Innovativer E-SUV: BMW iX xDrive50 im Test

BMW iX xDrive50 im Test
Was kann der Alles-anders-SUV?

Dem noch kleinen Club der fünf Meter langen Elektro-SUV tritt jetzt der BMW iX bei, der als xDrive50 ein Technikpaket in XL aufbietet. Dabei versteht er sich als Revolutionär, der auch eine Lanze für tastenreduzierte Bediensysteme brechen will.

BMW iX xDrive50, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Der neue BMW iX sabbert sich manchmal an, betreibt Selbstheilung und lässt sich nicht unters Blech schauen. Ja, das bedarf alles Erklärungen, genau wie wir über 385 kW Systemleistung, Brake-by-Wire, 2,6 Tonnen und Lade­kurven sprechen müssen. Wir fangen aber erst mal mit Coca-Cola an, die 1985 für den US-Markt die Rezeptur ihrer Koffeinlimo ge­ändert haben. "New Coke" stand ab jetzt auf den roten Dosen, und der Nachrichtensprecher des Senders CBS beschrieb das neue Rezept seiner­zeit als "so wie Coke Light, nur mit Maissirup gesüßt". Das Herumfuhrwerken an der Konstante kam so gut an, dass einige Monate später Coca-Cola Classic den Status quo ante in den Supermarktregalen wiederherstellte. New Coke? Bye-bye.

Unsere Highlights

Gedacht war das als Reaktion auf stagnierende Zahlen sowie auf den Rivalen Pepsi, der bei Blindverkostungen oft besser abschnitt. Diät-Maissirup-Cola gibt es in Gestalt des tastenreduzierten Bedienkonzepts des iX jetzt auch bei BMW, nur völlig ohne Not, denn in unserem letzten Bedientest bekam nur der 3er eine Top-Bewertung. Weil die guten Noten da schon nichts Neues waren, verwundert umso mehr, wie minimalistisch es innen im iX aussieht.

Die Liste an Funktionen, für die es zuvor Tasten plus Drehregler gab und die jetzt über das Infotainment laufen, streckt sich. Da wären die ­Klima inklusive Sitzklimatisierung und Lenkradheizung, die Favoritenfunktion (zuvor acht Knöpfe), die Cockpit­be­leuchtung und sogar der bevorzugte Radartempomat-Abstand. Ebenso betroffen sind Teile der Sitzsteuerung, das ESP, die Fernlicht­auto­matik, und auch für die Rekupera­tions­mo­­di gibt es keinen Schalter. Außerdem sind die Lenkrad- und Sitz­memory-Tasten keine Einzelknöpfe mehr, sondern haben lediglich mehrere Druckpunkte, worunter die Präzision leidet. Selbst die Dachhimmelkonsole vorne besteht hauptsächlich aus Touchflächen, nur die hin­te­re setzt wie die Fondklimasteuerung auf bewährte Knöpfe.

Nicht mehr ganz so leicht von der Hand geht die Schiebefunktion des Dreh-Drück-Stellers, doch weil es ihn noch gibt und die Beschriftungen der umliegenden Direktwahlfunktionen zumindest ertastbar sind, klappt die Bedienung immer noch ziemlich gut. Anders gesagt: Für die allermeisten Konkurrenten wäre das iX-Konzept ein riesiger Schritt nach vorne, weil der Drehdrücker eben die nötige Bedienpräzision reduziert, genau wie die konfigurierbare Shortcut-Leiste Menüwühlerei vermeidet und die sehr gute Sprachbedienung das System sinnvoll ergänzt. Ein iDrive Classic wäre trotzdem super, wird aber kaum kommen, denn im i4 sieht es ähnlich aus, und der kürzlich vorgestellte 2er Active Tourer verzichtet sogar ganz auf den bewährten Controller.

BMW iX xDrive50, Interieur
Achim Hartmann
Sesselartige Sitze mit Massagefunktion und wenig sichtbares Plastik schaffen eine luxuriöse Atmosphäre.

Einen neuen (wiederbelebten) Kom­fortgewinn bei der Bedienung liefert der Scheibenwischerhebel, mit dem man die Einmalwischfunktion auslösen kann, indem man ihn in Richtung Scheibe drückt. So kann der Hebel auf der Wischerautomatik­-Stellung bleiben und der Fahrer die Systemgrenzen sinnvoll kompensieren. Das gilt auch für die Set-Taste am Lenkrad, die das erkannte Tempo­limit setzt – das ist viel besser als eine automatische Übernahme (gibt es ebenfalls), denn keine Verkehrszeichenerkennung arbeitet gut genug, um die Aufgabe sicher zu erfüllen.

Oberklasse vom Feinsten

Großer Luxus zeigt sich schon beim Öffnen der elektrisch aufspringenden Soft-Close-Türen. Okay, die Taster sind in den Griffschalen so untergebracht, dass jeder Mitfahrer den Türlack mit Daumenabdrücken markieren wird. Noch dazu hören sich die Schließgeräusche der Türen wegen der rahmenlosen Fenster etwas schepperig an. Aber wenn du dann auf die Ledersitze schaust, deren Leder fast bis zum Boden reicht und die seitlich nur an den Schienen Plastik­ver­klei­dungen tragen, dann beeindruckt das schon. Ebenso das schick auf­gehängte, gebogene Display­ge­häu­se sowie die riesigen Kuhhautflächen an den Türtafeln und am Armaturenbrett, das unten kein nacktes Plastik, sondern Stoff trägt – für besonderen Spaß bei der Reinigung, denn dort kommt immer jemand mit den Schuhen dran.

BMW iX xDrive50, Interieur
Achim Hartmann
Das sechseckige Lenkrad erweist sich als nur wenig ergonomisch. Die Lenkung sollte zudem kommunikativer sein.

Komfort gibt es auch für die Fondpassagiere, die massig Platz in alle Richtungen und zwei Klimazonen haben, sogar mit eigenen Lüfter­steu­e­rungen und je drei Ausströmern, aus denen ordentlich Luft kommt, was nicht selbstverständlich ist. Mit der Harman-Kardon­-Anlage stecken zudem Hochtöner in den äußeren Kopfstützen, was den Klang dort spürbar aufwertet. Das 18-Lautsprecher-System spielt einen ordentlichen Raumklang, und die Subwoofer unter den Vordersitzen können richtig Gas geben (HK: 700 Euro, alternativ Bowers & Wilkins für 4.800).

Die Sitze sehen nach Sesseln aus, sind aber nicht zu weich, ergonomisch top und massieren sogar. Der Seitenhalt genügt bei enger gestellten Lehnenwangen, und auch der Winkel der festen Kopfstützen passt. Stören mag manche die fehlende Gurthö­hen­verstellung, definitiv unbequem sind die Kunststoffeinsätze unter den Kopf­stützen, wenn du mal ein Nickerchen machen willst, was beim Laden ja vorkommt.

Einen außergewöhnlich weiten Ein­stellbereich bietet die per Hebel elektrisch verstellbare Lenksäule, im iX findet jeder seine bevorzugte Sitzposition. Aber während BMW abgeflachte Lenkräder bisher lediglich im Zubehörkatalog führte, hat das im iX nur im Ansatz noch eine runde Form. Das führt etwa dazu, dass die El­lenb­ogen nach innen zeigen, wenn man die Daumen direkt über den Speichen einhakt und die Hände ans Lenkrad schmiegt.

BMW iX xDrive50, Exterieur
Achim Hartmann
Die via Strom statt Magneten erregten Synchronmaschinen leisten 190 kW an der Vorder- und 230 kW an der Hinterachse.

Die meiste Zeit greift man das aber ohnehin ein wenig tiefer und stützt die Arme auf die gemütlichen Lehnen. Das passt zum tiefenentspannten Fahrwerk mit Einkammer-Luftfedern, das nie rau arbeitet und man­che Querfugen sogar ganz glät­tet – da hörst du nur die Reifen ploppen. Die Pirelli P Zero Elect sind mit Schaumstoff zur akustischen Dämmung ausgerüstet, ihr Noise-Cancelling-System trägt zum angenehm ru­hi­gen Innenraum bei.

Zweihundert darf er, der iX

Weil 180 km/h schon nach 12,3 Sekunden auf der Uhr stehen und kurz danach immerhin 200, kommt es auf der Autobahn natürlich schon zu Windgeräuschen, die lauter erscheinen, weil kein Verbrenner mitmischt. Der von Hans Zimmer komponierte Iconic Sound (abschaltbar) untermalt mit einer dezenten Sci-Fi-Kulisse vor allem die Beschleunigung, die rapide, jedoch nicht überfallartig erfolgt. Die via Strom statt Magneten erregten Synchronmaschinen (190 kW vorne, 230 hinten) baut BMW parallel zum iX in Dingolfing selbst. Aus dem Stand vergehen lediglich 4,6 Klicks auf 100 km/h, und das verzögerungsfreie Ansprechverhalten zahlt mächtig aufs Komfortkonto ein.

Doch selbst mit aktiviertem Sport-ESP bleibt die Leistungsfreigabe stark lenkwinkelabhängig. Oft trittst du in engen Kurven am Scheitel voll drauf, doch richtig vorwärts geht es erst, sobald die Lenkung gerade steht. Vollständig abschalten lässt sich das an den Sportmodus gekoppelte ESP nicht, was bei 2.561 kg Leergewicht plus Fahrer keine ganz schlechte Idee ist: In ambitioniert gefahrenen Kurven kann der Dicke über Unebenheiten auch mal die Fassung verlieren – das fühlt sich dann so an, als strecke er sich in alle Richtungen, er fängt sich dann aber wieder.

BMW iX xDrive50, Exterieur
Achim Hartmann
Das durchaus agile Fahrverhalten des 2,6-Tonners überrascht sowohl auf dem Testgelände als auch auf der Landstraße.

Sportlich fährt er zwar nicht, mit der Hinterachslenkung aber durchaus agil genug. Und sowohl im 18-Meter-Slalom (60,6 km/h) als auch auf der Landstraße erstaunt schon, was trotz 2,6 Tonnen und etwas Wankneigung alles geht. Sogar ein bisschen BMW bekommst du aus dem Handling gekitzelt: Nicht übermäßig, aber via Pedallupferei strafft das Heck die Linie gelegentlich ein wenig, leichtes Leistungsübersteuern klappt indes nur selten und endet auch mal in einem Mix mit Untersteuern.

Klar, das kümmert beim komfortorientierten iX niemanden, und vielleicht macht der zukünftige iX M60 (250 km/h, über 440 kW) das ja anders. Die Lenkung sollte aber kommu­nikativer sein, denn egal ob du den BMW durch eine Kurve rollen lässt oder die Reifen darin folterst: Am Lenkrad fühlt sich beides so gut wie gleich an. Ansonsten läuft die Lenkung mit grundsätzlich passenden Kräften geschmeidig, be­stätigt eine Verbindung zu den Spur­stangen über gediegene Rückmeldung von Straßenschäden und schenkt sich jedwede Fisimatenten.

Gut gemacht: Brake-by-Wire

Dem Koloss genügen 35,6 Meter aus 100 km/h bis zum Stillstand. Eine mechanische Verbindung zwischen Pedal und Bremse besteht im Regelbetrieb des Brake-by-Wire-Systems nicht. Das bringt den Ingenieuren bei E-Autos einen Vorteil beim Brake-Blen­­ding – die Augenblicke, in denen sich das Verzögerungsmoment der Elektromotor-Rekuperation mit dem der Bremse mischt oder sich eins von beiden ausblendet. Selten spürt man davon überhaupt mal was, zudem lässt sich die Bremse in allen Szenarien immer mindestens gut dosieren.

BMW iX xDrive50, Exterieur
Achim Hartmann
Dem iX genügen 35,6 Meter aus 100 km/h bis zum Stillstand. Eine mechanische Verbindung zwischen Pedal und Bremse besteht im Regelbetrieb des Brake-by-Wire-Systems nicht.

Nur wenn du zeitgleich mit dem adaptiven Rekuperationsmodus findest, dass Verzögerung gerade gut wäre, kommt mal ein bisschen Kuddelmuddel zustande. Der Modus verdient seinen Namen, denn er berücksichtigt andere Autos, rote Ampeln sowie Kreuzungen zuverlässig. Die drei fixen Modi verzögern bei der Energierückgewinnung mit Stärken von 0,7 bis zu ziemlich kräftigen 2,2 m/s², wobei schon die geringste Stufe dem Mo­torbremsmoment eines Verbrenners entspricht. E-Auto-Neulinge müssen sich auch beim Parken nicht umgewöhnen, denn der iX kriecht los, wenn du das Bremspedal löst.

Der separate Einpedalmodus (B) unterscheidet sich von der stärksten fixen Stufe durch Rekuperation bis zum Stillstand. Innerorts lässt sich da­rin der Bremspedaleinsatz stark zurückfahren, allerdings nur mit vorausschauender Fahrweise, denn die Verzögerung steigt immer sukzessive und somit manchmal zu langsam. Das macht geschmeidiges Fahren einfach, bedingt aber häufiger einen Pedalwechsel als etwa im One-Pedal-Modus des Hyundai Ioniq 5.

Der BMW unterstützt nicht nur beim geschmeidigen Fahren, sondern warnt im Tacho oder Head-up-Display auch, wenn du zügig etwa auf eine rote Ampel oder ein Stoppschild zufährst. Noch dazu funktioniert seine aktive Lenkführung ordentlich, er kann eigenständig die Spur wechseln und im Stop-and-go-Stau weitestgehend übernehmen. Das nützt jedoch wenig, weil er nur bis an die Spurmar­kierung ranfährt und nicht näher an die Leitplanke, wie es für eine Rettungsgasse nötig wäre. Ab auf die ganz rechte Spur also? Bringt nichts, weil er dort mittig fährt und der Nachbarspur nicht genügend Platz für die Gasse einräumt (das machen andere Stauassistenten nicht besser).

Doch, der sabbert echt

BMW iX xDrive50, Exterieur
Achim Hartmann
Unter dem BMW-Emblem sitzt der Wischwasserstutzen, der aber nicht dicht hält. Bei 98.000 Euro sollte wohl eine Dichtung im Budget sein.

Der iX muss wohl denken, dass Selbst­heilung normal sei, weil die Poly­ure­than-­Beschichtung auf seiner Niere Kratzer bei Raumtemperatur nach 24 Stun­den verschwinden lässt. Was hinter dem Designelement steckt, will er nicht zeigen, denn ein Hebel zum Öffnen der Motorhaube fehlt: Shy Tech nennen die Bayern das, wenn der Kunde die Finger von der schüchternen Technik lassen soll. Wo der Wischwasserstutzen sitzt? Unter dem BMW-Emblem, das aber nicht dicht hält. So hat sich der iX bei den Bremstests die Haube vollgesabbert.

Schwer vorstellbar, dass BMW das nicht weiß, und bei 98.000 Euro sollte wohl eine Dichtung im Budget sein. Im Alltag wird das kaum vorkommen, schwerer gewichten wir jedoch, dass nach einer Testfahrt die Parkbremse nicht mehr ging. Auch nach zig Neustarts und einer Erholungsfahrt nicht – erst eine Nacht­ruhe brachte die Selbstheilung.

Reichweite und Ladeleistung

381 Kilometer weit fährt der iX mit dem Testverbrauch von 30,7 kWh/100 km und lädt mit bis zu 195 kW.

Mit Außentemperaturen um die 15 Grad hatte der iX xDrive50 auf seinen Verbrauchsfahrten recht gute Bedingungen und verbrauchte im Testmittel 30,7 kWh/100 km, woraus sich eine Reichweite von 381 Kilometern ergibt. Der durchschnittlich hohe Verbrauch eskaliert bei hohem Autobahntempo nicht völlig und sinkt auf unserer Eco-Runde auf 21,7 kWh. Am 300-kW-Schnelllader zog die 111,5-kWh-Batterie bei rund 400 Volt nur kurzzeitig 195 kW und hat nach 81 Minuten 100 Prozent geladen. An unserer 22-kW-Wallbox lädt der iX mit 11 kW und schließt eine Vollladung nach knapp 11 Stunden mit rund 10 Prozent Ladeverlusten ab.Das Digitalinstrument zeigt die aktuelle Ladeleistung via Balkengrafik ohne einen präzisen Wert an und gibt nur für das eingestellte Ladelimit eine Zeitprognose ab, also nicht etwa für 80 und 100 Prozent. Die Ladesäulensuche bietet neben der gewünschten Ladeleistung weitere Filter, etwa für Ökostrom. Auch zeigt sie die Verfügbarkeit individueller Säulen an, allerdings schlüsselt sie nicht auf, ob der rote Status "besetzt" oder "defekt" heißt. Besonders für Wartezeiten beim Laden schade: Eine 230-Volt-Steckdose für Laptops und andere Geräte steht nicht in der Preisliste.

Technische Daten
BMW iX xDrive50
Grundpreis107.900 €
Außenmaße4953 x 1967 x 1696 mm
Kofferraumvolumen500 bis 1750 l
Höchstgeschwindigkeit200 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch19,5 kWh/100 km
Testverbrauch30,7 kWh/100 km