Ganz ehrlich: Als meine ersten Fahreindrücke auf Papier und im Netz standen, so schwarz auf weiß und triefend vor Begeisterung, kam ich ein bisschen ins Grübeln. War das, was da auf Fords Testgelände passiert ist, wirklich so außergewöhnlich? War die Strecke dort mit ihren vielen Kuppen, die einen immer schön reinlupfen in die Kurven, dem Fahrverhalten des Ford Focus RS nicht einfach nur auf den Leib geschneidert? Und ist das Allradsystem mit seinen beiden unabhängig gesteuerten Kupplungen an jedem der Hinterräder wirklich der Fahrspaßweisheit letzter Schluss? Oder ist das Handling, vor dem ich mich einst verneigte, am Ende eines harten Tests vielleicht gar nicht mehr so fantastisch wie verfasst?
Sechsganghandschalter in Ford Focus RS
Jetzt, als er dasteht in der Boxengasse des Hockenheimrings, knistert, knackt, nach automobiler Verausgabung duftet und die ganze Eindruckschinderei hinter sich hat, wissen wir: Oh doch, es ist genauso fantastisch. Allerdings: Eine Bedingung gibt es dafür. Du musst den Ford Focus RS verstanden haben, musst begreifen, was er sein will, und vor allem: was nicht. Und ob du dazu in der Lage bist, merkst du eigentlich schon kurz nach dem Einsteigen.
Denn ja, das Cockpit, seine Gestaltung und die Ergonomie mit den zu hoch montierten, ansonsten vorzüglichen Recaro-Sitzen und dem zu kurz geratenen Verstellbereich der Lenksäule sind nicht ganz optimal. Wer sich daran stört, darf jetzt gern ausscheren und in den Unisexanzug aus Wolfsburg schlüpfen beziehungsweise sich zur optischen Rekonvaleszenz durchs Premium-Bussibussi des RS 3 konfigurieren (>>> Vergleich RS3 vs A45 AMG). Ich wünsche gesegnete Unterhaltung dabei.
Alle anderen haben sich qualifiziert für das, was folgt. Weil es sie offenbar nicht juckt, wie soft sich die Oberflächen touchen lassen, solange da oben auf dem Armaturenträger drei Zusatzinstrumente für Turboboost, Öltemperatur sowie Öldruck stehen und zwei Stockwerke tiefer der Schalthebel. Im Ledersäckchen, mit H-Schema, kurz-prägnanten Gassen und sechs Gängen – so wie sich das in dieser Klasse eben gehört.
Neben dem Peugeot 308 GTi ist der Focus RS tatsächlich der Letzte seiner Art, der sich und seine Kundschaft auf ein Schaltgetriebe festnagelt. Ganz kurz habe man über einen Doppelkuppler nachgedacht, geben die RS-Jungs zu, um dann noch mal zu betonen: „Nur ganz kurz!“ Und irgendwie versinnbildlicht diese Entscheidung die ganze Philosophie, die hinter der RS-Version des Focus steckt – und auf jedem Kilometer aus ihm heraussprudelt. Motto: Wir pfeifen auf die letzten Zehntel und bauen ein Auto, das einen involviert, das sich vom Fahrer anfassen lässt und ihn deshalb berührt.
Vierzylinder-Power statt Fünfzylinder-Emotionen
Bloß wie soll das gehen, wo man ihm im Zuge des Modellwechsels ausgerechnet sein Herzstück amputierte? Im vergangenen Focus RS pochte ein Fünfzylinder (Gebrauchtwagen-Check). Er war das emotionale Zentrum des Ganzen, alles andere war quasi nur um ihn herumgebaut. Doch dann kam die EU mit ihren Abgasvorschriften ums Eck und killte das Volvo-Aggregat. Der Nachfolger stammt aus dem Mustang Ecoboost, ist bedauerlicherweise vierzylindrig, mit 350 PS und 440 Nm nominell aber schon dort, wo sein Vorgänger erst in seiner ultimativen Ausbaustufe hinkam. Und auch wenn es noch immer schmerzt, ein Rückschritt ist der Motorwechsel nicht.
Im Gegenteil: Der neue 2,3-Liter-Turbo legt galliger los, baut dank Twinscroll-Anströmung flinker Druck auf und hält ihn länger aufrecht als der, wenn wir ehrlich sind, schon etwas pomadig drehende Zwo-Fünf von einst. Das ist fühlbar, und drückt sich auch in den Messwerten aus.
Auf rund 5.000 Umdrehungen regelt die Launch Control die Startdrehzahl für Sprints ein, dann nur die Kupplung schnalzen lassen und der Focus zieht mit vier schwarzen Strichen los. Bilanz: 5,2 Sekunden bis 100, womit er zwar weit oberhalb seiner optimistischen Werksangabe bleibt, aber eben auch deutlich unterhalb seiner frontgetriebenen Vorgänger.
Zweiter Gang zu kurz übersetzt
Bemerkung am Rande: Der zweite Gang ist einen Tick zu kurz übersetzt, sodass man knapp vor 100 km/h in die Drehzahlbereiche um den Begrenzer gelangt, wo der Vortrieb abebbt. Wenn sie also da noch ein bisschen mehr und dort noch ein bisschen weniger, dann hätte, wäre vielleicht ... – was schreib ich hier, um Zehntel geht es ja gerade nicht!
Viel essenzieller ist jedenfalls, dass seine Akustik trotz der uniformierten Zylinderzahl nicht im Mainstream versuppt. Der Grundtenor wirkt zwar nicht mehr ganz so füllig wie zuvor, das dumpfe Knurren beim Hochdrehen hat aber durchaus Flair, zumal die Klappenabgasanlage in den schärferen Modi den Bass noch etwas aufdreht. Die Genussempfehlung: Sport-Modus, Fenster ein Stückchen runter, voll durchbeschleunigen bis Sechs'nhalb, zackig hochschalten, dann schießt es den überschüssig eingespritzten Sprit mit einem zünftigen Böllerschlag derart durchs Doppelrohr, dass sich alle Insassen direkt gänsehäuten.
Ernst bleiben, denn natürlich sind die Fahrprogramme weit mehr als ein Tool zum Abmixen des Soundtracks. Vier gibt es an der Zahl, auf die sich je zwei Konfigurationen für Fahrwerk, Lenkung, Gasannahme und Motorcharakteristik sowie vier für das Allradsystem verteilen. Und weil das hier ein Test ist, müssen wir sie halt kurz durchfahren, miteinander. Steigen Sie also ein.
Driften? Eher Übersteuern!
Ähem, 'tschuldigung, Beifahrersitz bitte, den anderen geb ich nicht mehr her. Mit „Normal“ geht's los. Da klingt der Motor gedämpft, während sich das adaptive Fahrwerk um größtmöglichen Komfort bemüht. Wie gesagt: Bemüht! „Sport“ belässt die Dämpfer, die wie die dreistufige ESP-Systematik auch modusunabhängig einstellbar sind, in der Grundstellung, schärft gleichzeitig aber Lenkkraft, Gaspedalkennung und Kraftverteilung nach, sodass eine lockerrockige Abstimmung entsteht. Ideal, um zwischen zwei Käffern mal ein paar Kurven zu vernaschen, schön mit einem sauberen Cut durchs Bankett, damit der Schotter durchs Radhaus prasselt. Eh klar.
Beim bisherigen Focus RS war an dieser Stelle Schluss, bei allem Respekt vor seinen Rundenzeiten und bei aller Gaudi, die er geboten hat. Der Neue jedoch fängt hier erst an, interessant zu werden: mit den Programmen „Track“ und „Drift“, wobei vor allem Letzteres nach Erklärung verlangt. Ein Drift ist gemäß unserer Auffassung ein Balanceakt zwischen Dreher und Neutralität. Man leitet ihn ein, per Lastwechsel zum Beispiel, und justiert dann per Gas und Lenkung den Winkel nach, was je nach Auto und Tempo mehr oder noch mehr Fahrgefühl erfordert.
Der Allradantrieb des Ford Focus RS verringert für dieses Kunststück nun den Schwierigkeitsgrad, erreicht im Gegenzug aber auch nicht ganz dasselbe Niveau – weder in der Dramatik noch in der Quere an sich. Die Gebrauchsanweisung ist simpel: Modus an-, ESP abwählen, harsch einlenken, Vollgas geben, nun verschiebt sich die Kraftverteilung entlang der Hinterachse in Richtung des kurvenäußeren Rades und der Hintern drückt raus. Die Nummer lässt sich dann je nach Kurvenradius, Drehzahlbandlänge des gewählten Gangs und Gewissensbissigkeit ausdehnen bis Ultimo, bleibt stets im Rahmen und daher wahrscheinlich eher ein kontrolliertes Übersteuern als ein waschechter Drift.
Brillantes Handling im Ford Focus RS, starker Preis
Am Ende ist das Rumgeschwänzel vielleicht bloß eine Spielerei, aber sie illustriert die Gelenkigkeit des Antriebs, die Ford auch für das „Track“-Programm ausnutzt – in vernünftigem Maß versteht sich. Der RS führe wie ein Hinterradler, haben sie uns damals erzählt. Never, war der erste Gedanke dazu, was wir hiermit revidieren. Natürlich erreicht man nicht die Querdynamik eines BMW M2, so ein M135i bewegt seinen Po aber nicht halb so salopp! Trotz einer mit 58 Prozent sehr kopflastigen Gewichtsverteilung weigert sich der Focus zu untersteuern. Im Slalom, kurveneingangs und vor allem auch unter Last, weil da der Antrieb ja schon wieder mit seinen Drehmomentverrenkungen beginnt. Sprich: Das Handling ist brillant. Einlenken, gleich ans Gas, etwas korrigieren und wieder von vorn.
An die Platzhirsche von Mercedes-AMG und Audi Sport reicht er dennoch nicht heran. Dazu fehlt ihm der letzte Biss beim Anbremsen und etwas Schmackes geradeaus – auch weil er mit knapp 1,6 Tonnen ganz schön was zu schleppen hat. Nur muss sich der Focus RS überhaupt mit der Spitze messen? Preislich spielt er mindestens eine halbe Liga unter A 45 und RS 3. Glatte 40.000 nimmt Ford für seinen Spaßsportler – so viel wie VW für einen schwächeren und undynamischeren VW Golf R. Ist doch irgendwie fantastisch, oder?
Fazit
Der Helmreich ist doch ein Fähnchen im Wind. Mal zieht er ein Auto seitenlang durch den Kakao, weil auf der Strecke zwei Zehntel fehlen, und das hier wird sogar noch gefeiert dafür. Zur Selbstverteidigung: Ford hat den Focus RS nicht zum Trackracer auserkoren, sondern ein Handling versprochen, das sich nach Hinterradantrieb anfühlt. Und alle, die schimpfen, dass er das nicht halte, saßen nie drin. Zum anderen gibt es schon zwei Ansatzpunkte, um Vergleiche zu ziehen: die Leistung und den Preis. Mit 350 PS bewegt er sich im Dunstkreis der Großen. Und ja, deren Dynamiklevel erreicht er nicht. In seiner Preisregion jedoch – und die Kohle ist hier ein durchaus entscheidender Faktor, finde ich – gibt er den Ton an. In allen Belangen. Aber: Ich hab mich schon auch in ihn verguckt, vor allem weil er das mit dem Kompaktsport nicht so bierernst nimmt. Und das ist eine Besonderheit, seitdem man sich die Nordschleifen-Rekorde ja nur so um die Ohren haut.
Ford Focus RS RS | |
Grundpreis | 40.975 € |
Außenmaße | 4390 x 1823 x 1470 mm |
Kofferraumvolumen | 260 bis 1045 l |
Hubraum / Motor | 2261 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 257 kW / 350 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 268 km/h |
0-100 km/h | 5,2 s |
Verbrauch | 7,7 l/100 km |