Weinstadt bei Stuttgart. Klingt beschaulich, ist es auch. Doch mitten in den Weinbergen im Remstal gibt es herrliche Kreisstraßen mit traumhaften Kurvenkombinationen, die Sportwagen-, Oldtimer- und Motorradfahrer magisch anziehen. Und natürlich auch die sport auto-Crew. Umso besser, wenn dann noch ein Gebrauchtwagenhändler wie Stowasser & Schmalzried, auch unter S&S Automobile bekannt, in der gleichen Ecke zu Hause ist. Geführt von den Zwillingsbrüdern Marc und Jürgen Stowasser, hält das Unternehmen in Weinstadt immer um die 40 Autos aus Zuffenhausen bereit. Auch gebrauchte Tesla stehen auf dem Hof, aber der Fokus liegt klar auf Porsche.
Für uns also die ideale Adresse, um die letzte Generation Porsche Boxster und Cayman Typ 981 bzw. 981c unter die Lupe zu nehmen. Die bis 2016 gebauten Mittelmotorsportler hatten bekanntlich frei saugende Sechszylinder verbaut, bis sie von Vierzylinder-Boxern mit Turboaufladung abgelöst wurden – die ein eklatantes Klangproblem haben.
Starke Nachfrage nach Sechszylinder-Modellen
Ganz anders die 2,7 respektive 3,4 Liter großen Sixpacks unserer Fotomodelle. Unsere Begleiter für die nächsten Stunden: ein schwarzer Porsche Cayman mit 275 PS starkem Basismotor und ein anthrazitbrauner Porsche Boxster S mit 315 PS. Beide als Gebrauchtwagen, beide mit PDK, schicken 20-Zöllern und Klappenauspuffanlage ausgerüstet. „Autos wie die beiden hier stehen bei uns rund eine Woche, dann sind sie verkauft“, sagt Marc Stowasser über die starke Nachfrage nach den Sechszylinder-Modellen.
Je nach Ausstattung, Typ, Baujahr und Kilometerstand müssen mindestens 37.000 bis deutlich über 100.000 Euro investiert werden – wobei sechsstellige Beträge nur für die exklusiven Varianten Boxster Spyder und Cayman GT4 aufgerufen werden.
Generell sei der Boxster 981 noch gefragter als der Cayman 981c, so Stowasser. Welche Farben?„Schwarz geht immer, doch die Boxster haben wir in Anthrazitbraun öfters verkauft als in Schwarz.“ Auch wenn die Farbe Weiß beim Porsche 911 langsam an Beliebtheit einbüßt, sind weiße Cayman gesucht. Grund: Sie wurden selten ab Werk so ausgeliefert. PDK oder Schalter? Das Angebot dominieren die Doppelkuppler, dieser Getriebetyp war seinerzeit einfach der letzte Schrei.
Heiser röcheln die Sechszylindermotoren im Standgas
Außerdem haben gewitzte Porsche-Verkäufer ihren Kunden das mindestens 2.800 Euro teure Extra nur allzu gerne mit ein paar flockigen Argumenten aufgeschwatzt. Apropos: Genug mit Worten jongliert, die geschwungenen Kreisstraßen in den Remstaler Weinbergen rufen. Heiser röcheln die Sechszylindermotoren im Standgas. Schnell noch die roten Nummern fixiert und das Telefon im Handschuhfach verstaut – und ab dafür.
Start im Cayman mit 275-PS-Basismotor. Das drei Jahre alte Coupé aus erster Hand hat 40.000 Kilometer runter, ist top ausgestattet und soll 49.900 Euro kosten. Schon beim gediegenen Warmfahren zeigt sich: Einfach klasse, wenn das Triebwerk nicht bleischwer auf der Vorderachse herumlungert, sondern hinterm Rücken vor sich hin gurgelt. Dank ultrapräziser Lenkung und hecklastiger Gewichtsverteilung fühlt man sich schon an der Verkehrsinsel wie im Castrol S.
Für Grinsen im Cockpit sorgt heute auch das gute Wetter, endlich mal wieder Sonne pur. Doch das beige Cockpit spiegelt sich heftig in der Windschutzscheibe. Im Zweifel wäre ein schwarzes Interieur die bessere Wahl. Oder man sucht bewusst nach der seltenen Bicolor-Innenausstattung. Jetzt ein Blick auf die Temperaturanzeige: Das Motoröl hat knapp 90 Grad, also sofort den Wählhebel nach links in die manuelle Gasse geschoben und am Lenkrad die Taste gedrückt. Oder gezogen? In welche Richtung?
275 PS bei 7.400/min im Cayman
Noch vor wenigen Jahren hat Porsche diese merkwürdigen Dinger ans Lenkrad geschraubt, anstatt idiotensichere Paddel zu verwenden. Wer mit der rechten Hand einen Gang hochschalten will und an der Taste zieht, schaltet einen herunter. Kommt super-peinlich, wenn Zuschauer im Spiel sind. Wenn es unbedingt ein Auto mit PDK sein muss: besser gleich ein Auto suchen, das mit dem Sport-Design-Lenkrad inklusive anständiger Schaltpaddel ausgerüstet ist. Dieses Extra kam erstmals beim 997 Turbo, war aber auch für die 981er-Modelle zu haben. Eine Nachrüstlösung über das Porsche-Tequipment-Programm kostet 941 Euro ohne Einbau. TechArt hat einen Umbausatz für das Serienlenkrad im Programm, der circa die Hälfte kostet. Unser Rat: machen, lohnt sich wirklich.
Zurück zum gebrauchten Porsche Cayman Typ 981c, der sich gerade ambitioniert durch die Weinberge schraubt. Der 2,7-Liter-Boxer giert nur so nach Drehzahlen, seine 275 PS stehen erst bei 7.400/min. Aus dem Gurgeln wird Brüllen und kurz vor dem roten Bereich bei 7.600 schließlich Schreien. „Der Basismotor mit Klappenauspuff hat für mich den besten Sound“, hat mir Marc Stowasser kurz vor der Abfahrt noch mit auf den Weg gegeben. Der Mann muss es wissen.
Aber nicht nur der Klang des Sechszylinders sorgt für feuchte Augen, auch das sagenhafte Ansprechverhalten und die lineare, seidenweiche Kraftentfaltung. Die Serienbremse mit gerade mal 315er-Scheiben vorn verkraftet auch ein paar scharfe Verzögerungen vor den Serpentinen, doch Insider wissen, dass es auf der Rennstrecke bei hoher Belastung eng werden kann. Hier ist das S-Modell mit seinen vorderen 330er-Scheiben besser gerüstet.
S-Motor macht auf dicke Hose
Umstieg in den gebrauchten Porsche Boxster S. Dunkelbraunes Leder „Espresso“ zu anthrazitbraunem Metallic-Lack, doch, das passt. 54.900 Euro soll der gut vier Jahre alte, ebenso gut ausgestattete Roadster kosten, der aus zweiter Hand stammt und 45.000 Kilometer auf dem Tacho hat. Wenige Kilometer reichen, und schon spürt man das Hubraumplus von 0,7 Litern. Der S-Motor machte auf dicke Hose und spult jede Beschleunigungsorgie deutlich souveräner ab. Er wuchtet nicht nur 315 statt 275 PS, sondern auch 360 statt 290 Newtonmeter an die Hinterräder. Nebenbei bemerkt: Ein Cayman ist immer um zehn PS stärker.
Auch der S-Motor legt bei 4.000/min kräftig zu und dreht wie entfesselt bis zur 7.600er-Markierung auf dem natürlich zentralen Drehzahlmesser. Wie der Cayman mit adaptivem PASM-Fahrwerk ausgerüstet, klebt der Boxster kaugummigleich auf dem schwäbischen Asphalt. Ein Druck auf die Sport-Taste strafft die Dämpfer, spannt die Gas- und Getriebekennlinien und schaltet im Endtopf auf Durchzug. Brunftig rotzt der Boxer aus den zwei mittigen Endrohren und klingt dabei eine halbe Oktave tiefer als die kleinvolumige Cayman-Orgel.
Man könnte jetzt noch stundenlang weiter durch die Weinberge hechten, noch ein paar Mal die Autos tauschen, aber irgendwann ist leider Schluss mit lustig. Also geht’s jetzt zurück zu S&S Automobile.
Spazierfahrt als Arbeit
In einer Ortsdurchfahrt dann noch eine Begegnung der besonderen Art: Ein Weinbauer klettert behäbig von seinem Schmalspurtraktor. Alle Autos müssen anhalten, auch wir mit unseren beiden Porsche warten brav. Angesichts von schütterem Haar und kernigen Falten im Gesicht dürfte der gute Mann längst im Rentenalter angekommen sein und sich nur noch aus Spaß an der Freude seinen Reben widmen. Beim Anblick des offenen Boxster ruft er lauthals: „Tut’s ihr spazieren fahren?“ Ja, so ist das mit dem Image der Porsche-Fahrer. Dabei sind wir doch nur am Arbeiten! Selten so gelacht …
Zurück zum Autohaus, wo die beiden Mittelmotorsportwagen schon von Robin Espenlaub erwartet werden. Der sympathische Serviceleiter kennt die Autos von Porsche wie aus dem Effeff und teilt deren Problemzonen in drei Gebiete ein: Antrieb, Elektronik und Interieur. „Defekte Injektoren bei den DFI-Motoren können die Beschichtung der Zylinderbahnen zerstören. Die Folge ist ein Kolbenkipper oder im Worst Case gleich mal ein abgerissener Pleuel. Aber Porsche repariert solche Motorschäden im allgemeinen auf Kulanz oder Garantie.“
Problem: Knackpunkt Kühlung
Risse im Kühlwasserbehälter hat ein Rückruf behoben. Nicht selten sorgen auch undichte Kühlmittelleitungen für Wasserverlust. Espenlaub: „Wenn die nur rund 15 Euro teuren Kunststoffleitungen erneuert werden müssen, kann es im Einzelfall nötig sein, den kompletten Motor auszubauen.“ Defekte Ventile im Kühlkreislauf sorgen entweder für zu kalte oder zu warme Motoren.
Mit Dreck und Laub zugesetzte Kühler an der Frontpartie können auch für einen Wärmestau sorgen. Wenn das PDK-Getriebe ruckelt, ist meist der Ölstand ab Werk zu niedrig. Wer sich über defekte Taster für das PASM-Fahrwerk oder den Klappenauspuff wundert, „muss zum Porsche Zentrum“, so Espenlaub. „Nur dort können die Taster online neu angelernt werden.“
Stichwort PASM: Auch bei Boxster und Cayman können die Federbeine an der Vorderachse Rost ansetzen, doch anders als beim Neunelfer Typ 997 ist dies nur ein Schönheitsfehler und nicht TÜV-relevant. Klappergeräusche an den Türinnenverkleidungen (nur Autos ohne Komplett-Lederausstattung) und im hinteren Kofferraum (nur Cayman) sind alles andere als selten. Espenlaub weiter: „Insgesamt aber ist die Baureihe 981 wesentlich ausgereifter als der Vorgänger 987 oder auch die 997-Modelle.“
Klingt beruhigend, doch bitte nicht zu früh freuen: Porsche-Fahren war noch nie ein billiges Vergnügen. Das galt gestern ebenso wie heute – und ganz sicher auch morgen.
Vertrauensfrage/Urteil
Speed, Sound, Design, Image und Werterhalt – die Mischung stimmt.
Wer sich einen Mittelmotorsportler mit boxerndem Sechszylinder-Saugmotor sichert, macht sicherlich nichts falsch. Wie bei Porsche üblich, leidet die Alltagstauglichkeit null unter dem grandiosen Fahrspaß und der hohen Fahrdynamik. Schön auch, dass die Qualität und Zuverlässigkeit der 981er-Modelle gegenüber den Vorgängern mit dem Kürzel 986/987 klar zugelegt hat. Für Porsche-Neulinge mag die große Anzahl an Varianten verwirrend sein, doch ein Blick auf die PS-Zahlen verrät einiges: Der Basis-Boxster leistet 265, das S-Modell 315 PS. Die vergleichbaren Cayman sind stets um 10 PS stärker. Wenn auf dem Heckdeckel der Schriftzug GTS zu lesen ist, dann sind 330 PS (Boxster) oder 340 PS (Cayman) am Werk. Die stärksten und auch teuersten Modelle hören auf die Namen Boxster Spyder bzw. Cayman GT4. Ihre 3,8 Liter großen Boxer-Triebwerke locken mit 375 sowie 385 PS. Kein Wunder, dass für diese beiden Schätzchen die höchsten Summen aufgerufen werden – eine Karriere als Wertanlage ist ihnen sicher.