Früher hätten sie laut laut "Boah, ey" gerufen. Es ist der Wow-Moment dieses Supertests, als der BMW M4 CSL im leichten Drift an der aufstaubenden Grasnarbe vorbei über den Zielstrich an der Nordschleife-Zielgeraden T13 hechtet. 7.17,08 Minuten – vermeldet die Messtechnik im Cockpit. Damit ist der M4 CSL ab sofort der schnellste BMW im Supertest auf der Nordschleife. Nicht nur das: Das jüngste Rennpferd aus dem M-Stall ist genauso schnell wie ein aktueller Porsche 911 Turbo S auf der Schleife. Wow!
550 PS treffen auf 1.618 Kilo – der G82 CSL, wie er Baureihen-intern bei BMW gerne bezeichnet wird, ist ja durchaus einer, der polarisiert. Da gibt es Einige, die sich beklagen, dass man ein Fahrzeug mit einem doch recht hohen Gewicht nicht mit dem legendären Buchstaben-Kürzel CSL bezeichnen darf, dass früher für "Coupé, Sport, Leichtbau" stand und heute die Abkürzung für "Competition, Sport, Leichtbau" ist.
Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch für mich bleibt der M3 E46 CSL das Emotionalste, was die M GmbH je gebaut hat. Der Bruder meines besten Kumpels Thomas hatte einen, den ich 2005 auf einer legendären Fahrt nach München einmal länger fahren durfte. Ich werde nie vergessen, wie die Tachonadel kurz vor der 300 hing und der Reihensechser-Sauger dabei durch seinen linken Ansaugschnorchel und die Carbon-Airbox trompetete. So etwas Wunderschönes brennt sich für immer tief in dein Herz ein.
Klar leichter, aber nicht leicht
Ich denke, man sollte Automobile trotzdem immer in ihrer jeweiligen Generation betrachten – und deswegen feiere ich auch den G82 CSL. In diesen Zeiten, in denen alle Hersteller hauptsächlich den Elektroantrieb anpreisen, ist es doch erstaunlich, dass ein M4 CSL in dieser Ausprägung überhaupt noch das Licht der BMW-Welt erblicken durfte. Unter all den Budget- und Regelvorgaben, die in einem Konzern gelten, ist es ebenso bemerkenswert, dass die M-Entwickler noch einmal 84 Kilo aus dem bereits alles andere als leichten M4 Competition mit Hinterradantrieb (1.702 Kilo) rausgeholt haben.
Kurz im Stakato, wie die CSL-Gewichtsreduktion gelungen ist: Entfall der zweiten Sitzreihe, Trennwand aus Stahlblech, Entfeinerung, also beispielsweise viel nacktes Blech im Gepäckraum (insgesamt minus 21 Kilogramm); Carbon-Bremse (minus 14,3 Kilo), Räder in neuem Styling mit Cup 2 R, Federn, Präzisionsstrebe (insgesamt minus 6,7 Kilo); Entfall Schallisolierungen, Entfall PVC und Umstellung auf PVC "light" (insgesamt minus 15 Kilo); Front- und Heckklappe sowie Mittelkonsole und Frontsplitter aus CFK (insgesamt minus 11 Kilo); CSL-Vollschalensitze (minus 24 Kilo); Titan-Endschalldämpfer (minus 4 Kilo); reduzierte Niere, Laser-Heckleuchten, Entfall Fußmatten, Entfall Klimaautomatik (insgesamt minus 4 Kilo).
Warum unser Testwagen nicht auf die im Lastenheft angepeilten 100 Kilo Gewichtsreduktion gekommen ist? Weil die normalen M4-Testwagen ebenfalls mit Sonderausstattungen gespickt waren, wie den Carbon-Sitzen und der Carbon-Keramik-Bremsanlage, die auch dort schon das Gewicht gesenkt haben. Das meiste des gesamten CSL-Zahlenwerks steht übrigens in keiner Pressemappe, sondern gibt’s nur exklusiv im Supertest zu lesen und erforderte viel Recherche-Aufwand bei den M-Entwicklern.
Genug geschnackt, zurück in den Grenzbereich auf die Nordschleife. Schauen wir uns mal an, wie es dem M4 CSL gelingt, die bisherige G82-Bestzeit seines Allrad-Bruders M4 Competition M xDrive um satte 12 Sekunden zu verbessern. Einfach zusammengefasst: Vor allem die Kurvengeschwindigkeiten des CSL sind ausnahmslos deutlich höher als die des M4 Competition M xDrive, aber auch längsdynamisch beeindruckt der auf 1.000 Exemplare limitierte Extrem-M4.
Endlich: Ein M mit dem Cup 2 R
Picken wir uns gemeinsam mal die zwei Nordschleifen-Ecken raus, in denen der CSL besonders beeindruckt: Im Hatzenbachbogen ist er mit einem Minimumspeed von 165 km/h beeindruckende 25 km/h schneller als der M4 Competition M xDrive. Durch die erste Metzgesfeldlinks tobt der CSL 15 km/h fixer als der Allrad-M4. Sowohl der Hatzenbachbogen als auch besagte Mutecke im Metzgesfeld sind Nordschleifen-Kurven, in denen du nur schnell bist und ans äußerste Limit gehst, wenn du ein großes Vertrauen ins Fahrzeug hast. Dank seines höheren mechanischen Gripniveaus, der verbesserten Lenkpräzision und der insgesamt gewonnenen Fahrstabilität liefert dir der M4 CSL genau dieses Plus an Vertrauen gegenüber den beiden bisherigen Supertest-Kandidaten aus der G82-Baureihe.
Schon beim M4 Competition und M4 Competition M xDrive bist du im Grenzbereich, zum Beispiel auch beim Anbremsen, irgendwann an dem Punkt gewesen, an dem du dir einen Reifen mit noch höherem Gripniveau gewünscht hast. Anders: Das Gripniveau des serienmäßigen Michelin Pilot Sport 4S und des Michelin Pilot Sport Cup 2 – beide natürlich mit BMW-Stern-Kennung – war auch auf den normalen M4-Varianten schon gut. Doch das Trockengripniveau des serienmäßigen CSL-Reifens ist jetzt herausragend. Darauf habe ich lang gewartet, dass BMW M endlich mal den extremsten aller Trackreifen namens Michelin Pilot Sport Cup 2 R auf eines ihrer Fahrzeuge schnallt.
Mit 14,5 m/s² (Hockenheim) und 14,3 m/s² (Nordschleife) glänzt der M4 CSL mit deutlich höheren Verzögerungswerten als der M4 Competition M xDrive (Hockenheim: 12,7 m/s², Nordschleife: 12,9 m/s²). Doch es wäre vermessen, das gewonnene mechanische Gripniveau und die Verbesserung der Rundenzeit des CSL nur auf den Reifen zu schieben. Trotzdem können auch trackaffine Piloten von normalen M4-Modellen den Cup 2 R ruhig auf ihr Fahrzeug ziehen. Unharmonische ABS-Regeleingriffe müssen nicht gefürchtet werden, da die M GmbH diesen "Kreuzverbau" mit anderen Modellen wie in diesem Fall dem M3/M4 entwicklungsseitig auch abprüft hat.
Fast wie auf Slicks
Während die normalen M4-Modelle nicht die ausgewiesenen Spätbremser waren, lässt sich mit dem CSL spürbar später in die Kurve reinbremsen, wie beispielsweise in die Aremberg-Rechts. Trotz seines Gewichts lässt sich der CSL mit wohl abgestimmter ABS-Regelung auf der Bremse gut einlenken, ohne dass er stumpf über die Vorderachse schieben will.
Für den CSL passten die Fahrdynamikentwickler die ABS-Abstimmung speziell im DSC-OFF-Betrieb auf den fast slickähnlichen Grip des Cup 2 R an. "Hier haben wir mit diesem speziellen Reifen definitiv Potenzial gefunden, das wir aus naheliegenden Gründen allerdings nur im DSC OFF zur Verfügung stellen möchten, weil wir uns damit auch bezüglich Fahrstabilität weiter aus dem Fenster lehnen. Wir nehmen die Hinterachse deutlich mehr ran, was Verzögerung und Willigkeit im Kurveneingang bringt", erklärt Jörg Weidinger, BMW-M-Fahrdynamikentwickler, der die offizielle Nordschleifen-Rekordzeit des M4 CSL aufgestellt hat (20,8 km: 7.20,207 min; 20,6 km: 7.15,677 min.).
Das ist offiziell bekannt. Bisher nicht bekannt ist, dass Jörg bei Entwicklungsfahrten die 20,6 Kilometer der Schleife im M4 CSL sogar schon einmal in 7.13 Minuten umrundet hat. Nur damit keiner denkt, der Gebhardt hätte plötzlich mehr Talent gefunden oder die Berglegende Weidinger wäre gealtert.
Weitere Spurensuche, wie die gesteigerte Querdynamik zudem realisiert wird. Fahrwerksseitig wurde der CSL ebenfalls auf den rennreifenähnlichen Cup-2-R-Grip angepasst und deutlich steifer abgestimmt. Per se ist der Michelin Pilot Sport Cup 2 R in seiner Eigenfederrate schon einmal steifer und noch sportlicher konstruiert als die bisher für den M4 Competition erhältlichen Reifen.
Tieferer Schwepunkt
Die Tragfedern des CSL sind an der Vorderachse um 14,3 Prozent und an der Hinterachse um 15,6 Prozent steifer gegenüber dem M4 Competition ausgelegt. Bei den Zusatzfedern sind es an der Vorderachse 6,7 Prozent und an der Hinterachse 12,5 Prozent. Es kommen zwar die gleichen Stabis wie im M4 Competition zum Einsatz, allerdings wurde deren Lagerung an der Karosse steifer ausgelegt. Die Stabi-Raten sind identisch, die geänderten Lager erzeugen jedoch eine um 33,3 Prozent an der Vorderachse und an der Hinterachse um 40 Prozent erhöhte Torsionssteifigkeit. Außerdem wurde die Dämpferabstimmung grundlegend überarbeitet und auf den CSL angepasst. Die Querlenker (achsseitig) sowie der Spurlenker (radseitig) wurden im CSL mit steifen Kugelhülsengelenken statt mit Elastomerlagern wie beim M3/M4 ausgeführt.
"Die sogenannten Nebenfederraten aus der vertikalen Bewegung der Achsteile an sich möchte man möglichst gering halten, um speziell beim schnellen Ausfedern über Wellen und Kuppen immer die maximal mögliche Radlast zu haben. Ganz speziell auf der bekannt unebenen Nordschleife haben wir hiermit sehr viel Vorhersagbarkeit und Fahrbarkeit geholt. Und in dieser Verbesserung ist auch ein Grund verborgen, warum wir den CSL bezüglich der Bauteilsteifigkeiten, beispielsweise den Federn, etwas neutraler oder umgangssprachlich "hecklastiger" auslegen konnten", verrät Jörg Weidinger weitere Details aus der CSL-Entwicklung.
Wo wir gerade bei so wunderbar vielen, exklusiven CSL-Fakten sind: Durch die Modifikationen ergibt sich eine um rund 20 Millimeter tiefere Schwerpunktlage des CSL gegenüber dem M4 Competition mit Hinterradantrieb (Schwerpunktlage bei Leergewicht: M4 Competition RWD 494 mm, M4 CSL 473 mm).
Trotz aller Steifigkeitsmaßnahmen musste ich mich auf der Nordschleife erstmal an den CSL und seine Aufbaubewegungen am Limit gewöhnen, da ich wenige Tage zuvor den Porsche 911 GT3 mit Manthey Performance-Kit gefahren bin. Der "Manthey-GT3" ist ein Fahrzeug, dass auf der Nordschleife wie ein fahrdynamisches Brett liegt, ohne die subjektiv spürbar kleinste Plattformbewegung.
Trackheld mit Alltagstalent
Beim direkten Umstieg vergleichst du auch automatisch die eigentlich Unvergleichlichen. Dort der reinrassige Sportwagen 911 GT3, der noch von Manthey auf die Nordschleife zugespitzt wurde. Hier der quasi auf einer Mittelklasselimousine basierende M4 CSL, der zwar schnell auf der Rennstrecke ist, aber trotzdem kein ausgewiesenes Tracktool sein soll, sondern zumeist im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden wird.
Der M4 CSL ist einer der perfekten Allrounder. Mit ihm kann man beispielsweise problemlos Langstreckenfahrten mit Autobahn-Hochgeschwindigkeit absolvieren. Diese sollen mit den rennstreckenspezifischen Achseinstellwerten des Manthey-GT3 vermieden werden, da bei viel Autobahn-Vmax dessen Reifen zu stark belastet werden können.
Stichwort Vmax: Nicht nur auf der Döttinger Höhe schiebt der CSL beeindruckend bis 291 km/h an (M4 Competition M xDrive: 279 km/h), auch auf der Autobahn zaubert das M4-Sondermodell mit bis zu 307 km/h bei gutem Geradeauslauf fix ein Lächeln ins Gesicht. Damit ist der M4 CSL auch in diesem Punkt der schnellste Serien-BMW bis dato.
Höhere Leerlaufdrehzahl
Zur Fahrdynamikverbesserung wurde der um 40 PS leistungsgesteigerte S58B30T0-Reihensechszylinder und das Getriebe deutlich steifer an die Karosserie angebunden und gelagert. Zur Vermeidung von Vibrationen im Leerlauf wurde dafür übrigens die Leerlaufdrehzahl etwas angehoben.
Beim M4 CSL passten die Entwickler zudem auch die Schaltprogramme der Achtgang-Automatik an. In der dritten, also der schnellsten Drivelogic-Stufe sind im manuellen Modus und im Automatik-Modus jetzt Schaltzeiten von bis zu 110 Millisekunden möglich. (M4 Competition circa 170 Millisekunden). Anders als bei Porsche-Modellen bevorzuge ich bei den M-Helden nicht den Automatik-Modus im Grenzbereich, sondern zupfe, wie jetzt auch beim CSL, lieber selbsttätig an den Schaltwippen. Subjektiv gefühlt ist das die optimalste Art des Schaltens mit dem CSL im Grenzbereich in Hockenheim und auf der Nordschleife.
Noch spannender für Nordschleifen-Fans ist die spezifisch auf den CSL abgestimmte Traktionskontrolle. Meine favorisierte TC-Einstellung auf der Nordschleife und in Hockenheim ist Stufe 6. Jörg Weidinger erläutert die TC-Unterschiede zu den normalen M3/M4-Versionen: "Im Serien-M3/M4 stellen die Stufen 1 bis 10 unterschiedliche Gierdämpfungen und unterschiedliche zugelassene Schwimmwinkel dar. Alle Stufen sollen Drifts auf unterschiedlichen Reibwerten ermöglichen und den Fahrer dabei maximal unterstützen. Im CSL ist das genannte Verhalten auf die Stufen 1 bis 5 begrenzt. Dabei sind die Stufen 1 bis 5 im CSL die bekannten Stufen 2 bis 6 aus dem Serienfahrzeug. Die folgenden Stufen 6 bis 10 sind im M4 CSL mit Fokus auf schnelle Rundenzeiten bei gleichzeitig hohem Driver Support mit dem Michelin Cup 2 R ausgelegt. Und im Grunde sehr ähnlich der TC-Ausprägung im M4 GT4."
Im Gespräch mit Weidinger wurde auch deutlich, dass zugunsten der guten Alltagstauglichkeit des CSL auf rund drei Sekunden Nordschleifen-Performance verzichtet wurde. Übrigens: der G82 CSL generiert mit nur 9 Kilo Gesamtabtrieb bei 200 km/h deutlich weniger als der F82 GTS (52 kg). Fazit: Das schreit doch alles nach einem M4-GTS-Überflieger auf G82-Basis mit wildem Flügelwerk, einstellbarem Gewindefahrwerk und den gripfreudigen Cup 2 R.
BMW M4 CSL M | |
Grundpreis | 165.200 € |
Außenmaße | 4794 x 1921 x 1386 mm |
Kofferraumvolumen | 440 l |
Hubraum / Motor | 2993 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 405 kW / 551 PS bei 6250 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 307 km/h |
0-100 km/h | 3,7 s |