Eigentlich wollten wir hier einen richtig vielfältigen Blumenstrauß präsentieren – einen Blumenstrauß voller hochkarätiger Sportwagen. Was schlussendlich bleibt, sind der Sportwagen-Evergreen Porsche 911 Turbo und einer, der es gerne wäre – der BMW M8 Competition.
Die Planung sah anders aus, doch dann hagelte es Absagen. Die erste Absage kam von Mercedes-AMG: Nein, mit dem GT R treten sie nicht gegen die ganzen Allradler an – und schon gar nicht mit der von uns angefragten "normalen" Bereifung statt der Semislicks. Als Nächstes folgte die Absage von Nissan: Nein, sowohl einen normalen GT-R als auch einen GT-R Nismo haben sie schon lange nicht mehr im Pressefuhrpark. Die deckungsgleiche Antwort trudelte von Honda ein: Absage des erbetenen NSX.
Respekt vor dem Gegner
Bei McLaren war kein GT greifbar, während sie bei Audi lange sondierten. Ergebnis: Einen "kleinen R8" (Coupé V10 mit 570 PS) haben sie gerade nicht im Fuhrpark, den "großen R8" (Coupé V10 Performance mit 620 PS) können sie wegen Kurzarbeit in der Audi-Pressewerkstatt nicht rechtzeitig flottmachen.
Nicht nur Engpässe sind heutzutage Grund für Testabsagen. Wenn du als Magazin eine kritische Linie mit knallharter Punktewertung fährst, wie wir es bei sport auto machen, dann musst du damit rechnen, dass sie dir nicht für jeden Vergleichstest einen Testwagen zur Verfügung stellen. Der olympische Gedanke "Dabei sein ist alles" zählt nur noch bei den wenigsten Herstellern.
Besonders bei Porsche wird im Vorfeld immer streng validiert und das mögliche Testergebnis so gut wie möglich vorausberechnet. Anschließend geht der Daumen hoch oder runter. In Zuffenhausen müssen sie sich jedoch aktuell gar keine Sorgen machen. Der Porsche 911 Turbo versprüht auch in seiner jüngsten Ausprägung der Generation 992 wieder so viel Respekt, dass sämtliche Kontrahenten das Weite suchen.
Umso erstaunlicher, dass BMW den M8 Competition loseist, um ihn gegen den 911 Turbo in die Schlacht ziehen zu lassen. Wobei: Ganz so glasklar, wie man das Testergebnis vorab vermuten könnte, ist es dann doch nicht. Kann der M8 seinen Leistungsvorteil von 45 PS vielleicht nutzen?
Stichwort BMW: Dort sind sie aus Sportfahrersicht schon vor längerer Zeit an einer entscheidenden Kreuzung falsch abgebogen. Die damalige Vorstandsentscheidung für den dann von 2013 bis 2020 gebauten i8 und gegen das von BMW M fertig entwickelte Sportwagenkonzept war der Weg in eine Sackgasse – mit Anlauf. Das Ende der Geschichte ist bekannt: Der jüngst eingestellte i8 floppte.
Und statt dass sich die Bayern auf ihre einst so gefeierten Tugenden zurückbesonnen hätten, sind die aktuellen BMW-Entscheidungen höchst fragwürdig für Traditionalisten, die die Marke dorthin gebracht haben, wo sie heute steht. Ein Sportwagenkonzept wird auf absehbare Zeit nicht realisiert, vermutlich nie mehr. Im Motorsport knipst man Legenden wie Schnitzer Motorsport das Licht aus und etabliert stattdessen BMW Motorsport in der virtuellen Welt des Sim-Racing.
M8: die Sportwagen-Sehnsucht
Dazu kommen dann noch mediale Fauxpas wie beispielsweise das Video, das BMW USA als Neujahrsgruß auf Instagram postete. Dabei wurde die Sequenz eines M2 CS mit dem V10-Sound eines Lamborghini unterlegt.
Und dann sitzt man heute in diesem Schlachtschiff von BMW M8 Competition – die automobilgewordene Sehnsucht nach einem Sportwagen aus Garching. Prinzipiell ist das Achter-Konzept mehr Comer See als Nordschleife. Ein eleganter GT, dessen primäre Aufgabe es ist, im Alltag optisch zu brillieren und komfortabel zu begleiten. Eigentlich hat ein 1.856 Kilo schwerer Koloss in einem Sportwagen-Vergleichstest nichts verloren. Im Falle des M8 hat die M-Mannschaft jedoch auf grandiose Weise eine Daseinsberechtigung in der Welt des Sports geschaffen.
Ihr wundert Euch wahrscheinlich, warum ich hier nicht sofort fahrdynamisch ans Eingemachte gehe. Ganz einfach: weil der GP-Kurs von Hockenheim aktuell noch klitschnass darniederliegt. Erst Regen, dann Schnee und nochmals Regen begleiten die Produktionsphase dieses Vergleichstests – schnelle Rundenzeiten sind in den Wintermonaten keine Selbstverständlichkeit.
Nach den Fotorunden trocknet gegen Nachmittag zunächst "unsere" Drag-Strip-Messgerade von der Spitzkehre bis Eingang Motodrom zaghaft ab. Zumindest die Beschleunigungs- und Bremsmessungen können jetzt über die Bühne gehen. 11,6 m/s² heißt übersetzt 33,2 Meter – vor einigen Jahren war das beim Thema Verzögerung von 100 km/h auf null noch das höchste der Gefühle im Reich der Sportwagen. Respektabel, wie vehement die Carbon-Keramikbremsanlage und die gute ABS-Regelung den M8 zusammenstauchen.
Verrückt auch, wie katapultartig sich der Fastzweitonner beim Launch-Control-Start ohne spürbaren Schlupf abstößt. Im Hintergrund merkt man jedoch, wie die Allrad- und Getriebesteuerung Schwerstarbeit verrichtet, um bärenstarke 625 PS vollends auf den kalten Asphalt zu klatschen. 3,4 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h beeindrucken, obwohl dabei zwei Zehntel liegen bleiben. Auffälliger als die nicht ganz eingehaltene Werksangabe ist der Bauteilschutz, der bereits nach einem Launch-Control-Start die Intensität des Sprintstarts merklich drosselt. Erst nach einer kurzen Kühlphase kann der M8 wieder seine volle Kraft abrufen.
Im direkten Vergleich merkt man einmal mehr, dass Porsche die Launch-Control-Applikation einfach besser beherrscht als die meisten anderen Hersteller. Der 992 Turbo schnupft die 0–100-Prüfung nicht nur in 2,9 Sekunden weg, sondern reproduziert sie auch wie am Fließband – ohne vorübergehende Leistungsreduktion. Von ebenso hoher Abstimmungskunst zeugt auch der Bremswert. Aus Tempo 100 steht der Biturbo-Elfer nach 31,5 Metern und präsentiert dabei eine noch feingeistigere ABS-Abstimmung als der BMW.
Umstieg zurück in den M8. Mit der spürbar höheren und komfortorientierteren Sitzposition als beim 911 kann der BMW seine GT-Gene nicht verheimlichen. Dass er trotzdem als Wolf im Schafspelz wahrgenommen werden will, hat er schon auf der Autobahn und auf der Landstraße verraten. Der Federungskomfort präsentiert sich im Comfort-Modus nicht wirklich GT-like, sondern mit bereits kernigen Vorboten, was einen da auf der Rennstrecke gleich erwartet.
Motor in "Sport Plus", Fahrwerk in "Sport Plus", Lenkung in "Sport", Bremse in "Sport", xDrive in "4WD" und "DSC off" – fertig ist der querdynamische Zauber-Cocktail. Unfassbar, wie motiviert der M8 versucht, seine 1.856 Kilo im Grenzbereich zu verstecken. Die Carbon-Keramik-Bremsanlage und die ABS-Regelung zaubern einen nicht erwarteten Bremspunkt.
Die Krux der Dynamik-Magie
Anschließend krallt sich der breitspurige M8 dank steifer Fahrwerksanbindung mit kaum spürbaren Karosseriebewegungen in den Kurvenverlauf, glänzt mit Einlenkpräzision und lechzt gefühlt schon weit vor dem Scheitelpunkt nach Last. Das Highlight seines Fahrdynamikauftritts: das variable Antriebskonzept mit den drei Modi 4WD, 4WD Sport und 2WD. Grandios, wie der Allrad im 4WD-Modus auf der Rennstrecke die Kraftverteilung portioniert. Traktionsstark zieht sich der M8 ohne nennenswertes Unter- oder Übersteuern aus den Ecken.
Etwas überspitzt wirkt dabei die Gaspedalkennlinie im Sport-Plus-Modus. Hier passt die Sport-Einstellung besser. Mit aller Macht will der drehfreudige V8-Biturbo namens S63B44Tx, dessen Leistung sich gut fahrbar über eine breites Drehzahlband entfaltet, das gefürchtete Unwort vermeiden. Unwort? Fängt mit "T" an und hört mit "urboloch" auf.
Und dann steht der M8 Competition wieder in der Boxengasse, dampft und schwitzt wie ein Rennpferd, das gerade in Ascot triumphiert hat. Über eine Rundenzeit von 1.52,4 Minuten wäre Anfang der 2000er-Jahre so mancher Markenpokal-Rennwagen mit Slicks froh gewesen – heute fährt das ein schwergewichtiges Coupé mit Straßenzulassung. Die Krux an der Geschichte? Nach einer Runde ist die vermeintliche Querdynamik-Magie mit überhitzenden Bremsen und Reifen vorbei. Viel Masse lässt sich einfach nicht wegdiskutieren.
Fahrzeugwechsel – tiefe Sitzposition, perfekte Ergonomie, willkommen im Porsche 911 Turbo. Wer denkt, ich beschriebe den 911 Turbo jetzt hier besonders positiv, weil meine deutliche Kritik am Turbo S im Supertest anschließend Porsche-intern Wellen geschlagen habe, der irrt. Nein, ich lobe den 911 Turbo heute, weil er mir im aktuellen Testkontext gut gefallen hat. Ungeachtet dessen bleibe ich bei meinen Kritikpunkten (Reifen, Fahrwerksabstimmung, Gewicht, Ansprechverhalten), warum das S-Modell im Supertest auf der Nordschleife nicht schneller als der 991.2-Vorgänger war.
Trockenheit, Regen, Schnee – der Wetter-Mix in der aktuellen Testphase ist quasi ein Festmahl für den breitbackigen Allradhelden. Besonders bei Nässe glänzt der 911 Turbo wie kein anderer Sportwagen mit hoher Fahrsicherheit. Der seelenruhige Geradeauslauf bei motiviertem Autobahntempo sucht seinesgleichen. Spurwechsel bei hohem Tempo präsentiert der 911 Turbo mit einer ausgezeichneten Fahrstabilität.
An dieser Stelle wende ich mich an Reinhard Ammon – einen unserer engagiertesten Leserbriefschreiber, dessen Beiträge ich sehr schätze. Meine Kritik im Supertest am 911 Turbo S, der im absoluten Grenzbereich auf der Nordschleife ein diffuses Fahrverhalten mit teils spitzen und unvorhergesehenen Fahrzeugreaktionen an den Tag legte, nahm er zum Anlass, den Biturbo-Elfer in seinem aktuellen Leserbrief als, Zitat, "frei käufliche lebensgefährliche 680-PS-Waffe" zu bezeichnen.
Lieber Herr Ammon, nach Ihrem Leserbrief habe ich mich noch einmal ganz bewusst darauf konzentriert, ob das auf der Nordschleife herausgefahrene Fahrverhalten im Alltag oder in Hockenheim im aktuellen Test mit dem 911 Turbo reproduziert werden kann. Wenn man sich auf der Autobahn oder auf der Landstraße an die Verkehrsregeln hält, erreicht man nicht einmal 50 Prozent des Grenzbereichs, zu dem der Turbo S auf der Nordschleife fähig ist. Im Alltag ist ein Turbo oder Turbo S daher meilenweit von einem kritischen Fahrverhalten entfernt und keineswegs "lebensgefährlich". Im Gegenteil – wie bereits erwähnt punktet der 911 Turbo hier sogar mit einer besonders hohen Fahrsicherheit.
Auch im Grenzbereich von Hockenheim treten die Nordschleifen-spezifischen Fahrzeugreaktionen nicht auf, da die spezielle Eifel-Topografie hier nicht gegeben ist. Im direkten Vergleich mit dem M8 Competition zeigt der 911 Turbo auf beeindruckende Weise den Unterschied zwischen einem echten Sportwagen und einem, der es gerne wäre.
Auch wenn der 911 Turbo mit 1.656 Kilo ebenfalls kein Leichtgewicht ist, merkt man besonders beim Anbremsen auf der Rennstrecke, was ein Gewichtsunterschied von 200 Kilogramm bedeutet. Die Bremspunkte verschieben sich jetzt noch näher gen Kurveneingang. Die optionale PCCB-Keramikbremsanlage bremst den 911 Turbo nicht nur mit noch höheren Verzögerungswerten, sondern vermittelt im Grenzbereich auch eine noch besser dosierbare Pedalrückmeldung als das Pendant des M8 Competition, dessen Pedalrückmeldung vergleichsweise hart wirkt.
911: Es muss kein Turbo S sein
Während der BMW mit einer recht traditionellen Fahrwerkstechnologie antritt, bearbeitet der 911 Turbo den Grenzbereich mit modernsten Fahrdynamik-Hilfsmitteln à la PDCC-Wankassistent und Hinterachslenkung. Gegen die unmissverständliche Einlenkpräzision der Turbo-Vorderachse wirkt die M8-Vorderachse dann doch ein bisschen stumpf. Nick- und Rollbewegungen im Turbo? Gibt’s subjektiv auch bei diesem Elfer nicht. Dagegen fühlt sich der M8 fast etwas nach Seegang im Hockenheimer Sturm an.
Der Turbo liegt im Grenzbereich wie ein Brett – ein verdammt schnelles Brett. Das optionale PASM-Sportfahrwerk mit einer Tieferlegung um zehn Millimeter optimiert auf der Rennstrecke die Rundenzeiten. Wem jedoch schon der M8 im Comfort-Modus zu kernig federt, der wird auch kein Freund des noch strafferen Normal-Modus im 911 Turbo – vom knackigen Sportmodus der Adaptivdämpfer auf Querfugen ganz zu schweigen. Auf Asphaltstücken, deren Pflege die Straßenmeisterei nicht über Jahre hat schleifen lassen, sorgt das optionale Sportfahrwerk jedoch auch im Alltag für Begeisterung.
Der 911 Turbo trägt die in Format und Typ identische Bereifung wie sein größerer S-Bruder. Das bereits im Turbo-S-Supertest (sport auto 2/2021) ausführlich thematisierte leicht schmierende Gripverhalten der Pirelli-P-Zero-NA1-Bereifung ist eins zu eins auch beim Turbomodell ohne S-Kürzel im Grenzbereich wahrnehmbar. Während der M8 in seinem 4WD-Modus unter Last lange neutral bleibt, drückt das Turbo-Heck im Grenzbereich etwas früher. Bis es so weit kommt, verhält sich jedoch auch der 580-PS-Elfer lange neutral. Lastwechsel taxiert der Turbo unaufgeregt.
Insgesamt fühlt sich das Fahrverhalten von Turbo und Turbo S erstaunlich identisch an. So wirklich spürt man die 70 PS Leistungsunterschied in Hockenheim auf der Parabolika (Topspeed Turbo S: 271 km/h, Turbo: 262 km/h) erst bei der Datenauswertung. Auch ohne S-Kürzel reißt der Turbo den Piloten dermaßen frenetisch aus der Winterlethargie – ganz gleich, ob er den Vmax-Gipfel bei 320 km/h (Turbo S: 330 km/h) erklimmt oder über den Hockenheimring pustet.
Das Ansprechverhalten des leistungsschwächeren Turbo-Aggregats präsentiert sich dabei sogar etwas aufgeweckter als beim großen S-Bruder. Der Drehmoment-Punch von maximal 750 Nm ist zwar nominell um 50 Nm geringer als beim S-Modell, schlägt aber 250/min früher zu (Turbo S: 800 Nm bei 2.500/min bis 4.000/min). Beim Herausbeschleunigen aus den langsamen Abschnitten pusht der 911 Turbo zudem noch gieriger als die stärkere S-Ausbaustufe, die ihren PS-Vorteil dann auf den längeren Volllaststücken ausspielen kann.
Nicht erst nach 1.49,3 Minuten ist klar, dass der 911 Turbo das rundere Gesamtkonzept ist. Den GP-Kurs von Hockenheim absolviert er zwar 1,5 Sekunden langsamer als der Turbo S, aber demontierende 3,1 Sekunden schneller als der BMW M8 Competition. Einmal mehr wird klar, warum man nicht unbedingt einen Turbo S benötigt, um der Sportwagen-Konkurrenz Respekt einzuflößen.