Habe ich Ihnen eigentlich schon von unserem perfekten Wagen erzählt? Nein? Dann ist das hier ein schöner Anlass. Also: Dieser perfekte Wagen existiert nur rechnerisch. Leider. Er steht als theoretisches Konstrukt an der Spitze unserer ewigen Wertungstabelle und repräsentiert das Optimum – also das, was ein Auto in unseren sechs Disziplinen erreichen muss, um 100 von 100 Punkten abzusahnen. Demnach verteilt der perfekte Wagen 1.500 Kilogramm auf 600 PS, er bremst auf dem Niveau eines 911 Carrera S, beschleunigt wie ein Audi RS 6, wuselt schneller durch den Slalom als der Lotus Exige, verliert auf dem Hockenheimring maximal anderthalb Sekunden auf einen AMG GT R und kostet dabei nicht mehr als 90.000 Euro.
Der BMW M340d xDrive ist von solchen Fabel-Attributen natürlich weit entfernt, verfehlt unser – ich gebe zu – ziemlich hoch gegriffenes Ideal um 41 Punkte. Keine Schande, Diesel-Limousine, was will er schon ausrichten gegen so ein Hirngespinst? Der Witz ist nur: Trotz seines Abschneidens waren sich im Nachhinein fast alle einig, dass ausgerechnet er, dieser scheinbar mittelmäßige Mittelklässler, DER perfekte Wagen ist.
Gebührender Rahmen
Und damit ein herzliches Willkommen in unserer ewigen Zwickmühle, die sich bei Autos dieser Kategorie immer besonders fest zudreht. Von der einen Seite drückt das Wertungsschema, dem es schnurzpiepegal ist, wie oder womit Werte zustande kommen. 4,6 Sekunden auf 100 werden mit 12 Punkten prämiert. Grundsätzlich. Immer. Allerdings macht es – andererseits – einen gewaltigen Unterschied für die Bedeutsamkeit der Werte, wer ihr Urheber ist. Es gibt daher nicht nur die eine, die absolute Perfektion, es gibt auch eine relative, die mit den Rahmenbedingungen des Autos kurzgeschlossen ist. Und genau da funkt’s bei diesem BMW.
Nun hat sich mit dem Modellwechsel zum G20 aber auch einiges verändert. Der neue Top-Diesel gipfelt 27 PS, 70 Nm, aber auch rund 10.000 Euro höher als der bisherige 335d. Und: Er ist fortan per se mit dem Buchstaben M liiert – dem A und O der Sportlichkeit bei BMW. Oder wie man mittlerweile vielleicht sagen muss: ihrer Grundvoraussetzung.
Jedenfalls kommt die Dynamik nun aus dem Eingemachten. Dem serienmäßigen Allradantrieb wohnt ein aktives Hinterachsdifferenzial inne, das nachher noch eine Rolle spielen wird. Außerdem bekam das Fahrwerk ein Work-out verpasst: höhere Spurweite, mehr Sturz, steifere Elastokinematik.
Entsprechend zünftig ist auch das Entree. Man wird nicht gehätschelt, sondern durchaus prompt und detailliert über die Fahrbahn informiert. Botschaft: Ihr wolltet ein M-Modell, hier habt ihr es! Allerdings zieht sich die Härte mit zunehmender Geschwindigkeit zurück, verwandelt sich schon im Bundesstraßentrott zu einer straffen, aber angenehmen Bindung und verfliegt schließlich auf der Autobahn. Dort avanciert der M340d zum Dampfbügeleisen, gleitet durch die Lande, plättet Distanzen. Mühelos, souverän und unfassbar effektiv.
Ja, ja, der Diesel mal wieder. Er mag die eine oder andere Schramme im Image erlitten haben, war, ist und bleibt aber unschlagbar, wenn es um tatsächliche Geschwindigkeit geht – um das Vorankommen als solches. Faustformel: Je ferner das Ziel, desto größer der Trumpf. 9,3 Liter im Durchschnitt zieht sich der Biturbo bei hurtiger Gangart rein, 600 Kilometer Reichweite kommen dabei hinten raus. Im Klartext: München–Neapel geht mit Ein-Stopp-Strategie.
Drehmoment als Flut
Das Schöne: Trotz Askese badet man im Überfluss. Bei 4.400 Touren stehen 340 PS im Wind, denen der R6 freudig entgegendreht. Doch warum so weit schweifen, schließlich liegt das Drehmoment so nah? Angestupst vom E-Boost des Startergenerators, platzen 700 Nm quasi mit der Tür ins Haus, fluten den 1.848 Kilo schweren M340d fulminant voran. Vor allem die Elastizität ist erste Sahne. Ablesbar daran, dass so ein BMW M2 CS, der gemeinhin ja als potentes Kerlchen gilt, im Zwischensprint von 80 auf 120 das Nachsehen hat – und zwar in den Gängen vier, fünf, sechs und sieben!
Aber seien wir ehrlich: Das war zu erwarten. Man musste es von einem M-Diesel sogar erwarten dürfen – den geballten Punch ebenso wie die feinherbe Abstimmung, mit der sich der 340d so herzallerliebst über die Landstraße jodeln lässt. Allerdings führt unsere Testreihe eben auch über den Hockenheimring, der seinereinem in aller Regel die Grenzen aufzeigt. Einfach weil sich das Prinzip Rennstrecke mit dem des Diesels beißt: Fahren am Limit bedingt hohe Drehzahlen, die Selbstzündung brilliert untenrum.
Catsuit unterm Kostümchen
Aus diesem konzeptionellen Dilemma kommt auch der BMW nicht raus, wirkt auf Geraden dementsprechend eher langatmig als furios. Aber dafür legt er in Kurven ein echtes Tänzchen aufs Parkett. Als Einpeitscher fungiert das angesprochene Aktiv-Diff. Es steuert die Sperrwirkung elektronisch zugunsten des belasteten Hinterrades. Dadurch wird das Drehmoment zum Hebel, mit dem sich der 3er dann in Kurven und um Kurven herum biegen lässt. Richtig, das kann der M340 als Benziner auch. Aber: Er hier geht holladrio mit 200 Nm mehr zu Werk!
Schwierigkeitslevel? Zumutbar! Zwar dauert es ein paar Kurven, bis man die Gaspedallenkung mit jener zwischen den Handflächen synchronisiert. Irgendwann sitzen die Abläufe aber, ein Dreh gibt den anderen, und die diskrete Begleitung von vorhin wackelt auf einmal mit dem Hinterteil.
Bitter ist nur, dass sich die Erotik des Fahrverhaltens kaum beziffern lässt. Die Längsdynamik ist schlicht zu mau, um es mit dem Handling wieder rauszureißen. So kommt es, wie es bei unserer rein objektiven Wertung des Öfteren kommt: Den M340d ereilt dasselbe Schicksal wie Mazda MX-5, Ford Fiesta ST und Co. Er steht ganz weit oben in unserer Gunst, aber relativ weit unten in den Charts.
Und genau aus diesem Grund haben wir voriges Jahr eine Zusatzwertung eingeführt – diesen dreifarbigen Fächer. Der setzt die Kandidaten nicht nur in den Klassenkontext, er ergänzt das harte Punkte-Urteil auch um eine qualitative Bewertung ihrer Fertigkeiten, in deren Kombination der M340d tatsächlich der perfekte Wagen ist.
Fazit
Jetzt hat der 3er, was ihm fehlte. Ein kleines M-Modell, das von Technik getragen wird und die Brücke zum M3 auch fahremotional schlagen kann. Schon beim Benziner, dem M340i, ging das Konzept auf. Im Diesel gewinnt es nun noch mal an Tiefe: wegen der Langstreckenkompetenz, der bauchmuskulären Kraftentfaltung und weil noch mehr Drehmoment ins Hebelwerk des Allradantriebs fließt.