Nach dem Wechsel der Markenstrategie im chinesischen Great-Wall-Motor-Konzern werden Ora und Wey hierzulande nicht mehr als Marken geführt, sondern nur noch als Teil der Modellnamen. Deswegen heißt der Plug-in-SUV nicht mehr Wey Coffee 02, sondern GWM Wey 03.
Der Doppelter-Espresso-Charakter bleibt aber erhalten: An beiden Achsen arbeitet je ein Elektromotor, und der 34-kWh-Akku gehört zu den größten PHEV-Stromspeichern auf dem Markt. Ob das was bringt? Ja, denn rein elektrisch verbraucht der 4,67 Meter lange SUV auf unserer Testroute 20,2 kWh/100 km. Und er kommt 165 Kilometer weit – damit entthront er den Mercedes GLC 400 e 4Matic (123 km).
Im E-Modus des 03 stört jedoch, dass der Vierzylinder bei zu tiefer Fahrpedalstellung automatisch anspringt. Das kommt auch einfach mal so vor, zudem lässt sich der rein elektrische EV-Modus dann meist nicht sofort reaktivieren. Aussagekräftige Beschleunigungswerte ohne Verbrennerunterstützung können wir ergo nicht ermitteln. Subjektiv geht’s aber ordentlich voran. Die vordere E-Maschine leistet 163 PS, die hintere 184. Auf der Autobahn erreicht das Elektro-Duo sogar rund 200 km/h.
GWM Wey 03 mit reichlich Hybridpower
In Zusammenarbeit mit dem 204 PS starken Turbo-Vierzylinder packt das Motoren-Trio laut Fahrzeugschein 230 km/h. Über das Testgelände rennt der GWM WEY 03 im Hybridbetrieb mit bis zu 442 System-PS ziemlich zügig: Standardsprint in 4,7 Sekunden, 100 auf 180 km/h in 9,6. Alltäglich gefahren verbraucht der Benziner mit so weit wie möglich entladener Batterie jedoch 9,9 Liter pro 100 Kilometer. Das ist wenig sparsam.
Seine größten Probleme offenbart der Antrieb des Testwagens aber erst auf einer sportlichen Landstraßentour. Manuelle Schaltbefehle werden teilweise ignoriert oder erst etwa eine Sekunde später umgesetzt. Auch dreht häufiger ein Vorderrad durch, wenn man am Ausgang spitzer Kurven Gas gibt. Doch bereits in der Kurve ist der Spaß auf der Strecke geblieben: Die auffällig indirekte Lenkung arbeitet rückmeldungsfrei, die Karosserie wankt ziemlich stark, das ESP regelt häufig grob.
Antrieb geht einfach aus
Sie meinen, das werde Fahrer eines Plug-in-SUV kaum jucken? Stimmt möglicherweise, denn in der Spur bleibt der mittelgroße SUV letztlich schon. Universell relevant hingegen: Der Antriebsstrang ging inklusive Benziner nach einer dynamisch genommenen Kurve einfach aus. Ohne jede Vorwarnung hatten Fahrpedalbewegungen keinerlei Auswirkungen mehr, der Bordcomputer meldete eine "Störung im Hybridsystem". Nach einem Neustart beschleunigte der GWM wieder – mit eingeblendetem Motorkontrollsymbol. Aber schon in der ersten Kurve mit erhöhten Querkräften war wieder Feierabend. Auch nach einer längeren Rast fing sich das System nicht wieder: dritter Ausfall mit gleichem Ablauf.
Der Wey 03 ging also erst einmal zurück zu GWM zum Check. Die Erklärung des Importeurs: Der Wagen habe mal einen neuen Stoßfänger bekommen, der weniger Parksensoren trage, als die Steuergeräte erwarteten. Falls darin tatsächlich die (alleinige) Ursache lag, sollten die Abhängigkeiten zwischen Ultraschallsensorik und Antriebsstrang dringend aufgelöst werden.
Später kommt derselbe Testwagen erneut zu uns, diesmal mit seitlichen Parksensoren. In der Zwischenzeit ist der strenge Neuwagengeruch so gut wie verflogen, und der Hebel für die Geschwindigkeitsregelanlage funktioniert nun. Vor allem schaltet der Antrieb auf einer intensiven Landstraßenfahrt nicht mehr ab – und auch das Zusammenspiel im Hybridsystem scheint besser zu funktionieren. Zumindest drehen am Kurvenausgang viel seltener Räder durch als noch zuvor.
Alter Fehler weg, neuer da
Alles klar, passt, ab nach Hause. Oder auch nicht: Keine fünf Minuten später nimmt der GWM Wey 03 in einer 30er-Zone plötzlich weder Gas noch Strom an. Für drei, vier Sekunden geht gar nichts, erst dann kommt wieder Vortrieb – obwohl der Antrieb nicht ausgegangen ist. Also doch nicht auf die Autobahn, sondern zunächst zurück auf leere Seitenstraßen, um weiter zu testen. Hier kommt es noch häufiger vor, dass das Auto Pedaleingaben sekundenlang ignoriert. Diese Aussetzer treten auf späteren Testfahrten nicht mehr auf, obwohl der Tachomonitor nach dem Vorfall die Motorkontrolle-Warnleuchte dauerhaft anzeigt.
Wie sollen wir das jetzt in die Bewertung einfließen lassen? Ganz einfach: Wir streichen dem 03 alle Punkte bei der Qualitätsanmutung und bei der Leistungsentfaltung aufgrund derart schwerwiegender Mängel.
Ansonsten steckt GWM schicke Materialien in den prinzipiell gut gedämmten Innenraum. Doch im Bereich von 190 bis 200 km/h tritt am Fensterbereich der Fahrertür häufiger ein Geräusch auf, das sich anhört wie ein Reifen, der im Radhaus schleift. Der Grund lässt sich ausmachen: Am äußeren Spiegeldreieck hängt ein teilweise loser Dichtgummi, der bei hohem Tempo besonders wild flattert. Wieder in die Führung stecken klappt nicht, und die gleiche Dichtung auf der Beifahrerseite zeigt, wie sorglos die Gummis verbaut (verklebt?) sind.
Schnell lästig wird auch das nach außen abstrahlende Fahrgeräusch, das im Elektrobetrieb vorgeschrieben ist, um Passanten zu warnen. Es tönt innen derart laut, als würde es auch dort über die Lautsprecher ausgegeben. Sobald das Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS) oberhalb von etwa 30 km/h Ruhe gibt, wird’s in der vibrations- und klapperfreien Kabine schlagartig erheblich angenehmer.
Geistesabwesend? Ja, fast
Dort richtest du dich zunächst so ein, wie es viele chinesische Hersteller von Tesla übernommen haben: Lenksäule und Außenspiegel via Touchscreen ansteuern und dann per Lenkradtasten justieren. Tasten sind ansonsten Mangelware, auch die Klimabedienung läuft über einen separaten Monitor. Die Grafiken darauf sind unnötig klein, noch dazu schaust du beim Touchen tief in Richtung Fußraum. Wie gut das funktioniert? "Seien Sie nicht geistesabwesend, bitte Konzentration beim Fahren", mahnt der Aufmerksamkeitsassistent oft zu Recht, wenn du mit der Temperatureinstellung haderst. Je nach Außentemperatur bist du damit häufiger beschäftigt, denn 22 Grad kann für kalte Füße sorgen, bei 22,5° C wird’s dann direkt stickig-warm – und an anderen Tagen wieder liefert die Klimaanlage wie gewünscht.
Die viel zu touchintensive Bedienung bietet an zahlreichen weiteren Stellen Herausforderungen, zum Beispiel bei der vielschrittigen Auswahl von einem der acht Fahrprogramme: Normal, EV, Charge, Sport, AWD, Snow, Mud und Sand. Super hingegen: Auf dem 14,6-Zoll-Touchscreen werden Apple CarPlay und Android Auto im Vollbild dargestellt, was die Bedienung teils erleichtert – und Google Maps sieht in diesem Riesenformat einfach nur beeindruckend gut aus. Zudem überträgt das Infotainment auch mit Google Maps eine Pfeilnavigation auf das Frontscheibendisplay. Das löst scharf auf, nur hat die Helligkeitseinstellung keinerlei Auswirkung.
Schnitzer und Kuriositäten
In den Testnotizen steht noch ein weiterer Fehler, diesmal ein Aussetzer: Die Wischwasseranlage hatte trotz einer Sprühdauer von rund zwei Sekunden offenbar vergessen, die Scheibenwischer anschließend zu aktivieren. Manuell nachhelfen ging immerhin, und das Problem trat anschließend auch nicht mehr auf.
Von solchen Schnitzern wechseln wir zu Kuriositäten. Da wäre der Schraubdeckel auf dem Benzineinfüllstutzen, für den eine Halterung fehlt – wer ihn nicht gegen den Lack baumeln lassen will, kann ihn vorsichtig auf dem Scharnier der Tankdeckelklappe abstellen. Seltsam auch die Induktivladefläche an der Mittelkonsole: Man schiebt das Smartphone in einen Schlitz, in dem es mit einer Rolle gegen das Lade-Pad gedrückt wird. Darin wird’s dem Handy warm, und die Rolle hinterlässt (abwischbare) Spuren auf dem Display.
Für den Komfort tatsächlich förderliche Funktionen sind etwa die zahlreichen Parkkameras samt digital generierten Ansichten, die Reifendruckanzeige oder die zuschaltbare Autohold-Funktion, die an der Ampel den Bremsdruck ohne Pedalbetätigung hält. Außerdem federt der GWM Wey 03 recht sanft und ohne ausschweifende Karosseriebewegungen. Auch schaltet das Getriebe im Regelfall hintergründig.
Sicherheit? Top und Flop
Potenzial für einen ordentlichen SUV steckt also im GWM Wey 03, zudem schützt er seine Insassen laut EuroNCAP hervorragend. Nur zeigen unsere Messwerte völlig inakzeptable Bremswege, die aus 100 km/h bis zu 43 Meter betragen. Damit wird es fast irrelevant, ob der Testwagen nun ein Montagsauto ist. Denn wieso sollte man sich bei dieser Faktenlage in derartige Abenteuer stürzen?
GWM WEY 03 PHEV AWD Luxury | |
Grundpreis | 55.900 € |
Außenmaße | 4668 x 1890 x 1730 mm |
Kofferraumvolumen | 517 bis 1289 l |
Hubraum / Motor | 1998 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 150 kW / 204 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 230 km/h |
0-100 km/h | 4,7 s |
Testverbrauch | 9,9 l/100 km |