Stellen Sie sich ein Modell vor, in dem Sie auf kompakten Außenmaßen das Sitzmobiliar bedarfsgerecht einrichten können. In dem es einen großen und einfach zu beladenden Kofferraum gibt, zudem viele Ablagen. Das dennoch nicht wie ein Nutzfahrzeug, sondern wie ein Pkw fährt. Mit dem Sie also komfortabel verreisen können. Klingt nach einem Bestseller und ist doch (mittlerweile) eher ein Ladenhüter.
Nach Cabrios und Coupés sind die Vans das nächste Opfer eines nicht zu erklärenden Desinteresses. Und es klingt geradezu euphemistisch, wenn wir an dieser Stelle schreiben, was wir sonst gerne bei Spaßautos formulieren: Greifen Sie zu, solange es die Vans noch gibt – es sind die besten Familienfahrzeuge, die man sich vorstellen kann.
Noch sind VW Touran und BMW Active Tourer erhältlich. Letzterer wurde mit dem Wegfall des Gran Tourer zum Einzelkämpfer der Marke degradiert. Demgegenüber wuchs die SUV-Familie auf acht (!) Modelle – Elektromobile nicht eingerechnet. Vans sind mittlerweile einfach ganz schön exklusiv.
VW Touran basiert auf Golf VII
Besonders viel Aufmerksamkeit widmet VW dem Touran der zweiten Generation nicht; immerhin erhielt er Anfang des Jahres ein paar Assistenzsysteme zusätzlich: Auf Wunsch überwacht er nun das Spurhalten und -wechseln, aktiviert bei einem drohenden Heckaufprall den Insassenschutz, hält im Stop-and-go-Verkehr via Abstandstempomat selbstständig die Spur. Und er würde dank Update beinahe im entsprechenden Kapitel mit dem Konkurrenten gleichziehen, wenn er ähnlich vehement bremsen würde.
Dass ein Update allerdings nicht immer zu Vorteilen im Vergleichstest führt, zeigt der BMW 2er Active Tourer. Zwar blieben zum Modellwechsel einige wesentliche Aktiva wie der Automatikwählhebel und das Drehrad fürs Fahrlicht erhalten; doch das Infotainment bettelt nun über einen größeren Bildschirm um Aufmerksamkeit – natürlich ohne die bisherigen Taster und Knöpfe. Die fielen auch bei der Bedieninsel der Klimaanlage weg; jene lässt sich wenigstens noch extern justieren.
Schildbürgerstreich
Im BMW 2er Active Tourer befindet sich nur die Regelung der Temperatur im direkten Zugriff; beim Rest führt der Weg in die Menü-Hierarchie. Alternativ kann die gute Sprachassistenz bei vielen Anwendungen unterstützen, was Bildschirmschmieren verhindert. Anders als im VW versteht das System frei dahingeredete Kommandos. Dennoch ist es ein Schildbürgerstreich, dass BMW als Bahnbrecher des Dreh-Drück-Stellers diese geniale Befehlseingabe weggespart hat. Seit ein lautstarker US-Promoter den Billigartikel Touchdisplay zum alternativen Must-have umdeklariert hat, freuen sich alle Renditeberechtigten.
Zur Kernkompetenz des Touran zählt in diesem Vergleichstest das Raumkonzept, das das Leben von Familien mit seiner maximalen Flexibilität erleichtert. Gegen Aufpreis gibt es zwei versenkbare Zusatzplätze in der dritten Reihe. Die drei Einzelsitze in Reihe zwei können separat in der Länge verschoben, ihre Lehnen in der Neigung justiert und einzeln in den Fahrzeugboden versenkt werden, ohne dass das zu Lasten des Transportvolumens ginge. Stichwort serienmäßig variabler Kofferraumboden: Er ermöglicht eine ebene Ladefläche, sofern er in der oberen Position arretiert wird.
Für noch mehr Stauraum ist die Lehne des Beifahrersitzes serienmäßig umklappbar; es sei denn, man entscheidet sich für den ergoActive-Sitz, dann geht das nicht. Und, ja, das reicht weit über das Repertoire von kompakten SUV hinaus. Selbst deren erhöhtes Ein- und Aussteigen bietet der Touran, weshalb es umso mehr erstaunt, dass er so wenig Zuspruch findet. Zumal sein hinteres Karosserie-Ende dank der steilen Heckpartie gut einsehbar ist.
Gute Rundumsicht? Dritte Sitzreihe? Da muss der BMW passen. In seiner Neuauflage lässt sich nicht einmal mehr die Lehne des Beifahrersitzes umklappen. Beim minimalen Kofferraumvolumen fehlen ihm fast 300 Liter zum VW, beim maximalen sind es sogar über 450. Klarer Fall also, wer das Rennen im Karosserie-Kapitel macht.
Rennen? Nur sinnbildlich, denn in dieser Klasse geht es weniger um Fahrdynamik als vielmehr um Reisekomfort. Und davon liefert der Touran reichlich, sofern man sich für die adaptiven Stoßdämpfer (1.045 Euro) entscheidet. Nur damit filtert er Zumutungen aus Unebenheiten aller Art und bleibt dennoch in Kurven ganz bei sich. Natürlich wirkt er nicht so quirlig wie der kleinere und leichtere Active Tourer. Doch jener erkauft seine Agilität teilweise über ein recht hohes Mitteilungsbedürfnis des optionalen M-Fahrwerks – statt Bodenwellen auszufedern, gibt es die Anregungen ans Chassis weiter. Rückmeldung wäre stattdessen vielmehr in der Lenkung willkommen; diese stellt allerdings eher Störgrößen als Gripinformationen durch.
Aufgeweckt im positiven Sinne zeigt sich der 1,5-Liter-Dreizylinder. Damit spurtet der 218i schneller auf Tempo 100 und erledigt Überholvorgänge zügiger. Dennoch kommt der Active Tourer im Antriebskapitel über Gleichstand nicht hinaus; die Schuld daran trägt sein Doppelkupplungsgetriebe. Zunächst schleift es lange, um dann abrupt den Kraftschluss herzustellen, was vor allem das Einparken am Berg erschwert.
BMW wiegt 83 Kilogramm weniger
Die 14 PS Minderleistung merkt man dem BMW nicht negativ an. Klar, er muss 83 Kilogramm weniger schleppen als der Touran mit seinem 1,5-Liter-Vierzylinder, was sich im niedrigeren Verbrauch widerspiegeln sollte. Doch der VW ist im Testdurchschnitt einen Zehntelliter auf 100 Kilometer sparsamer. So viel zur ersten Eigenart.
Folgt die zweite: Bei unseren Ausrollversuchen aus Tempo 130 schneidet der Touran erstaunlich schlecht ab, fällt durch hohe Fahrwiderstände auf. Das hat einen deutlichen Punktabzug unter "Leistungsaufwand bei 130 km/h" zur Folge und sollte sich entsprechend negativ auf die Verbrauchswerte des VW auswirken. Dem ist aber nicht so, wofür es nur eine Erklärung gibt: Der mit Zylinderabschaltung höchst effizient laufende 1,5-Liter gleicht den Malus aus. Dennoch ist das Umweltkapitel futsch.
Gleiches gilt, wenn auch knapp, für die Kostenwertung: Der mit M-Sportpaket ausgerüstete BMW-Testwagen ist zwar ähnlich teuer wie der VW, jedoch besser ausgestattet. Und es gibt für ihn mehr Optionen.
Dennoch ändert das nichts daran, dass der Touran nach Punkten der bessere Van ist. Redaktionsintern kursiert sogar die Meinung, dass er in Alltagshinsicht derzeit der empfehlenswerteste VW überhaupt sei. Ein Modell, das auf der Streichliste steht, in das kaum noch investiert wird, das für die Konzernstrategen die alte Welt versinnbildlicht – was das im Umkehrschluss für die aktuelle Ausrichtung der Marke heißt, kann sich jeder selbst denken.
BMW 218i Active Tourer | VW Touran 1.5 TSI ACT Highline | |
Grundpreis | 37.900 € | 47.235 € |
Außenmaße | 4386 x 1824 x 1576 mm | 4527 x 1829 x 1673 mm |
Kofferraumvolumen | 470 bis 1455 l | 834 bis 1980 l |
Hubraum / Motor | 1499 cm³ / 3-Zylinder | 1498 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 100 kW / 136 PS bei 4400 U/min | 110 kW / 150 PS bei 5000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 214 km/h | 209 km/h |
0-100 km/h | 8,7 s | 10,1 s |
Verbrauch | 6,5 l/100 km | |
Testverbrauch | 8,0 l/100 km | 7,9 l/100 km |