BMW M4 Coupé im Supertest: Neuer Motor, neue Heldentaten?

BMW M4 Coupé im Supertest
Neuer Motor, neue Heldentaten?

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Es ist ja nicht so, dass vorher alles schlecht war – im Gegenteil. Und doch ist vieles anders geworden: Aus M3 Coupé wurde M4, und anstatt V8 gibt es nun wieder einen Reihensechszylinder – allerdings mit Biturbo-Aufladung. Back to the roots oder auf zu neuen Ufern?

BMW M4 Coupé, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Aus vier wird sechs, aus sechs acht und aus acht wird am Ende wieder sechs (plus Aufladung) – diese bizarre Formel ist mathematisch betrachtet natürlich blanker Unsinn, sollte aber – wenn alles mit rechten Dingen zugegangen ist – auf einem durchdachten Kalkül seitens der BMW M GmbH gründen, nämlich jenem zum Thema Motorenbau.

Oder waren die motorischen Wechsel in den knapp drei Jahrzehnten M3-Historie etwa nur von Zufällen oder von Seitenblicken auf die Konkurrenz bestimmt?

BMW M4 Coupé mit Turboaufladung

Wer hätte anno 1985 darauf spekuliert, dass der mit einem auch optisch wunderschönen, 2,3 Liter großem und 195 PS starken Reihenvierzylinder debütierende BMW M3 sieben Jahre später auf Sechszylinderantrieb umgestellt werden würde? Oder hätte jemand zur Hochphase des M3-Booms, sagen wir anlässlich der Vorstellung des legendären Sondermodells M3 CSL im Jahr 2003, darauf gewettet, dass der damals für die M3-Palette so typische 3,2 Liter große und bis zu 8.000/min hochdrehende Sechszylinder-Sauger fünf Jahre später durch einen Vierliter-V8 ausgetauscht würde?

Zugegeben: Das von der BMW M GmbH stets mit Verve und reichlich argumentativem Tiefgang verteidigte Hochdrehzahlkonzept wurde ungeachtet der vielen motorischen Umwidmungen und trotz des aufkommenden Turbo-Trends eigentlich nie in Zweifel gezogen. Dass die Motorengeschichte mit dem Achter noch nicht zu Ende erzählt war, zeigt nun der vierte Streich.

Die nunmehr fünfte BMW M3-Generation tritt nach dem letzten V8-Intermezzo wieder mit einem Reihensechszylinder an – mit drei Litern Hubraum, aber erstmalig in der M3-Historie mit Turboaufladung.

Sind es die alten Tugenden, die mit der Rückbesinnung auf den Sechszylinder neu belebt werden sollen? Oder ist die Umstellung auf weniger Zylinder mit "Twin-Power-Turbo-Technologie" nur die logische Antwort auf eine weltweit schärfere Gesetzeslage, die dem Verbrenner mit künstlicher Beatmung bessere Bedingungen einräumt?

Egal – wir interpretieren das vordergründige Downsizing-Verfahren einfach mal als legitimen Versuch, den von der BMW M GmbH bei ihrer Gründung vor 28 Jahren aus der Flasche entlassenen Geist mit Weitsicht und Esprit neu zu beleben. Nichts gegen den in dieser Modellreihe über die Klinge gesprungenen Achtzylinder. Aber so, wie sich der neue Antrieb schon auf den ersten Metern anfühlt und wie er sich benimmt, könnten Fortschrittsgedanke und Traditionsbewusstsein hier in der Tat eine sehr reizvolle Allianz eingehen.

Roter Drehzahlbereich erst bei 7.500/min.

Schwächer als der Vorgänger ist der BMW M4 Coupé schon mal nicht: Mit 431 PS liegt er nominell deutlich über dem bisherigen Achtzylinder- Sauger (420 PS) und toppt auch dessen Drehmomentberg (400 Nm) mit Leichtigkeit um ein gutes Stück – in der Spitze um satte 40 Prozent. So stehen im Drehzahlbereich zwischen 1.800 und knapp 5.400 Umdrehungen nicht weniger als 550 Newtonmeter zur Verfügung.

Die Gefahr, durch die bärige, drehmomentfördernde Turbo-Technik einen charakterlichen Paradigmenwechsel erleben zu müssen, darf insofern als gebannt gelten, als die Leistungsentfaltung einen erstaunlich kontinuierlichen Verlauf nimmt. Ausnahmsweise stimmt hier der Vergleich: Sie verläuft tatsächlich analog einem großvolumigen Saugmotor.

Wem man es nicht auf die Nase bindet, der wird sich schwertun, diesen drei Liter großen Biturbo-Reihensechszylinder als solchen zu identifizieren. Ältere Zeitgenossen mit natürlich reduzierter Empfindlichkeit gegenüber hohen Frequenzen kriegen von etwaigem Turbinenpfeifen nicht die Bohne mit. Der Blick auf den klassisch gezeichneten Drehzahlmesser gibt ebenfalls keinen schlüssigen Hinweis auf die Herkunft des Triebwerks. Der rote Drehzahlbereich beginnt nämlich erst bei 7.500/ min.

Die Schlussfolgerung, wonach auch dieser Motortyp als Vertreter des Hochdrehzahlkonzepts durchgeht, ist demnach ebenso wenig von der Hand zu weisen wie die Ansage seiner Konstrukteure, einen Verbrenner geschaffen zu haben, der die Vorteile beider Motortypen – die des Turbos und die des Saugers – vereint, ohne dass man deren individuelle Nachteile in Kauf nehmen muss. Man könnte sagen: Drehfreude und Turbo-Bums gehen ein verdammt intimes Verhältnis miteinander ein.

Sechsgang-Handschaltgetriebe gehört beim BMW M4 Coupé zur Grundausstattung

Selbst anhand des Klangs ist es anfangs schwer, die konstruktive Herkunft zu identifizieren. Der aufgeladene Reihensechser springt beim Anlassen förmlich auf Leerlaufdrehzahl und dreht schnell und seidig hoch wie ein Rennmotor, was auf eine geringe Massenträgheit des Kurbeltriebs schließen lässt. Aber er arbeitet dabei mit einem dumpf grollenden Timbre – so, als wollte er aus alter Verbundenheit keine akustische Distanz zum Achtzylinder des Vorgängers aufkommen lassen. Man riecht es förmlich und hört es auch: Da steckt eine Menge Energie drin.

Erst nach gewisser Adaption offenbart sich der kundigen Besatzung der wunderbare, bekannt sämige Reihensechszylinder-Sound, den man in früheren heißen BMW M3-Liaisons verinnerlicht hat. Die mithilfe eines neuartigen Klappensystems hergestellte Klangmodulation stößt, trotz höchst anregender (und nie aufregender) Klangwelten, nicht ungeteilt auf Gegenliebe: Die Traditionalisten unter den Sportfahrern bevorzugen es unplugged, so wie sie es honorieren, wenn alternativ zu den mehrheitlich angebotenen Automatisierungsstrategien auch weiterhin mechanische Getriebe im Angebot sind. Welch ein Glück: Sowohl für den zweitürigen BMW M4 Coupé als auch für den technisch baugleichen viertürigen BWM M3 gehört ein konventionelles Sechsgang-Handschaltgetriebe zur Grundausstattung.

Wer den preiswerteren Schalter wählt, verpasst zwar durch das Abwählen des Doppelkupplungsgetriebes einiges an gepflegtem Automatismus, darf sich auf der anderen Seite aber neben der Wahrung traditioneller Schaltkultur auch einer bewussten Gewichtskalkulation rühmen.

Der beim Schwesterblatt auto motor und sport gewogene BMW M4 Coupé mit konventionellem Schaltgetriebe brachte vollgetankt 1.595 Kilogramm auf die Waage – rund 20 Kilo weniger als die Supertest-Variante mit dem M DKG Drivelogic genannten Doppelkupplungsgetriebe. Es muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass sich beide Versionen im Sprint bis 100 km/h keine Zehntelsekunde schenken ...

BMW M4 Coupé mit mehr Fahrdynamik

Das Mehrgewicht der DKG-Version macht schon deshalb den Kohl nicht fett, weil das Gesamtgewicht der neuen M-Variante auf Vierer-Basis deutlich über dem liegt, was der Hersteller propagiert. Der sprach mit Blick auf Aluminiumhaube und -seitenteilen, Leichtbau-Heckklappe und das Carbon-Dach "als sichtbares Zeichen konsequenten Leichtbaus" von einer Gewichtsersparnis gegenüber dem Vorgänger von 80 Kilogramm.

Wir erinnern uns noch gut: Als zweitürige Version mit Sechsgang-Handschaltung brachte der achtzylindrige BMW M3 1.608 Kilogramm auf die Waage. Die schmale Differenz zum ebenfalls handgeschalteten neuen BMW M4 Coupé: nur 15 Kilogramm. Aber Hand aufs Herz: Was soll der Geiz um jedes Kilo, wenn die Resultate stimmen? Sowohl in der Beschleunigung als auch im Durchzug ist die Vorherrschaft der neuen Generation gegenüber den Vorgängern erdrückend – mit Ausnahme von drei Sondermodellen mit Namen M3 CSL, M3 GTS und M3 CRT, die in verschwindend geringen Stückzahlen an den Mann gebracht wurden und den M3-Kult maßgeblich gefestigt haben. Letzteres gilt insbesondere für den Erstgenannten.

Die Behauptung, mit dem BMW M4 Coupé eine intime Nähe zu diesen fahrdynamisch profilierten Überfliegern geschaffen zu haben, lässt sich anhand der Rundenzeiten auf dem Nürburgring leicht ablesen: Mit einer blendenden Zeit von 7.52 Minuten erfüllt das neue Coupé fast die Vorgaben der beiden schnellsten je gemessenen M3-Versionen (CSL: 7.50 min; GTS: 7.48 min) – ohne deren konsequente Konzentration auf fahrdynamische Highlights zu imitieren.

Das bedeutet: Die Superzeit vom Ring ist ohne Verzicht auf Fahrkultur, ohne Einbußen an Praktikabilität und – jetzt kommt's – mit alltagskonformen Reifen erzielt worden. Seinen Vorgänger (M3 E92) distanziert der BMW M4 Coupé damit um geschlagene 13 Sekunden. So, wie er sich anschickt, die Rolle als fahrdynamisches Supertalent neu zu interpretieren, werden ihm bei dieser Konzilianz (und der Schönheit seines Äußeren) die Herzen nur so zufliegen. Es macht einfach Laune, seiner sowohl sonor-sanften als auch rauchig-dumpfen Stimme zu lauschen und sich bewusst dem unbändigen Kraftfluss auszusetzen, bei dem einem angesichts des Wirkungsgrads schlicht die Spucke wegbleibt – ein Seitenblick auf die Fahrleistungen dürfte das bestätigen.

Ungewöhnlich sportliches Talent

Abgesehen von einem am fahrdynamischen Limit überzeugend neutralen Fahrverhalten ist es vor allem der offene Charakter in puncto Fahrverhalten, der die Begeisterung so nachhaltig schürt. Was allgemein mit guter Fahrbarkeit umschrieben wird, offenbart sich in leicht kalkulierbaren Reaktionen. Mithilfe der neuen, mit drei unterschiedlichen Kennlinien (Comfort, Sport, Sport+) arbeitenden elektrohydraulischen Lenkung bleibt kein Fahrzustand im Dunkeln. Verlässlich, weil selbst bei energischem Gaseinsatz ohne bösartige Ausbruchneigung unterwegs, verfolgt das M Coupé gehorsam nahezu jede ins Auge gefasste Linie – mit einer gelenkigen Präzision, die seinen Sportsgeist doppelt unterstreicht.

Bei aller Konvention, die sein stählernes Chassis samt seiner neuen aufwendigen Radaufhängung aus geschmiedeten Aluminiumkomponenten beschreibt: Der technische Aufwand im Detail ist nicht von schlechten Eltern. Als Beispiel sei die um das Triebwerk herum angebrachte v-förmige Strebe aus CFK genannt, die im Zusammenwirken mit zusätzlichen Verschraubungen des Achsträgers mit der Karosseriestruktur für eine deutlich höhere Steifigkeit des Vorderwagens verantwortlich zeichnet.

Lenkpräzision, mithin außergewöhnlich sportliches Talent, wird eben nicht nur an vorderster Front – nämlich den Reifen – erzeugt, sondern auch und vor allem tief im Inneren einer durchdeklinierten, soliden Struktur. Und die neue Chiffre dafür lautet: BMW M4.

Technische Daten
BMW M4 Coupé M4
Grundpreis76.400 €
Außenmaße4671 x 1870 x 1383 mm
Kofferraumvolumen445 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung317 kW / 431 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,2 s
Verbrauch8,3 l/100 km