Man lernt nie richtig viel dazu, hört man sich nur selbst zu. Daher lauschen wir nun einer Weisheit von – herrje, stammt sie von Søren Kierkegaard oder Udo Jürgens? Nun, die bedeutsamsten Erkenntnisse fürs Leben füllen selten Wälzer, sie passen in eine Liedstrophe. Wie die, wonach man das Leben womöglich im Rückblick ergründen, aber nur nach vorne gewandt leben könne. Und wie könnten wir Freunde der Kraftfahrt die Verheißungen des Lebens, die vor uns liegen, besser im Sturm erobern als in einem Cabrio?
Wobei sie sich bei Mercedes seit eineinhalb Jahrzehnten mit dem Sturm angelegt haben, um ihm seinen Drang zu nehmen. So zwirbelten die Techniker dem A 207, Vorvorgänger des neuen CLE , als erstem Cabrio den/die/das Aircap auf den Frontscheibenrahmen – einen ausfahrbaren Windabweiser. Dessen Beitrag zur betörenden Wirkung der Gesamterscheinung des neuen CLE Cabrios – es ersetzt das bisherige C- wie das E-Klasse-Cabrio – mag man eher geringfügig einschätzen, nicht aber seine Wirkung auf die Bändigung des Sturms. Der ebbt auf eine struwwelige Brise ab, recken sich der Windleitflügel und simultan dazu das Windschott hinter den Rücksitzen empor.
Das doppelte Schottchen
Warum wir bei einem neuen Auto um eine bekannte, wenngleich nun serienmäßig eingebaute Detaillösung gleich zu Anfang so viel Wind machen? Nun, weil es – noch so eine fremde Weisheit – am Ende immer ums Anfangen geht. Daher dürfen wir hier schon vorgreifend anbringen, dass der Windabweiser mitentscheidend sein wird im Vergleich des Mercedes CLE 300 Cabrios mit dem BMW 430i.
Den hat BMW zum Frühjahr milde aufgefrischt: neue Polster, Lenkräder, Farben, Leuchtengrafik, so was eben. So nähern wir uns nach Erwähnung der nun serienmäßigen Schaltwippen und der auf den Touchscreen verlagerten Klimaregelung schon dem Highlight, der – Trommelwirbel, Konfettiregen – gebogenen Digitalinstrument-Tastbildschirmerei auf Systemstatus 8.5. Sagt, Freunde, ist es ein Zeichen vorrückenden Alters, wenn wir auch angesichts des unverändert banalen Instrumentengeflimmers die Zeiten romantisieren, als es nicht eine neue Software, sondern, sagen wir, eine neue Hinterachse, Lenkung, unseretwegen auch nur Dämpferabstimmung zu vermelden und zu testen gab? An Idee und Positionierung des BMW hat sich eh nichts geändert. Auf Dynamik getakelt, ist er als Cabrio eben die, tja, Cabrio-Version des 4er Coupés. Was wieder banaler klingt, als es schließlich sein wird.
CLE statt C und E
Der CLE sortiert sich dagegen – anders als der CLK und W 207 von 1996 bis 2017 – nicht zwischen C und E, sondern auf dem Format des bisherigen E-Klasse-Cabrios ein – in Preis- wie Raumfülle. Er bekommt so ziemlich alles an Technik-, Sicherheits-, Licht- und Assistenzausrüstung sowie -optionen mit, was es in der E Limousine gibt, abgesehen von Luftfederung und Hinterachslenkung. Stattdessen gibt es optional Adaptivdämpfer, mit denen auch der Testwagen flauscht.
Immer dabei sind nun neben dem/der Aircap auch das mummelig gedämmte Akustikverdeck und der Nackenföhn namens Airscarf. Noch was? Ja, der Verdeckkasten klappt auf Knopfdruck elektrisch im Kofferraum herunter, der Hochkant-Touchscreen ändert seine Neigung zur besseren Ablesbarkeit bei Sonneneinstrahlung um bis zu 15 Winkelgrad. Und um bis zu zwölf Grad Celsius soll eine Beschichtung der Ledersitze das Aufheizen der Polster mindern, indem sie Nah-Infrarotwellen der Sonne reflektiert. Na denn.
Als erheblicher nämlich im Vergleich zu den Neuerungen erweist sich die Weiterentwicklung des Vorhandenen, welches den Mercedes CLE zu einem der entspanntesten und gewiss dem viersitzigsten aller Cabrios erhebt. Das beginnt mit einem Platzangebot, ausreichend groß auch auf der breiten Rückbank, um Erwachsene zu beherbergen – wenngleich die für das Hineinklettern in den Fond eine gewisse körperliche Fitness unter Beweis zu stellen haben. Doch dann reist es sich dort viel ungedrängter als im BMW 4er. Der gestaltet den Einstieg noch etwas herausfordernder und die Rückbank so schmal, dass wir jenen zwei Passagieren da hinten zu einer gesteigerten Kontaktfreudigkeit raten.
Auch Pilot und Co bringt der Mercedes CLE 300 ungedrängter unter – wobei auch da die reinen, kaum differenzierenden Maße den Unterschied ergeben. Der Mercedes integriert die vorn Sitzenden hinter dem hohen Scheibenrahmen geborgener, trotz der niedrigeren Position der bequemeren, haltinnigeren Sitze des BMW. Der verfügt, wir hatten es glatt vergessen zu erwähnen, im Cockpit nun über neue Verstellhebel für die Lüftungsdüsen, die eine Strömungsrichtungsänderung erleichtern sollen. Wobei die zwei Wagen bei der Bedienung eben die Systematik ihres Hauses pflegen. In beiden Fällen lässt sich die Bedienfülle mit Sprach- und Taststeuerung beherrschen. Wobei im BMW kleinteilige Touchscreen-Einblendungen stören, im Mercedes diese ewig fitzeligen Tastflächen auf dem Lenkrad.
Open Ehr’
Doch nun an die Tasten fürs Dachballett, das der BMW zwei Sekunden schneller durchchoreografiert – also in 18 statt 20 Sekunden. Der Mercedes vollführt es dagegen unterwegs bis 60 km/h, der BMW 430i bis 50. Geschlossen übrigens hört sich der noch verwindungsfestere Mercedes leiser an, zischelt der Wind flüsteriger am Verdeck. Offen jedoch dringt der etwas ordinäre Klang des Vierzylinder-Benziners vorlaut aus den Katakomben des Maschinenraums. Nein, trotz Turboaufladung mit Flutenverbindung (alle außer Mercedes nennen es Twin-Scroll), zweistufiger Ventilhubschaltung und einem 48-Volt-Hybrid mit 17 kW/200 Nm Boost zählt der Zweiliter nicht zu den Gründen, weswegen man einen Mercedes CLE 300 kaufen sollte.
Dazu legt er trotz Elektro-Stütze zu trödelig los, und selbst die sonst so treffsichere Automatik wandlert etwas bräsig durch ihre neun Stufen. Mögen die Fahrleistungen durchaus drangvoll erscheinen, für ihre uninspirierte Inszenierung liegt der Testverbrauch von 8,9 l/100 km zu hoch.
Mit 8,7 l/100 km zapft sich der 430i kaum weniger aus dem Tank, doch dafür geht es eilfertiger voran, wenn die Automatik schlagfertig durch ihre acht Stufen schaltet. Der Allradstrang bringt die Rasanz des Antriebs gripfest auf die Straße, und das Fahrwerk geht das Tempo locker mit. Ja, dabei verschiebt es die Dynamik schon mal in Hektik, was an der sehr präzisen, aber geradezu überstürzt ansprechenden Lenkung liegt.
Mit dem grundstraffen adaptiven M Sportfahrwerk rumpelt der 4er selbst im Comfort-Modus arg ungalant über Unebenheiten, und wer hinten sitzt, auf die/den trommeln nicht nur dauernd Rempeleien ein; dazu zieht einem der orkanige Fahrwind die Dauerwelle glatt/den Schnauzer bis an die Ohren. Sicher, das ahnt man alles vorher, denn das 4er Cabrio ist eben das Cabrio des 4er. Aber es eröffnet dem Cabriofahren keinen neuen Horizont.
Einzigartiges Vier-Gefühl
Der Mercedes dagegen weitet den Horizont des Cabrio-Vergnügens auf den Fond aus. In eigentlich allen anderen Cabrios ist Hintensitzen fünf Minuten lang grandios, dann nur noch heiter, bald zugig, schließlich vor allem: doof. Nicht so im CLE, bei dem einem selbst auf der Autobahn bei Tempo 160 hinten der Wind nur etwas inniger durchs Haar kräuselt. Auch für jene, die vorn sitzen, ist es doch netter zu wissen, dass jene im Fond nachher am Restaurant nicht windzerzaust aussteigen werden.
Zur beflissenen Gediegenheit im Umgang mit den Passagieren trägt die Fahrwerksabstimmung ebenso bei. Im Comfort-Modus federt der Mercedes CLE sanft an, flauscht auch über schrumpelige Asphaltscharten. Wobei er dabei hinter langen Wellen leicht ins Nachschwingen gerät. Daher mag es bei weniger seefesten Passagieren geraten sein, in den strafferen, noch lange nicht harschen Sport-Modus zu wechseln. Dann gelangt auch das Handling, zuvor vor allem besonnener Sicherheit zugewandt, zu einer geschmeidigen Dynamik. Allerdings erlangt die nicht ganz jene Brillanz, wie sie die E-Klasse vollzieht. Als Cabrio lenkt der CLE mit minimal getrübter Präzision, vernuschelt etwas an Rückmeldung. Doch passt dieses Set-up schon bestens zu einem offenen Reisewagen.
Einem offenen Reisewagen für vier statt nur für zwei, was der Grund ist, weswegen der Mercedes CLE 300 in der Bewertung von Handling/Fahrspaß zwei Punkte mehr bekommt als der 4er trotz dessen agileren Handlings. Der holt sich die Punkte mit seinen viel eiligeren Geschwindigkeiten bei Slalom und Spurwechsel wieder zurück.
Damit stellen wir fest, dass Freunde der BMW-Dynamik wie jene der souveränen Mercedes-Reise jeweils auf ihre Kosten kommen. An solchen herrscht ja ohnehin kein Mangel. So liegen die Testwagenpreise, in die wir jene eingebauten Extras einberechnen, die sich auf Komfort und Fahrverhalten auswirken, bei gut 77.000 Euro für den BMW 4er und über 84.000 für den Mercedes CLE. Der auch im Unterhalt intensivere Mercedes gewinnt dennoch, da er bei ihm noch stärker weht – der Sturm der Begeisterung.
Mercedes CLE 300 4Matic Cabrio | BMW 430i Cabrio xDrive M Sportpaket | |
Grundpreis | 76.815 € | 73.820 € |
Außenmaße | 4850 x 1861 x 1423 mm | 4768 x 1852 x 1391 mm |
Kofferraumvolumen | 385 l | 385 l |
Hubraum / Motor | 1999 cm³ / 4-Zylinder | 1998 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 190 kW / 258 PS bei 5800 U/min | 180 kW / 245 PS bei 4500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 6,7 s | 6,0 s |
Verbrauch | 7,4 l/100 km | 7,3 l/100 km |
Testverbrauch | 8,9 l/100 km | 8,7 l/100 km |