Waschechte Charakterköpfe trifft man auch unter den sportlichen Fahrzeugen immer seltener. Umso tragischer ist es, wenn man einem dieser Charakterköpfe im Supertest attestieren muss, dass er auf der Nordschleife "durchgefallen" ist. So geschehen beim Mustang GT, der zwar im Alltag mit seinem rustikalen V8-Charme begeisterte, in Supertest 11/2020 aber mit thermischen Problemen nicht mal eine Runde im Grenzbereich auf dem Ring durchgehalten hat. Alles Technikschnee von gestern, verspricht Ford und preist uns nun den Mustang Mach 1 als Nordschleifen-standfest an. Wirklich? Feuer frei!
Anbremsen aus 200 km/h auf die Bergwerk-Rechts, anschließend wieder Schwung holen fürs Speed-Bergsteigen im Kesselchen, und dann wird es spannend: Hält er oder hält er nicht? Die Rede ist vom bassig brodelnden Fünfliter-Achtzylinder aus der Coyote-Motorenbaureihe.
Am Ende des rechten Bergwerk-Curbs schwächelte der V8-Frankenstein nämlich beim letzten Nordschleifen-Ausflug. Hier überhitzte das Achtzylinder-Triebwerk des Mustang GT und reduzierte anschließend seine Motorleistung so extrem, dass das Pony unter Volllast nur noch mit maximal 120 km/h trabte. Um in Supertest 11/2020 eine volle Nordschleifen-Runde absolvieren zu können, musste verfrüht (bei ca. 6.000/min) hochgeschaltet werden, um die Thermikprobleme halbwegs in den Griff zu bekommen. Ergebnis für den GT: Im Bummeltempo ging’s nicht schneller als in 8.18 Minuten über die Schleife.
Jetzt Nordschleifen-standfest!
Ganz anders heute: Im Kombi-Instrument plustert sich das digitale Balkendiagramm (Anzeige im Rennstreckenmodus) immer wieder motiviert bis kurz vor die Drehzahlgrenze 7.500/min auf. Anders als im GT steht jetzt ungeniertes Ausdrehen auf dem Programm. 460 PS und 529 Nm feiern ungehemmt die Nordschleife. Der Mach 1 repräsentiert hierzulande die stärkste Eskalationsstufe im Mustang-Stall.
Neben dem Bullitt ersetzt der Mach 1 außerdem den bei uns nicht offiziell, sondern nur in den USA erhältlichen Shelby GT350. Auf dem US-Markt rangiert oberhalb des Mach 1 jetzt nur noch das PS-Monster Shelby GT500 mit seinen 771 Wildpferden. Gute Nachrichten für Mustang-Fans mit Nordschleifen-Leidenschaft: Leistungseinbrüche müssen im Mach 1 nicht mehr gefürchtet werden. Sämtliche Testrunden in der Eifel erträgt das Sondermodell thermisch unauffällig und Nordschleifen-standfest!
Wie das geglückt ist? Neben den großflächigeren Lufteinlässen an der Front nutzt der Mach 1 zahlreiche Bauteile, die auch schon dem Shelby GT350 Beine gemacht haben. So übernimmt das neue Editionsmodell nicht nur den Motorölkühler des GT350, sondern auch sein Motorölfiltersystem, das den Schmiermittelkreislauf stabilisiert. Auch der Getriebeölkühler stammt aus dem GT350.
Auch den Ansaugkrümmer sowie das Drosselklappengehäuse samt der 87 Millimeter großen Drosselklappe schnappt sich der Mach 1 vom Shelby GT350. Nicht nur unter Volllast, sondern bereits beim Drücken des Startknopfs zieht das Achtzylindergewitter nun noch intensiver auf als einst schon beim GT. Die Endrohre mit einem Durchmesser von je 11,4 Zentimetern stammen übrigens vom GT500.
Erst den dritten Gang ausmosten, dann den vierten Gang reinprügeln. Nicht nur dank seines emotionalen V8-Sounds, sondern auch wegen des spontanen Ansprechens und der gleichmäßigen Leistungsentfaltung reist man im Mach 1 in die Hochzeiten klassischer Saugmotortriebwerke zurück. Herrlich – back to the roots!
Im gestreckten Galopp prescht der Mustang Mach 1 durchs Kesselchen. Volllast vom Bergwerk bis zur Mutkurve. Weder im schnellen Linksknick noch kurze Zeit später auf der Rechts-links-Welle zuckt der Fuß vom Fahrpedal. 226 km/h verrät später die Datenauswertung als Topspeed in diesem Streckenabschnitt – in heutigen Nordschleifen-Zeiten beileibe kein Höllentempo im Kesselchen, aber im Mach 1 fühlt sich das Ganze wesentlich schneller an.
Modernes Oldschool-Theater
Beim aktuellen Mustang sind es weniger die Zahlen, die für Begeisterungsstürme sorgen, sondern sein Fahrgefühl, das schwer an die Vergangenheit erinnert. An Zeiten, in denen der Fahrer ein Automobil im Grenzbereich noch zähmen musste. An Zeiten, als elektronische Helferlein, die den Piloten das Handwerk weitgehend erleichtern, noch nicht geboren waren. Kurz: Der Mach 1 fährt herrlich authentisch, obwohl er natürlich mit ABS, ESP und verschiedenen Adpativ-funktionen (Dämpfer, Lenkung) in der Gegenwart lebt.
Der Purismus vergangener Tage blüht beispielsweise mit dem Mix aus Kupplungspedal samt kerniger Pedalkraft und dem manuellen Tremec-Sechsganggetriebe TR-3160 wieder auf. Jene Schaltbox mit Schaltwegverkürzung entstammt übrigens auch dem Teilefundus des Shelby GT350. Sicherlich gibt es andere Handschaltungen, die mit feinerer Gassenführung und höherer Präzision aufwarten, aber es ist schon ein großes Fahrspaßspektakel, wenn der Schaltstock mit Schaltknauf im Format einer weißen Billardkugel knackig durch die Gassen gerissen wird.
Bei all dem Oldschool-Theater: Eigentlich hetzt der Mach 1 nicht in wilder Rodeomanier über die Nordschleife. Eigentlich, es sei denn, man streut beim Anbremsen aus hohem Tempo in langsamen Nordschleifen-Kurven doch einmal den zweiten Gang ein. Keine ganz abwegige Idee, angesichts der extrem langen Gangübersetzungen des Sechsganggetriebes. Wer jedoch etwas zu motiviert die zweite Fahrstufe reinhämmert, dem keilt der hinterradangetriebene Gaul beim Zurückschalten auch schon mal brachial aus – trotz automatischer Zwischengasfunktion mit Drehzahlanpassung.
182 km/h, anbremsen, vierter, dritter, zweiter Gang – in der lang gezogenen Rechtskurve "Klostertal 2/ Anfahrt Steilstrecke" wollte der Mach 1 während einer Testrunde beim Runterschalten mit einem massiven Quersteher einmal fast in die innenliegende Rettungstasche am Posten 140 abbiegen. Zackiges Gegenlenken bei zeitgleichem Lasteinsatz korrigierte den Quersteher noch in einen lang gezogenen Drift. Auch das kann der Mach 1 mit seinem serienmäßigen Sperrdifferenzial ausgezeichnet.
Zwischengas-Legastheniker sollten also der automatischen Zwischengasfunktion nicht blind vertrauen und den zweiten Gang auf der Nordschleife lieber nur in der mit 68 km/h sehr langsamen Wehrseifen-Linkskurve nutzen. Ansonsten lieber einen Schaltvorgang sparen und den V8 leicht untertourig ums Eck ziehen. Weniger ist im Falle dieser Gangart auf der Stoppuhr defintiv mehr.
Und was hat der Mach 1 sonst noch so fahrdynamisch auf dem Kasten? In Zeiten, in denen Unter-sieben-Minuten-Rundenzeiten scheinbar zum Nordschleifen-Standard zählen wie Super Plus an Rettis Ringtanke, macht das Mustang-Editionsmodell einem mal wieder bewusst, was überhaupt eine Rundenzeit unter der Acht-Minuten-Marke bedeutet.
Schon auf den ersten Nordschleifen-Metern, zwischen dem Hatzenbachbogen und vor den Hatzenbach-Wechselkurven, spürst du im Mach 1 mal wieder, wie viele Bodenwellen die Nordschleife immer noch hat. Während andere Sportwagen, die einen Großteil ihres Entwicklungslebens auf der Nordschleife verbringen, diese Fahrbahnwellen mit ihren minutiös abgestimmten Dämpfern gekonnt wegfiltern, scheint der Mustang hier regelrecht über die Fahrbahnunebenheiten zu springen.
Oder sind es nur die sofaähnlichen Sitze, die einen hier so durchschaukeln? Sicherlich ein Mix aus Fahrwerksabstimmung und den Sitzen. Zunächst zum Gestühl: Der Mach-1-Testwagen trägt die serienmäßigen Sitze, die zwar Klimatisierung für den wilden Westen bieten, für die aber Seitenhalt und eine sportliche Sitzposition Fremdwörter sind. Dann doch lieber die manuell verstellbaren Recaro-Sitze (Aufpreis 1.800 Euro) wählen, die der GT in Supertest 11/2020 trug, die dort allerdings mit ihrer weichen Polsterung auch nicht übermäßig sportiv wirkten. Wer mit dem Mach 1 öfter Trackdays und Touri-Fahrten einplant, sollte über die Nachrüstung von ernsthaften Schalensitzen nachdenken.
Die klimatisierten und elektrisch verstellbaren Seriensitze sind auch ein Grund, warum der Mach 1 mit 1.776 Kilo 12 Kilo schwerer als der GT ist. Fahrwerksseitig spürt man das hohe Gewicht im Grenzbereich zwar jederzeit, dessen ungeachtet profitiert der Mach 1 von seinen Fahrwerksmodifikationen querdynamisch aber deutlich.
Auch beim Thema Fahrwerk bedient sich der Mach 1 bei seinen Shelby-Brüdern. Die Hinterachsaufhängung mit steiferen Buchsen stammt aus dem GT500. Neben höheren Federraten und Stabis mit größerem Durchmesser (Durchmesser vorne: 33,3 mm statt 32 mm beim GT, hinten: 24 mm statt 21,7 mm) wurden auch die Kennlinien der Adaptivdämpfer angezogen. Im straff abgestimmten Rennstrecken-Dämpfermodus präsentiert sich der Mach 1 mit reduzierten Aufbaubewegungen Querdynamik-fokussierter als der GT.
Der Mach 1 überflügelt den GT nicht nur längsdynamisch, sondern auch fast durchweg mit höheren Kurvengeschwindigkeiten. Mit gesteigerter Lenkpräzision bleibt der Mach 1 länger neutral, bevor er am Limit mit steigendem Einlenkwinkel in ein sanftes Untersteuern drängt. Auch allzu späte Bremspunkte provozieren ein Schieben über die Vorderachse.
Angesichts seines üppigen Gewichts macht der Mach 1 seine Sache aber beim Verzögern gut. Das leicht stumpfe Bremspedalgefühl passt genauso wie das hohe Handmoment der nachgeschärften Adaptivlenkung im Sportmodus zum sympathisch-rustikalen Charakter. Die Brembo-Stopper ertragen die Nordschleifen-Tortur standfest. Neue Finnen am Unterboden verbessern die Bremskühlung. ABS-Eingriffe auf letzter Rille liefern sicherlich Nordschleifen-Entwicklungsdauergäste noch feinsinniger, aber auch in neuralgischen Anbremszonen leistet sich der Mach 1 keine groben Schnitzer.
Unter Last krallt sich die Hinterachse überraschend traktionsstark in den Asphalt. Für präsentes Leistungsübersteuern müsste es dann doch ein Shelby sein. Und so lässt sich der Mach 1 erstaunlich gutmütig über die Schleife hetzen – mit 7.58,29 Minuten respektable 20 Sekunden schneller als zuvor sein GT-Bruder.
Mit dem nur auf dem US-Markt erhältlichen "Mach 1 Handling Package" könnte die Rundenzeit sicherlich noch getoppt werden. Dann tritt der Mach 1 mit breiteren Felgen und Reifen vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 (Vorderachse: 10,5-Zoll-Leichtmetallfelgen mit 305/30 R 19, Hinterachse: 11,0-Zoll-Felgen mit 315/30 R 19), einstellbaren Domlagern und einem Aero-Pack (Frontsplitter, Heckflügel mit Gurney Flap) an. Doch sind wir mal ehrlich: Auch der Mustang Mach 1 generiert seine Faszination in erster Linie nicht über die Rundenzeit, sondern hauptsächlich über seinen emotionalen Auftritt.
Die wichtigste Nachricht vorweg: Anders als das GT-Modell ist der Mustang in der Mach-1-Spezifikation durch sein verbessertes Kühlpaket jetzt auf der Nordschleife absolut standfest unterwegs. Leistungsverlust durch thermische Probleme gehört der Vergangenheit an. Dadurch kann er auf der schnellen Runde seine Motorleistung dauerhaft voll abrufen. Die deutlich verbesserte Rundenzeit geht jedoch auch auf das Konto der optimierten Lenkpräzision im Vergleich zum GT. Der Mach 1 bleibt länger neutral, bevor er im Grenzbereich zu einem sanften Untersteuern tendiert. Insgesamt ist er am Limit einfach beherrschbar.
Vor allem beim Anbremsen auf die engen Kurven des GP-Kurses im Hockenheim ist beim Zurückschalten in den zweiten Gang ein sensibles Einkuppeln gefragt. Bei zu motiviertem Reinhämmern des zweiten Gangs blockieren, trotz automatischer Zwischengasfunktion mit Drehzahlanpassung, auch gern mal die Hinterräder. Folge sind Quersteher des Hecktrieblers. Während sich der Mach 1 in den zumeist lang gezogenen Nordschleifen-Kurven weitgehend neutral verhält, drückt er hier beim Herausbeschleunigen aus engen Ecken im zweiten Gang (beispielsweise aus der Spitzkehre oder Turn 8) präsent mit dem Heck.
Im Vergleich zum GT-Modell beschleunigt der Mach 1 eine Sekunde schneller aus dem Stand auf Tempo 200. Mit einem Bremsweg von 137,3 Metern aus 200 km/h auf null verzögert der Mach 1 auch besser als der Mustang GT in Supertest 11/2020 (Bremsweg aus 200 km/h: 140,4 Meter).
Da der von uns einst für den Supertest genutzte Windkanal nicht mehr zur Verfügung steht, handelt es sich auch bei diesen Aero-Angaben um Werksangaben. Anders als hierzulande ist der Mach 1 in den USA auch mit „Mach 1 Handling Package“ erhältlich, das die Aerodynamik optimiert.
Der Mach 1 tritt mit dem gleichen Reifen wie schon der GT an, allerdings auf jeweils um ein halbes Zoll breiteren Rädern an der Vorder- und Hinterachse. Diese Modifikation sowie die Fahrwerksänderungen verhelfen dem Mach 1 zwar zu höheren Kurventempi, nicht aber zu höheren Querbeschleunigungswerten als dem GT. Die Querbeschleunigung ist jedoch stark von der Linienwahl abhängig.
Im Vergleich zum Basis-Mustang wirkt alles eine Spur satter und handfester, was sich in den erreichten Geschwindigkeiten widerspiegelt. Die fahrdynamische Grundcharakteristik hat sich jedoch nicht verändert: leicht verzögertes Einlenken, braucht Ruhe am Lenkrad, spürbare Bewegung im Aufbau und sicher bei Schleppgas. Das Gripniveau ist hervorragend, der Grenzbereich jedoch eher schmal.
Auch in der schnellen Ausweichgasse machen sich die Fahrwerksmodifikationen positiv bemerkbar. Der Mach 1 bleibt lange neutral bis leicht untersteuernd, bei hartem Einlenken und Umsetzen am Limit kehrt sich das Verhalten in leichtes Übersteuern. Die Rutscher sind leicht zu handeln, aber die Karosserie kippelt unangenehm, wenn das Heck mit den grippigen Michelins wieder einrastet.
Fazit
Eigentlich ist es völlig egal, welche Rundenzeiten der Ford Mustang Mach 1 abliefert. Die moderne Oldschool-Interpretation des Pony-Cars begeistert nicht nur dank ihrer knochigen Handschaltung und des bassigen V8-Saugers mit rustikalem Charme vergangener Automobilzeiten. Abseits des emotionalen Auftritts liefert der Mach 1 jetzt aber auch aus querdynamischer Sicht deutlich mehr Argumente als zuvor das GT-Modell.
Ford Mustang Coupé 5.0 Ti-VCT V8 MACH 1 | |
Grundpreis | 67.000 € |
Außenmaße | 4797 x 1916 x 1403 mm |
Kofferraumvolumen | 408 l |
Hubraum / Motor | 5038 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 338 kW / 460 PS bei 7250 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 267 km/h |
Verbrauch | 13,6 l/100 km |