Gemütlichkeit, der Rückzug ins Häusliche und die Besinnung auf traditionelle Werte waren nur drei Erkennungsmerkmale der Epoche des Biedermeier. Und während der Winter für Biedermeier-Stimmung sorgt, rüsten sich drei Kompakt-SUV mit Frontantrieb für den Vergleichstest. Einerseits wollen sie mit der hochsitzigen Gemütlichkeit ihrer SUV-Karosserie und traditionellen Werten unter der Haube gefallen, andererseits gilt es im Mode-segment der SUV, bloß keinen Biedermeier auf die Räder zu stellen. In Datenblattform bedeutet das: Diesel- statt E-Antrieb, mittlere Motorisierung statt Sportmodell, Gemütlichkeit statt Aufregung, verpackt in gefragten, weil mit mehr Bodenfreiheit versehenen Kompakthüllen.
Der Transformer
Der Cupra ist der Neueste im Bunde und kann als Ableger einer noch jungen Sportmarke mit der Epoche des Biedermeier genauso wenig anfangen wie viele Schüler mit eben jener Kunst-Epoche. Statt aufgepumpter Vier- oder Fünfzylinder-Benziner sitzt ein bewährtes Konzern-Multitalent mit zwei Litern Hubraum und 150 PS unter der mattblauen Haube. Nur der Cupra tritt in diesem Vergleich mit einem klassischen Schaltgetriebe an, da er Automatik immer mit Allrad koppelt. Optisch macht er dagegen auf Expressionismus: Die bronzenen Verzierungen und das Logo könnten auch aus der Transformers-Filmreihe stammen.
Dabei gibt er sich als durchaus wandelbarer Charakter und fegt mit seiner direkten Lenkung und dem optionalen Adaptivfahrwerk in Sport-Stellung mit 137 km/h durch die Ausweichgasse. Auf der Landstraße macht er klar, warum er kein Seat geworden ist. Weniger mit dem etwas fehlplatziert wirkenden Laptimer im Digitalcockpit als mit seinem kaum wankenden, agilen Fahrwerk, dem schön durch die Gassen flutschenden Ganghebel und einer Lenkung, die auch ein paar Infos in die Handflächen durchfunkt.
Wie war das noch mit der Gemütlichkeit? Die kommt mit dem Absoften der Adaptivdämpfer. Dann filtert der Formentor geschickt Unebenheiten aus dem Asphaltband. Der Diesel liefert nach einer kurzen Gedenksekunde gleichmäßig Drehmoment und spart am besten. Dank seines niedrigen Gewichts und des sehr lang übersetzten Sechsganggetriebes spuckt der Rechner einen Testschnitt von 6,2 Litern pro 100 km aus.
Allerdings stören die Gemütlichkeit die nicht immer passenden Anschlüsse des Getriebes, die den Diesel in der Stadt gern in den druckleeren Raum fallen lassen. Zudem will die Bedienung des touchbasierten Infotainments gelernt sein. Die Sprachsteuerung agiert zuverlässig, verlangt aber häufig nach fest strukturierten Sprachbefehlen. Auch die unbeleuchteten Slider für Temperatur und Lautstärke sind wie in vielen aktuellen Konzernmodellen ein Ärgernis.
Viel besser gefällt das Platzangebot in der gedrungenen Karosserie mit ordentlich Raum für vier Erwachsene und einem großen Kofferraum. Dafür muss aber schon die Messapparatur ran, denn der Formentor fühlt sich beim Einsteigen weder sehr luftig noch wie ein SUV an. Die Sitzposition ist zehn Zentimeter tiefer als beim GLA , Armaturenträger und Türtafeln bauen hoch. Heimelig? Geschmackssache. Die Sitze stützen größtenteils gut und sind bequem, nur die Ausführung der Stoffmittelbahnen wirkt wenig hochwertig, was auch für das Türtafel-Hartplastik gilt.
Beim Entern der zweiten Reihe muss der Kopf ein wenig eingezogen werden. Zwar dürfte die Rückbank stärker ausgeformt sein, aber das Platzangebot reicht selbst für große Passagiere. Und wie steht es um deren Schutz? Ein aktiver Spurhalte- und ein Stauassistent fehlen dem Cupra, denn die gibt es nur in Verbindung mit Doppelkupplungsgetriebe.
An der Qualität der vorhandenen Systeme gibt es indes wenig zu mäkeln. Die Tempolimit-Erkennung gehört zu den zuverlässigeren ihrer Art, und der Totwinkelwarner kommuniziert über die Leuchtleiste der Ambiente-Beleuchtung, deren Warnsignale besser im Blickfeld liegen als bei Systemen mit selbigen im Außenspiegel. Überdies kombiniert der Cupra die gute Serienausstattung mit dem niedrigsten Grundpreis und fairen Aufschlägen für Extras.
Der Harmoniker
Das kann man vom Mercedes eher nicht erwarten, denn der GLA ist mit großem Abstand der Teuerste dieser Runde. Über 10.000 Euro liegen zwischen den Testwagenpreisen von Mercedes und Cupra; und auch wenn der GLA mit markentypischer Behaglichkeit für viele warme Momente an einem kalten Wintertag sorgen kann, tritt er schon jetzt mit einem großen Handicap im Kostenkapitel an.
Immerhin gibt es viel Auto für das Geld – wortwörtlich, denn der GLA wirft rund 200 kg mehr in den Ring. Umso beeindruckender, wie er seinen beiden Konkurrenten einfach davonbeschleunigt. Eine Sekunde gewinnt er auf Cupra und Mini bis 100 km/h, und auch in der Elastizität liegt die effektive Antriebskombi aus Zwei-Liter-Diesel mit 150 PS und Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe vorn. Dessen untere Gänge sind sehr eng gestuft, was den etwas rau laufenden Selbstzünder stets im optimalen Drehzahlfenster hält. Viel wichtiger: Die Schaltvorgänge geschehen schnell und unauffällig, und selbst das bei DKG-Fahrzeugen oft ruppige Anfahren vollzieht der GLA mit viel Finesse.
Ein echter Mercedes also, ein Biedermeier gar? Hinsichtlich der Dynamik kann er dem Cupra jedenfalls nicht folgen. Vielmehr sticht der gute Federungskomfort des Adaptivfahrwerks heraus, der ohne die großen 19-Zöller noch durch ein besseres Abrollverhalten komplettiert würde. Aber auch so gleitet der GLA angenehm über schlechte Straßen, schwingt sanft nach und wirkt dabei sehr harmonisch. Die lineare Lenkung fügt sich perfekt in das Bild, agiert nicht übermäßig direkt, aber mit viel Gefühl. Die kugeligere Form macht sich schon beim Einsteigen durch die großen Türen bemerkbar. Man sitzt deutlich höher, das Raumgefühl wirkt luftig.
Die nahezu vollständig versammelten Aufpreislisten-Inhalte sorgen für eine edle Materialanmutung und eine hohe Funktionalität. Die mit der Ausstattungslinie Progressive verbauten Komfortsitze entsprechen ihrer Bezeichnung und lassen sich vielfältig einstellen. Zudem glänzt das sehr redundant gehaltene Mbux-System mit der besten und umfangreichsten Sprachsteuerung, ergänzt um Touchpad, Lenkradtasten und Touchscreen.
Allerdings wirkt die Menüführung in tieferen Ebenen etwas unstrukturiert, während die physischen Tasten für die Klimasteuerung ebenso gefallen wie die Direktwahltasten neben dem Touchpad. Zusätzlich zu den beiden Monitoren projiziert ein optionales Head-up-Display Informationen in konfigurierbarer Anordnung auf die Frontscheibe.
Im Fond stimmt das Platzangebot, nur die Sitzflächen stehen etwas zu gerade und bieten wenig Beinauflage. Zugunsten des Gepäckraums lässt sich die Rückbank verschieben, und falls die Weihnachtstanne eine Nummer größer ausfällt, kann man sogar den Beifahrersitz umklappen. Gleichwohl sollte man das Nadelholz gut sichern, denn der Mercedes verzögert mit seiner Optionsbremse aus dem Technik-Paket spürbar vehementer als die Konkurrenz.
Auch sonst lässt sich Mercedes beim Thema Sicherheit nicht lumpen und packt jede Menge gut funktionierende Assistenz in den kompakten SUV. Ebenfalls gut: Bereits ab Werk gibt es zahlreiche Umbauten wie Lenk- und Bedienhilfen oder Sitzanpassungen, um den GLA auch für körperlich eingeschränkte Personen gut nutzbar zu machen. Weniger gut: Diese Umbauten kosten teils stattliche Aufpreise, und die Klimaanlage hatte während des feuchtkalten Wetters mit einer leicht beschlagenden Frontscheibe zu kämpfen.
Der Uneinige
Der Mini kämpft ebenfalls, wenn auch primär mit sich selbst. Denn während sich der Cupra tendenziell locker bis sportlich und der Mercedes harmonisch-gelassen gibt, gelingt es dem Countryman nicht so richtig, sich für einen Weg zu entscheiden. Antriebsseitig koppelt er eine Achtstufen-Wandlerautomatik an den Zwei-Liter-Diesel, schafft es aber nicht, den beiden anderen auf der Messgeraden zu folgen.
Dabei wirkt er mit seiner spitzen Gaspedalkennlinie sehr direkt und springt oft etwas unbeholfen vom Fleck. Der Wechsel in den zahmen, auf Effizienz getrimmten Green-Modus hilft, doch auch in Kurven wirkt der Mini stets etwas sprunghaft. Die sehr zackig ansprechende Lenkung gibt die Richtung vor, die Zeichen stehen auf Sport. Jedoch schubbert der Mini alsbald stumpf ins Untersteuern und erreicht nie die Agilität des Cupra. Gemütlichkeit stellt sich nur bedingt ein, denn das Fahrwerk hoppelt über kurze Wellen. So richtig unkomfortabel ist der Mini nicht, aber seine Abstimmung verspricht eine Dynamik, die er nicht einlösen kann. Dabei wären seine karosserieseitigen Anlagen alles andere als schlecht.
Seine kastige Karosserie mit vielen Mini-typischen Stilmitteln zitiert noch immer – wenn auch in teils karikaturierter Form – den Klassiker von 1959. Trotz seiner kompakten Abmessungen (15 cm kürzer als der Cupra) hat er ein beinahe ebenbürtiges Platzangebot und arrangiert den vorhandenen Raum mit doppeltem Ladeboden und der verschiebbaren Rückbank ziemlich clever. Der Einstieg ist in beiden Reihen bequem, die Sitzposition wirkt aufgrund der niedrigeren Schulterlinie nochmals erhabener als im GLA, obwohl man vier Zentimeter näher an der Straße sitzt.
Der üppige Retro-Chic im Innenraum entzieht sich jeder Biedermeier-Assoziation. Auch die Qualität ist ansprechend, nur die klapprigen Lenkradtasten wirken wie aus dem Fisher-Price-Spielwarenkatalog. Die schicken, aber kleinen Sitze stützen nur mäßig, und während die grundsätzliche Bedienung mit Dreh-Drück-Steller, klassischen Reglern und den hübschen Kippschaltern problemlos gelingt, ist die Menüführung des Infotainments nicht immer klar.
Assistenzseitig hat der Mini nur wenig zu bieten, verzichtet beispielsweise auf Totwinkelwarner und einen aktiven Spurhalteassistenten. Zudem arbeitet der Adaptivtempomat nur bis Tempo 140, und die eher durchschnittlichen Bremswerte aus 130 km/h vergrößern den Rückstand in der Eigenschaftswertung. Im Kostenkapitel kann er noch ein paar Punkte auf den teuren Mercedes gutmachen, vor allem dank seiner halbwegs fair gepreisten Sonderausstattung. Schlussendlich bleibt er aber ein Charakterdarsteller ohne echten Charakter.
So rettet der Mercedes seinen Vorsprung hauchdünn durch das Kostenkapitel und holt den Sieg. Und so sehr der teure GLA mit seinem sparsamen Diesel Gemütlichkeit und traditionelle Werte lebt, bricht er doch mit einem bestimmenden Merkmal des Biedermeier: der Bescheidenheit.