Der Start war – nun ja – suboptimal. Der größeren Öffentlichkeit wurde der Genesis GV80 im März bekannt, als Golf-Legende Tiger Woods mit einem flammneuen Exemplar in Los Angeles verunglückte. Woods überlebte den schweren Unfall, und so galt der neue Genesis danach als das Auto, das dem berühmten Golfer das Leben gerettet hatte – dank seiner zehn Airbags und der stabilen Fahrgastzelle.
Nun gibt es den großen Korea-SUV auch bei uns, und hier muss er sich der einheimischen Konkurrenz stellen. Mercedes GLE 450 4Matic und VW Touareg 3.0 TSI 4Motion treten zum Vergleich an, wobei die beiden ja auch nicht so ganz einheimisch sind. Der Mercedes wird bekanntlich in Tuscaloosa, Alabama, gefertigt, der VW in Bratislava, und sein Motor stammt aus dem Audi-Werk im ungarischen Györ.
Während beide mit diversen Motoren bis hin zum Plug-in-Hybrid angeboten werden, ist der GV80 hier nur mit Vierzylinder-Benziner oder als Sechszylinder-Diesel erhältlich. Ein Sechszylinder-Benziner fehlt, also kommt er mit 2,5-Liter-Ottomotor und 304 PS in der Luxury-Variante zum Test (ab 69.400 Euro). Da es bei Mercedes und VW keine völlig passenden und gleichartigen Antriebe gibt, haben wir hier die stärkeren und teureren Sechszylinder hinzugebeten. So kostet der GLE 450 4Matic mit dem 367 PS starken Reihensechser mindestens 79.932 Euro, während der Touareg als Dreiliter-V6 mit 340 PS und der Ausstattung R-Line ab 76.465 Euro im Konfigurator steht. Denn klassische Preislisten gibt es ja bei VW nicht mehr.
Der Genesis fällt auf
Für den GV80 sind sie noch verfügbar und dazu sehr übersichtlich, denn angesichts der üppigen Grundausstattung gibt es nur wenige Varianten und Extras. Zu seinen weiteren Qualitäten zählt nicht zuletzt das Design, das für Aufmerksamkeit und manches Rätselraten sorgt. Offenbar fällt es dem Publikum schwer, den großen Wagen einzuordnen – vor allem, wenn er im noblen Cardiff Green sein Chromgesicht vor sich herschiebt. Für Introvertierte ist der GV80 also nichts, jedenfalls solange dieser eine seltene Erscheinung bleibt.
Verglichen damit tritt die europäische Konkurrenz betont zurückhaltend auf, der Mercedes und vor allem der VW fügen sich unauffälliger ins Straßenbild. Womöglich liegt das auch daran, dass sie mit Stern und VW-Logo viel vertrauter daherkommen als der Genesis, dessen Kühlermaske und Flügelwappen vermutlich nur Insider erkennen.
Beeindruckend groß wirken alle drei SUV, vor allem der koreanische Vertreter, wobei seine Maße im europaverträglichen Rahmen bleiben: Er ist nur rund zwei Zentimeter länger als der Mercedes und nicht ganz sieben Zentimeter länger als der Volkswagen. Entsprechend üppig ist das Raumangebot, fünf Erwachsene lassen sich recht kommod unterbringen, zwei Kletterwillige dürfen zudem die dritte Sitzreihe im Laderaum entern. Diese Option gibt es beim Touareg erst gar nicht, beim GLE kostet sie ebenso wie beim GV80 Aufpreis. Insgesamt sammelt der Mercedes mit seinem luftigen Interieur in diesem Kapitel die meisten Punkte, auch wegen seiner üppigen Innenhöhe. Die paar Zentimeter mehr überm Scheitel ergeben ein großzügiges Raumgefühl, selbst wenn man gar nicht so groß gewachsen ist.
Viel Platz im Mercedes
Schluckfreudige Stauräume gibt es bei SUV dieser Größenklasse ebenso, zudem maximale Anhängelasten von bis zu 3,5 Tonnen. Der Genesis darf zwar nur 2.722 kg ziehen, doch ein großer, edler SUV sollte ja nicht nur Last-, sondern gleichzeitig Lustfahrzeug sein. Da kann sich der GV80, wenn er wie der Testwagen über das Nappaleder-Paket für 2.580 Euro verfügt, ebenfalls sehen lassen.
Überhaupt ist allenthalben das Bemühen erkennbar, dem GV80 ein sehr nobles Flair zu verleihen. Das gelingt ganz gut, nicht nur, weil die gesteppten Sitzmöbel und die übersichtliche Armaturentafel einfach edel aussehen, sondern auch weil die Verarbeitungs- und Materialqualität sehr beachtlich scheinen.
Bedienelemente, Türgriffe und Lenkrad fassen sich gut und solide, da wirkt alles wie aus dem Vollen geschnitzt. Der GLE 450 und erst recht der Touareg 3.0 TSI treten da deutlich nüchterner auf, haben aber gewisse Vorteile bei der Bedienung. Vor allem der Mercedes mit der sehr guten MBUX-Sprachbedienung sticht da hervor. Im Volkswagen klappt das beinahe genauso gut, doch die Spracherkennung erweist sich als weniger ausgefuchst, und die Klimabetätigung erscheint wenig übersichtlich.
Im Genesis dagegen verzichtet man bei höheren Geschwindigkeiten lieber aufs Bemühen der begriffsstutzigen Spracherkennung und sucht selbst die Wege durch diverse Menüs und Bedienebenen. Das gelingt nur bei einfachen Verrichtungen unkompliziert, und der wenig griffige Drehknopf in der Mittelkonsole erleichert den Umgang ebenfalls nicht sonderlich.
Feine Luftfahrwerke
Über den Federungskomfort gibt es weniger zu mäkeln. Der GV80 wiegt seine Insassen sehr weich über alle Wege, kommt nur bei kurzen Unebenheiten etwas ins Stolpern. Allerdings lässt die sanfte Abstimmung recht große Karosseriebewegungen zu, vor allem die Fondpassagiere sollten bei der Wankerei auf unebenem Terrain seefest sein.
Das können die mit optionalen Luftfahrwerken versehenen Konkurrenten in diesem Test jedenfalls deutlich souveräner. Natürlich kosten die Fahrwerke saftige Aufpreise, 2.035 Euro stehen bei der Airmatic des GLE in der Optionsliste, 2.850 sind es beim Luftfahrwerk mit Allradlenkung beim Touareg. Für 5.900 Euro gibt es das Fahrwerk zudem mit aktiver Wankstabilisierung.
Wer beim Mercedes "all in" geht, erhält für 7.735 Euro das umfangreiche E-Active-Body-Control-Paket einschließlich Wankausgleich oder Kurvenneige-Funktion. So gesehen schlägt sich das serienmäßige Fahrwerk im Genesis gar nicht schlecht, zumal die Aufpreisliste sehr viel weniger Möglichkeiten zum Aufrüsten als bei der deutschen Premiumkonkurrenz bietet. Das fällt vor allem, aber nicht nur beim schnellen Kurvenfahren auf.
Obwohl der GV80 das leichteste Auto in diesem Vergleich ist, biegt er am schwerfälligsten ab, die Lenkung erscheint weniger zielsicher und indirekt, sein ESP schreitet früher und nachdrücklicher ein. Auch in dieser Disziplin liegt der GLE 450 vorn, allein schon wegen seiner harmonischen und gefühlsbetonten Lenkung. Der Touareg tut sich etwas schwerer, fährt weniger lässig, auch hier bewegt sich die ESP-Regelschwelle gern auf der betont sicheren Seite.
Teures Assistenzpaket
Im Übrigen verfügen alle drei SUV serienmäßig über Allradantrieb, der den GLE zusammen mit dem Offroad-Technikpaket (2.261 Euro) zum veritablen Geländegänger aufrüstet. Für den Genesis beschränken sich die Optionsmöglichkeiten in dieser Hinsicht auf ein elektronisches Sperrdifferenzial für 490 Euro. Und das Offroad-Paket beim Touareg (650 Euro) bietet lediglich einen größeren Kraftstofftank sowie einen Unterfahrschutz.
Dafür kommt der GV80 mit einem üppigen Assistenzpaket, das allerdings mit 4.290 Euro teuer bezahlt sein will. Es enthält unter anderem den Autobahnassistenten HDA der zweiten Generation, der neben Abstandsfunktion und Lenkhilfe auch zu eigenständigen Spurwechseln in der Lage ist. Ähnliches bieten bei Mercedes der Fahrassistent Plus für 2.892 Euro und bei Volkswagen der Travel Assist im nicht ganz so umfangreichen Fahrassistenz-Paket Plus (1075 Euro).
Und was können nun die Antriebe? Der große Vierzylinder im GV80 macht seine Sache ordentlich, solange es nicht mit Volllast vorwärtsgeht. Dann wird der 304 PS starke 2,5-Liter-Turbo dröhnig, und die Achtstufenautomatik verliert einiges von ihrer Contenance. Nicht wirklich lästig, doch das Gebaren des Antriebs passt nicht so recht ins noble Ambiente.
Das bekommt der Reihensechser im GLE 450 am besten hin. Er dreht seidig hoch, hängt fein am Gas und bietet darüber hinaus die besten Fahrleistungen, obwohl der Mercedes das schwerste Auto in diesem Test ist. Fast genauso überzeugend schneidet der V6 im Touareg ab, er dreht nur nicht so flockig hoch und wirkt insgesamt angestrengter als der Mercedes-Sechszylinder.
Erstaunlich wenig Unterschiede zeigen sich dagegen beim Verbrauch, wobei auch in dieser Disziplin der GLE 450 vorn liegt. Offenbar macht sich die Zusammenarbeit des Riemenstartergenerators mit dem Sechszylinder bezahlt, obwohl ein Verbrauchsvorteil von einem halben Liter Super je 100 km in dieser Preisklasse nicht entscheidend sein dürfte. Immerhin stößt der Mercedes so im Schnitt rund 15 Gramm CO2 pro Kilometer weniger aus als Genesis oder VW. Kein punkterelevanter, aber ein emotionaler Vorzug des GLE, der am Ende nach Punkten ohnehin souverän vorn liegt.
Fazit
Mit großzügigem Raumangebot, dem insgesamt harmonischsten Antrieb und dem ebenso komfortablen wie agilen Fahrwerk ist der GLE hier nicht zu schlagen.
Qualitäten bei Variabilität oder Fahrkomfort reichen diesmal nicht, um vorn zu liegen. Zudem leistet sich der Touareg kleine Schwächen beim Bremsen.
Das luxuriöse Ambiente und der vergleichsweise günstige Preis sind die größten Vorzüge des GV80. Bei Antrieb und Fahrwerk zeigt er noch Defizite.
Genesis GV80 2.5T AWD 7-Sitzer Luxus | Mercedes GLE 450 4Matic | VW Touareg 3.0 V6 TSI 4Motion R-Line | |
Grundpreis | 75.200 € | 83.205 € | 81.600 € |
Außenmaße | 4945 x 1975 x 1715 mm | 4924 x 1947 x 1797 mm | 4878 x 1984 x 1717 mm |
Kofferraumvolumen | 727 bis 2144 l | 630 bis 2055 l | 810 bis 1800 l |
Hubraum / Motor | 2497 cm³ / 4-Zylinder | 2999 cm³ / 6-Zylinder | 2995 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 224 kW / 304 PS bei 5800 U/min | 270 kW / 367 PS bei 5800 U/min | 250 kW / 340 PS bei 5300 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 237 km/h | 250 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 7,7 s | 5,8 s | 6,5 s |
Verbrauch | 9,7 l/100 km | 8,6 l/100 km | |
Testverbrauch | 11,9 l/100 km | 11,4 l/100 km | 12,0 l/100 km |