieb erkennbar ist, was sich dahinter verbirgt. Gelungener als im VW wirkt dagegen die Lenkradbedienung mit den beiden Drehwalzen rechts und links zum Einstellen der Radiolautstärke und zum Menü-Blättern.
Weniger bedeutsam sind die Unterschiede der Plattformbrüder im Motorenkapitel, was ja nun keine Überraschung ist. Im Seat verbraucht der Dreizylinder etwas mehr Superbenzin als im VW, was jedoch im Rahmen der Messtoleranz liegt. Auch das Gewicht mag dabei eine geringe Rolle spielen, denn der Leon-Testwagen ist mit 1.344 kg etwas schwerer als der Golf (1.316 kg).
Schließlich misst er in Länge, Breite und Radstand jeweils ein paar Millimeter mehr, und größere Abmessungen bedeuten in der Regel eben auch Gewicht. Noch schwerer zeigt sich in diesem Vergleich freilich der BMW, der immerhin 1.399 kg auf die Waage bringt.
Am Antrieb des Leon 1.0 eTSi gibt es ansonsten wenig auszusetzen, er läuft geschmeidig, hält sich akustisch und vibrationsmäßig zurück und verbraucht im Testdurchschnitt 6,9 Liter Super. Es geht sogar noch sparsamer, denn mit etwas Zurückhaltung und vorausschauender Fahrweise gelingt es mühelos, den Verbrauch dauerhaft unter die Sechs-Liter-Marke zu drücken.
VW: Freude am Wahren
Das gilt so uneingeschränkt auch für den VW Golf, der sich im Test mit 0,2 Litern weniger Benzin bescheidet. Im Alltag hingegen muss man schon sehr genau hinschauen, um zwischen Leon und Golf Verbrauchsunterschiede auszumachen. Für beide Konzernbrüder gilt: Der Dreizylinder mit 110 PS präsentiert sich hier als gleichermaßen harmonische und sparsame Antriebsquelle, die zusammen mit dem aufmerksam agierenden Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe selten den Wunsch nach mehr Motor aufkommen lässt. Schnelle Autobahnfahrten zum Beispiel zählen zu den seltenen Gelegenheiten, bei denen man sich mehr Druck aus dem Maschinenraum wünschte.
Als störender erweist sich auch an diesem Golf die Bedienung. Selbst nach wiederholter Auseinandersetzung mit dem neuen System sorgt der Umgang mit dem unsensiblen und nebenbei unbeleuchteten virtuellen Schieberegler im Mittendisplay, der zu kleinteiligen Lenkradbedienung, der seltsamen Bedieninsel für Lichtfunktionen oder den verschachtelten und nicht immer sehr logischen Menüs an Touchscreen und Lenkrad eher für Verdruss. Immerhin waren bei dem limonengelben Testwagen keine Software-Ausfälle zu verzeichnen.
Was womöglich wichtiger wird: Die Mensch-Maschine-Schnittstelle kostet den Golf Relevanz – der Golf, das Auto für alle, vom Fahrschüler bis zum Rentnerpaar, das gilt nicht mehr so uneingeschränkt. Ältere und weniger digitalaffine Nutzer fühlen sich womöglich nicht mehr so willkommen im aktuellen Volkswagen. Dazu tragen im Übrigen auch scheinbare Kleinigkeiten bei wie die nicht mehr so einfach verfügbaren Preislisten im Internet oder beim Händler.
Falls Sie sich nun fragen, wieso der Golf diesen Vergleichstest dennoch gewinnt: weil er schlicht und ergreifend brillant fährt. Handling, Fahrkomfort und Antriebseigenschaften erscheinen als harmonisches Ganzes und ergeben den Fahreindruck eines ausgereiften, penibel abgestimmten Autos, für das man durchaus ein paar Euro mehr ausgibt.
Kaum ein anderes Modell in der Kompaktklasse federt so entspannt und harmonisch, verfügt über eine so ausgewogen applizierte, weil gleichermaßen präzise und entspannte Lenkung sowie einen Antrieb, der im selben Maße gute Fahrleistungen mit hohem Sparpotenzial verbindet. Und damit haben wir das passende Raumangebot für Insassen und Gepäck noch gar nicht erwähnt. Doch das ist ja auch bei den Gölfen mit vier Zylindern nicht anders.
Fazit
Mit seinem ausgewogenen Fahrwerk und dem geschmeidigen Antrieb liegt der Golf diesmal vorn – trotz der Unzulänglichkeiten bei der Bedienung.
Obwohl der Leon etwas preiswerter und geräumiger ist als der Golf, wird er diesmal zweiter Sieger – unter anderem, weil er nicht ganz so gut bremst.
Gegen das Duo aus dem VW-Konzern kann der 116i wenig ausrichten. Er bietet weniger Platz, verbraucht mehr Treibstoff und ist zudem spürbar teurer.
BMW 116i M Sport | Seat Leon 1.0 eTSI FR | VW Golf 1.0 eTSI Life | |
Grundpreis | 38.800 € | 32.530 € | 32.225 € |
Außenmaße | 4319 x 1799 x 1434 mm | 4368 x 1800 x 1442 mm | 4284 x 1789 x 1491 mm |
Kofferraumvolumen | 380 bis 1200 l | 380 bis 1301 l | 381 bis 1237 l |
Hubraum / Motor | 1499 cm³ / 3-Zylinder | 999 cm³ / 3-Zylinder | 999 cm³ / 3-Zylinder |
Leistung | 80 kW / 109 PS bei 4300 U/min | 81 kW / 110 PS bei 5500 U/min | 81 kW / 110 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 192 km/h | 202 km/h |
0-100 km/h | 11,5 s | 11,1 s | 11,1 s |
Verbrauch | 4,4 l/100 km | ||
Testverbrauch | 7,9 l/100 km | 6,9 l/100 km | 6,7 l/100 km |