Die rennwagenähnliche Schaltanzeige im oberen Lenkradkranz mit den roten LED-Blitzen ist mehr als ein verspieltes Detail für große Jungs. In Zeiten von immer perfekteren, immer einfacher beherrschbareren, immer kompromissbereiteren, aber durch diesen Perfektionismus oft auch charakterloseren Sportwagen wird es in Zukunft noch mehr auf diese kleinen, aber feinen Details ankommen. Von diesen charakterbildenden Details hat der Ferrari 488 GTB zahlreiche, die das Sportfahrerherz höher schlagen lassen.
Ferrari 488 GTB ein herrlicher Männerspielplatz
Bleiben wir zunächst beim Lenkrad: Nicht nur die bereits erwähnte Schaltanzeige, sondern auch das von anderen Herstellern mittlerweile oft kopierte Manettino macht dieses Carbonlenkrad zum emotionalsten auf dem ganzen Sportwagensektor. Kein billig anmutendes Kunststoffrädchen, sondern ein erhabener Drehschalter macht mit klackenden Geräuschen die Wahl zwischen den Fahrprogrammen „Wet“, „Sport“, „Race“, „CT off“ und „ESC off“ zum Erlebnis.
Doch mit dem Manettino ist das Erlebnis „Lenkrad“ im Ferrari 488 GTB noch längst nicht zu Ende. Neben Knöpfen für die Scheibenwischer, die Blinker sowie die Justierung der Adaptivdämpfer liegt links auf dem Lenkrad auch noch die Fernlichttaste. Wie gemacht für Clubsportrennen und deutsche Autobahnen, ist die Fernlichtaktivierung gut mit dem Daumen erreichbar. Fehlt eigentlich nur noch die aus dem Rennsport bekannte Highbeam-Automatik, um das Fernlicht mehrmals hintereinander automatisch aufblenden zu lassen. 488 GTB, was bist du nur für ein herrlicher Männerspielplatz!
Rennwagenromatik für die Straße
Und der Startknopf darf – für die Rennwagenromantik im Straßenverkehr – natürlich auch nicht am Lenkrad fehlen. Per Daumendruck wird der V8 unter dem schönsten Schaufenster im gesamten Sportwagenbau gestartet. Während mancher Hersteller die Sicht auf sein Aggregat mit Lüftern und Plastikverkleidungen versperrt, macht Ferrari aus Erwachsenen wieder kleine Jungs, die sich die Nase am durchsichtigen Heckdeckel platt drücken.
Fantastisch, denn der Blick fällt auf roten Schrumpflack und viel Sichtcarbon im Motorraum. Übrigens: Der 488-Testwagen trägt insgesamt optionale Carbonteile im Wert von 50.694 Euro. Das entspricht fast dem Gegenwert einer Basisversion des Porsche 718 Cayman (ab 51.623 Euro).
Jetzt wollen wir uns aber nicht weiter von emotionalen Details wie der durchsichtigen Motorhaube, dem bildhübschen Karosseriekleid oder der Nebelschlussleuchte im Formel-1-Rennwagen-Look zu sehr blenden lassen. Im Supertest zählt ja ausschließlich die Performance.
Auf geht's! Nicht nur der Rot-Ton der Lackierung „Rosso Corsa Metallizzato“ ist neu, insgesamt soll der Ferrari 488 GTB 85 Prozent an Neuteilen gegenüber dem 458 Italia tragen. Zentrum der Neuentwicklung ist der Mittelmotor. Der bisher bekannte V8-Saugmotor mit dem internen Kürzel F136 FB ging in Rente und wurde durch den V8-Biturbo aus der Motorenfamilie F154 ersetzt, der seit 2013 in abgewandelter Form unter anderem im Maserati Quattroporte GTS und Ferrari California T arbeitet.
Toller Sound trotz Turbo
Gewittergrollend und mit deutlich bassigerer Stimme legt der Ferrari 488 GTB im Supertest los. Die berstenden Drehzahlspitzen des kreischenden Saugmotor-Vorgängers 458 Italia bleiben zwar unter emotionalen Gesichtspunkten unerreicht, doch für ein aufgeladenes Aggregat klingt der Mittelmotor verdammt gut. Auch wenn meine V8-Lieblingslieder im Hause Ferrari weiterhin von 430 Scuderia und 458 Speciale gespielt werden, muss man sich den 488-Sound nicht zwanghaft schönreden. Bei manch anderem Sportwagenhersteller sind da definitiv mehr Emotionen beim Wechsel vom Saugmotor zu Turbokonzept auf der Strecke geblieben.
Kurzer Blick in die Ferrari-Historie: Richtig, die F154-Aggregate sind die ersten Ferrari-Turbomotoren seit dem V8-Biturbo der Legende Ferrari F40 im Jahr 1987. Im Vergleich zum 458 Italia schrumpfte der Hubraum des 488 GTB von 4.499 auf nun 3.902 Kubikzentimeter. Dank zwei IHI-Turboladern mit Twin-Scroll-Technik wird die Ansaugluft jedoch jetzt mit bis zu 1,3 bar Überdruck in die acht Brennräume gepresst. Der 488 überflügelt seinen Vorgänger um satte 100 PS Nennleistung. 670 PS gibt Ferrari offiziell an. Auf dem Leistungsprüfstand zeigt sich unser Testwagen motiviert und mobilisiert sogar glatte 700 PS, was aber noch im Toleranzbereich liegt.
Das rote Projektil: 8,7 s auf 200
Launch-Knopf auf der Mittelkonsole drücken, Startautomatik aktivieren und dann das knallrote Projektil abfeuern – mit bärenstarker Traktion unterbietet der Hecktriebler in 3,1 respektive 8,7 Sekunden die Beschleunigungswerte seines Vorgängers von null auf 100 und 200 km/h spielerisch (Ferrari 458 Italia: 0–100 km/h: 3,5 s; 0–200 km/h: 10,6 s).
Nicht nur die Beschleunigungswerte, sondern auch die Fahrbarkeit des V8-Biturbo begeistern. Turboloch? Auch das Ferrari-Aggregat zählt zu der neuen Turbomotorengeneration, die das Ansprechverhalten, die Drehfreude und die lineare Leistungsentfaltung eines Saugmotors erstaunlich gut imitieren können.
Drehmoment von 760 Nm im Ferrari 488 GTB
Die Nennleistung liegt jetzt bei 8.000/min an, also 1.000 Touren früher als beim V8-Sauger des 458 Italia. Ein Turboloch können auch Saugmotorfanatiker diesem V8-Biturbo nicht nachsagen. Das maximale Drehmoment wuchs um beachtliche 220 auf 760 Nm. Gegenüber dem V8-Sauger liegt es nun schon ab 3.000 statt wie bisher ab 6.000 Touren an.
Und wie sieht es mit der Querdynamik aus? Kann der Ferrari 488 GTB diese ebenso stark verbessern wie seine Längsdynamik? Ab auf die Nordschleife. Einen ersten, wenn auch kleinen Kritikpunkt gibt es schon im Fahrerlager bei der Vorbereitung auf den Rennstreckenbesuch. Die optionalen Carbonschalensitze überzeugen zwar mit gutem Seitenhalt, könnten jedoch noch tiefer montiert sein. Da das Lenkrad außerdem nur bedingt in der Horizontalebene verstellbar ist, bieten sich in puncto Sitzposition zwei Möglichkeiten, die beide suboptimal sind.
Entweder man sitzt mit eher ausgestreckten Armen hinter dem Lenkrad oder man kauert in Froschhaltung dicht am Lenkrad. Letztere ist speziell für groß gewachsene Personen nicht ideal, da man dann mit dem Helm fast oder sogar leicht den Dachhimmel berührt. Bei einem 488-Grundpreis von 205.402 Euro lässt das Team in Maranello bestimmt mit sich reden und passt Sitz sowie Sitzposition nochmals gerne individuell an Sonderwünsche an.
314 km/h auf der Döttinger Höhe
Doch die Gedanken an die Sitzposition verfliegen schnell, spätestens als der Ferrari 488 GTB im Supertest mit 281 km/h über die Kuppe am Schwedenkreuz rauscht. Der 458 Italia kam in diesem Streckenabschnitt auf maximal 267 km/h.
Einmal tief durchatmen – sobald man sich an den massiven Vortrieb auf der Nordschleife (Fuchsröhre 268 km/h, Döttinger Höhe 314 km/h) gewöhnt hat, lässt sich der 488 in der Grünen Hölle relativ einfach und beherrschbar bewegen. Dabei ist er kein hinterlistiger Mittelmotorsportler vom alten Schlag, der auf Lastwechsel mit zuckenden Bewegungen um die Hochachse reagiert.
Und auf welches Fahrprogramm soll der Drehschalter des Manettino für den Nordschleifen-Besuch am besten justiert werden? „Wet“ und „Sport“ scheiden als Regen- und Alltagsmodus mit spürbaren ESP-Regeleingriffen im Grenzbereich aus. Auch der Race-Modus ist etwas für die Jungs, die sich selbst Racer nennen, aber in Wirklichkeit nur Eisdielen-Racer sind. Im echten Grenzbereich sind auch in diesem Fahrprogramm die Regeleingriffe viel zu stark. Der Race-Modus trägt seinen Namen definitiv zu Unrecht.
Wer nicht gleich aufs Ganze, also „ESC off“, gehen will, dem empfiehlt sich speziell auf der Nordschleife der Modus „CT off“. Hier ist die Traktionskontrolle deaktiviert und das ESP hat sich gefühlt komplett zurückgezogen, steht aber für den absoluten Ernstfall bereit. Regeleingriffe sind auch an den klassischen Streckenabschnitten, wie Ex-Mühle oder Karussell, an denen das ESP manch anderer Hersteller in der Sporteinstellung gerne mal reinfunkt, nicht zu spüren. Im Gegenteil, im Modus „CT off“ sind im 488 GTB auch erstaunliche Schwimmwinkel möglich.
Ferrari 488 GTB schnell und gutmütig fahrbar
Insgesamt zeigt die Berlinetta eine ganz leichte Tendenz zum Untersteuern: Ein Verhalten, das aber auf der Nordschleife deutlich einfacher zu fahren ist als ein zu aktives Heck. Auch die eher weiche Fahrwerksabstimmung passt für den Besuch auf der Eifelpiste sehr gut, da sich der Mittelmotorsportler überall sehr gut abstützen kann. Das mechanische Gripniveau ist in Kombination mit den erstmals erhältlichen optionalen Sportreifen vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 sehr gut. Unter Last punktet der 488 mit guter Traktion und drückt sein Heck, angesichts der gebotenen Leistung, erst relativ spät gen Kurvenaußenrand.
Sprungkuppen und Bodenwellen schluckt der GTB im Supertest mit seiner weichen Fahrwerksabstimmung recht gut. Auf der Kuppe vor dem Schwedenkreuz oder beispielsweise am Pflanzgarten hebt er kurz ab, ohne dass sein Fahrverhalten dabei nervös wird. Etwas mehr Aufmerksamkeit ist beim Anbremsen im Grenzbereich – quasi „auf letzter Rille“ – gefragt.
Automatikmodus im Coupé nicht rennstreckentauglich
Wird mit dem Zweisitzer kurz nach einer Sprungphase, während das Fahrzeug noch entlastet ist (zum Beispiel an besagter Kuppe vor dem Schwedenkreuz), in abschüssigen Bremszonen mit niedrigem Reibwert (Aremberg) oder auf Bodenwellen (vor Metzgesfeld und vor dem Karussell) angebremst, könnte das ABS noch besser arbeiten. Wer hier zu spät bremst, merkt wie das Bremspedal plötzlich verhärtet und die Verzögerungsleistung etwas zurückgeht. Ein ausgewiesener Spätbremser ist der Ferrari 488 GTB also nicht.
Unauffällig gut arbeitet hingegen das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Während allerdings bei anderen Herstellern der Grenzbereich inzwischen am schnellsten im Automatikmodus durcheilt wird, ist im 488 die Automatikelektronik noch nicht perfekt abgestimmt worden. Beim Anbremsen im Grenzbereich schaltet das Getriebe im Automatikmodus erst zu spät runter. Die Automatik eignet sich beim 488 also nur für den Alltag. Auf der Rennstrecke wechselt man die Fahrstufen lieber eigenmächtig im manuellen Modus mit den Carbonwippen.
Dann passt der Zeitpunkt des Gangwechsels perfekt. Laut Ferrari schaltet das Getriebe dank Modifikationen die Gänge nun 30 Prozent schneller hoch und 40 Prozent schneller runter als beim Vorgänger 458 Italia.
Die elektromechanische Servolenkung überzeugt, wie schon im 458 Italia, mit Präzision um die Mittellage. Während sie im Alltag mit ihrer Leichtgängigkeit ein komfortables Lenkgefühl bietet, erfordert die Kombination aus geringem Handmoment und Direktheit um die Mittellage speziell auf der Nordschleife jedoch etwas mehr Eingewöhnungszeit im Grenzbereich.
Bei 200 km/h 205 kg Abtrieb
Laut Ferrari soll der 488 deutlich mehr Abtrieb als der 458 Italia generieren. Hierzu sollen unter anderem der neue Doppelflügel an der Frontschürze, der modifizierte Unterboden, der neue Heckdiffusor mit elektronisch angesteuerten Flaps sowie die Luftführung durch die flügelähnliche Karosserieöffnung am Heck beitragen. Bei 200 km/h nennen die Italiener einen Gesamtabtrieb von 205 Kilogramm. Nur mal zum Vergleich: Der Porsche 911 GT3 RS kommt mit Aerodetails wie den Radhausentlüftungen in den Kotflügeln und einem Monsterheckflügel auf einen Gesamtabtrieb von 144 Kilogramm bei 200 km/h. Wir wollen Ferrari keine falschen Werksangaben unterstellen, aber es wird Zeit, dass wir „unseren“, in der Vergangenheit im Supertest genutzten Windkanal wieder ansteuern, um die Werte selbst zu überprüfen.
Ein subjektiver Vergleich des aerodynamischen Gripniveaus ist jedoch möglich. Gefühlt hatte der GT3 RS im Grenzbereich mehr Abtrieb als der 488. Speziell in den Highspeed-Ecken, wie beispielsweise in den drei schnellen Linksbögen hinter der Bergwerkskurve oder im Bellof-S, fühlte sich die Vorderachse des Ferrari wesentlich leichter als die des Porsche an.
Respekt, Maranello!
Ungeachtet dessen muss man den Hut vor den Italienern ziehen. Ferrari führt auf der Nordschleife deutlich weniger Entwicklungsarbeit als andere Sportwagenhersteller durch. Nur der Supersportwagen Porsche 918 Spyder liegt in der Rundenzeiten-Gesamtwertung noch vor dem neuen Zweitplatzierten 488 GTB (gemessene Werte im Supertest). Mit einer phänomenalen Nordschleifen-Rundenzeit von 7.22 Minuten unterbietet der Biturbo-Held nicht nur den legendären Über-Porsche der Baureihe 997 namens 911 GT2 RS, sondern auch das Abtriebsmonster im LMP-Outfit Gumpert Apollo (beide 7.24 Minuten).
Auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim kürt sich der Ferrari 488 GTB ebenfalls zum Zweitplatzierten in der Supertest-Rangliste – und zwar nur sieben Zehntel hinter keinem Geringeren als dem Porsche 918 Spyder. Respekt, Maranello!
Technik-Spotlight: Der V8-Biturbo
Der Ferrari 488 GTB trägt einen V8-Biturbo aus der intern als F154 bezeichneten Motorenfamilie. Bevor der V8-Biturbo mit 3.902 Kubikzentimetern Hubraum und 670 PS im 488 GTB als F154 CB zum Einsatz kam, wurde er bereits in abgewandelter Form seit 2013 im Maserati Quattroporte GTS (F154 A: 3.797 cm3, 530 PS) und seit 2014 im Ferrari California T (F154 BB: 3.855 cm3, 560 PS) eingesetzt. Im Vergleich zum V8-Saugmotor des 458 Italia baut der neue V8-Biturbo kompakter.
Auch wenn der neue Motor eine leichtere Flat-Plane-Kurbelwelle und leichtere Kolben (jeweils 20 Gramm leichter als beim 458 Italia) trägt, wiegt das Biturbo-Aggregat insgesamt jedoch rund 15 Kilogramm mehr als der frei saugende Achtzylinder. Zur Reibungsreduzierung verfügen die beiden Twin-Scroll-Turbolader über doppelt kugelgelagerte Wellen und Verdichterräder aus einer Titan-Aluminium-Legierung. Ziel war es, eine möglichst direkte Gasannahme zu erreichen und ein mögliches Turboloch zu minimieren. Keine Frage, das ist den Motorenentwicklern des 488 GTB sehr gut gelungen.
Ferrari 488 GTB Coupé | |
Grundpreis | 215.683 € |
Außenmaße | 4568 x 1952 x 1213 mm |
Kofferraumvolumen | 230 l |
Hubraum / Motor | 3902 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 492 kW / 670 PS bei 8000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 330 km/h |
0-100 km/h | 3,1 s |
Verbrauch | 11,4 l/100 km |