Was macht die Freude am Journalismus aus? Das Dunkle zu beleuchten, das Unbekannte zu dechiffrieren, das Inakzeptable aufzuspüren. Der Gewinn an Erkenntnis ist das Ziel. Bezogen auf den Dauertest des Honda Civic Type R sollten wir die journalistische Niederlage jetzt gleich offen eingestehen und die weiße Flagge vor dem blauen Auto hissen. Es gibt keine Schweinereien zu berichten. Noch schlimmer: Aus investigativer Perspektive gibt es eigentlich nichts zu berichten. 80.000 Kilometer lang haben wir uns redlich bemüht, etwas kaputtzumachen, aber der Civic Type R war stärker als wir.
Okay, zwei, drei Mal hat er kurz geblinzelt, was in diesem Kontext schon erwähnenswert ist. Im Mai 2019 fuhr ihm auf der A 8 Richtung Karlsruhe am Stauende ein VW Sharan in die Parade. Richtig, nicht der Fehler des Civic. Vermutlich wollte er nur die kleinen Parkkratzer loswerden und eine neue tiefblaue, saubere Heckstoßstange haben. Geschenkt, hat uns nicht mal was gekostet.
Dann ist zweitens irgendein Hallodri aus der Redaktion über irgendetwas drübergebrettert (vermutlich der Bretty), die Fixierung der Frontspoilerlippe war angeknackst. Ein paar Hundert Kilometer später war dann der Autor das Opfer: Bei Kilometerstand 71.680 war die Lippe lose, ab 120 km/h wurde sie zum Spielball des Windes und machte mit wilden Schlaggeräuschen auf den bedauernswerten Zustand aufmerksam. Immerhin zwei Vorkommnisse also, wenngleich nichts davon die Schuld von F-H 2231 war.
Obwohl wir uns wirklich Mühe gegeben haben: knallharte Folter auf der Rennstrecke, Dauervollgas auf üblen Autobahnen, maximale Unterforderung im Bummeltempo. Das komplette Programm. Es hat nichts geholfen.
Bestätigung von Altbekanntem
Halt, anderthalb Mal hat er uns noch gefoppt, aber das war nur ein Streich. In variabler Abhängigkeit von Lenkeinschlag und Geschwindigkeit fing der Type R plötzlich so erbärmlich an zu jaulen, dass wir sofort das Autokrankenhaus anliefen. Der freundliche Doktor im Honda-Autohaus Stierle in Plieningen brauchte keine zwei Kilometer, um den Katzenjammer aufzuspüren: Ein Stein hatte sich zwischen Bremsscheibe und Ankerblech verklemmt, was die Bremse zur Stimmgabel machte. Der blaue Freund wollte uns damit übrigens noch mal nasführen, vermutlich weil er sonst nichts mehr auf der Pfanne hatte. Aber da fielen wir nicht drauf rein, den Stein haben wir selber herausgepult, Ehrensache!
Das war es. Die Liste der Dauertest-Auffälligkeiten endet genau hier. 80.000 Kilometer in 28 Monaten, drei(einhalb) Vorkommnisse mit zweifelhaftem Erkenntnisgewinn. Tut uns leid. Hallo, der Lauftext endet hier! Sie wollen ernsthaft eine Zugabe? Sie wissen, dass das auf Lobhudelei hinausläuft? Auf die Bestätigung von Altbekanntem? Gut, von mir aus! Es gibt Dinge, die kann man nicht oft genug wiederholen.
Beginnen wir bei seinem Spitznamen in der Redaktion: der GT3 im Kompaktsegment. Was macht einen GT3 zum GT3? Motor, Sound, Getriebe, Schaltung. Fahrwerk, Bremse und Lenkung – die harten Kriterien eben. Der Civic Type R ist der Wadlbeißer unter den Kompakten, also ein Spezialist für harte Kriterien. Beweis? Im großen zweiteiligen Kompaktwagen-Test (sport auto 1 und 2/2021) hat er sie (fast) alle niedergemäht, die acht anderen Kompakt-Ikonen mit Namen wie GTI, S3, ST, i30, JCW, A35. Nur der neue GR Yaris von Toyota hat ihn punktemäßig knapp abgehängt, obwohl ihm der Civic in Hockenheim eine Sekunde genommen hat – GT3 halt.
Also das Harte der Reihe nach: Motor? Bei der Spitzenleistung ist der Zweiliter-Turbomotor mit 320 PS eh Benchmark, entscheidender ist seine Pfauspreizung im Alltag. Er kann alles: trödeln, traben, trommeln. Toller Ladedruckaufbau tief im Keller: Kurz bläht er die Backen, um dann ohne Löcher und Dellen Nm über Nm, PS über PS zu schichten. Gang um Gang, ohne Gnade, bis über 7.000/min, untermalt mit keckem Gewieher. Die Akustik des Type R ist dezenter als seine Optik, was zunächst verwirrt, dennoch ist das Triebwerk eine echte Pumpgun – nur mit Schalldämpfer. Ans Ohr dringt ein sonores Brodeln, vertont mit dem dräuenden Zischen und Fauchen des Turboladers. Satt, überzeugend – und niemals nervig.
Das manuelle Nachladen der Gänge muss in vielen Fällen als enttäuschende Unterbrechung des Vortriebs bewertet werden. Nicht beim Civic: Der kurze Schalthebel ist der Joystick der Beschleunigung. Gangwechsel und Kupplungsbedienung basieren im Civic offenbar auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten, anders ist die verstörende Mühelosigkeit der Bedienung nicht zu erklären. Der Stab der Freude findet seine Haltestellen wie von Geisterhand. "Kein anderes Handschaltgetriebe auf dem Markt ist knackiger", urteilt Kollege Christian Gebhardt. Und automatisches Zwischengas kann das Getriebe auch noch, dabei hatten wir gar nicht danach gefragt!
Die Mechanik und das Analoge sind die Stärken des Type R, er erhebt sie zum Prinzip. Wenn es ums reine, unverfälschte Fahren geht, macht ihm keiner was vor. Das Fahrwerk mit Adaptivdämpfern bietet zum Beispiel einen wundersamen Spagat: im Comfort-Modus eine zivile, unaufgeregte, katzenhafte Fortbewegung. Im Sport- und R-Modus werden die Zügel bei Dämpfung, Lenkung und Motoransprechverhalten synchron angezogen, ohne synthetische Verzerrung oder übertriebene Härte. Toll.
Ohne die Optik zu versabbern
Das gilt besonders für die elektromechanische Servolenkung: realitätsgetreues Gefühl, hohe Präzision, angenehme Bedienkräfte. Niemand käme auf die Idee, über die Lenkung des Civic Type R auch nur ein Wort zu verlieren, außer man schreibt einen Dauertest für sport auto, wo die Lenkung Erwähnung finden muss.
Auch beim letzten harten GT3-Kriterium, der Bremse, kommen wir am Lobhudeln nicht vorbei. Der Civic Type R gehört zu den wenigen straßenzugelassenen Sportwagen, mit denen man ohne Reue auf der Rennstrecke herumbrezeln darf. "Zehn schnelle Runden in Hockenheim machen der Bremse nichts aus", so unser Testexperte Uwe Sener, und der sagt so was freiwillig sonst nie! Rubbeln? Hitzerisse? Krumme Scheiben? Hatte unser Dauertest-M2 nach 1.000 Kilometern, der Civic auf 80.000 Kilometern nicht ein einziges Mal.
Schließlich macht der Type R seinem GT3-Spitznamen ja auch optisch alle Ehre, so als wäre er eine Rückverwandlung aus der TW-WM, wo die Rennvariante zur Treibjagd auf Gegner bläst. Charmant: Die Honda-Entwickler widerstanden dem Druck, die Optik zu versabbern. Die grimmigen Lufteinlässe vorne und der wuchtige Heckspoiler hinten sind ein Statement für Performance – und der aktuelle Type R ist der performanteste Type R aller Zeiten!
Für Menschen mit dem Hang zur Untertreibung ist die zähnefletschende Optik mit ihren kantig-grantigen Zügen eventuell das einzige No-go-Kriterium, um sich der Anschaffung eines Type R zu entziehen. Wir haben aber bereits geklärt, dass die Optik kein leeres Versprechen ist, im Gegenteil. Übrigens läuft man einen Marathon ja auch nicht im Anzug.
Harte Schale, weicher Kern
Gibt es vielleicht sonst Gründe gegen einen Kauf? Sind die womöglich bei den weichen Kriterien zu finden, für die der Type R eher nicht gebaut wurde? Nein, IM GEGENTEIL! Erstens der Innenraum: Die Frontsitze sehen eher nicht athletisch aus, auch wenn sie rot sind. Dafür sind sie Watteschraubstöcke: top Seitenhalt, gute Unterstützung, superbequem. "Fast wie eine zweite Haut", so das Urteil in der Testkladde. Ja, man hockt a bisserl hoch, aber besser perfekt hoch als schlecht unten. Das ergonomische Dreieck aus Lenkrad, Pedalen und Sitz kann phänomenal präzise einjustiert werden.
Zweitens die Karosserie: Bei all dem japanischen Kriegsgeschrei übersieht man leicht die praktischen Vorteile. Der Civic hat vier Türen und erlaubt den Transport von fünf ausgewachsenen Menschen. Er hat einen vernünftigen Kofferraum, und durch das Umklappen der hinteren Sitzlehnen wird er flugs zum Kühlschrank-Express-Transporter. In einem Satz: Er ist der M3 im Kompaktsegment, er kann das Weiche sogar besser als die meisten Gegner.
Ihnen gehen die Argumente aus? Kennen wir. Woraus könnte man ihm einen Strick drehen? Verbrauch? Die Streuung reicht von rund 8 bis 18 Litern, die Details sind selbstverschuldet. Unser Mittel lag bei etwas über 10 Litern, der rote Bereich beim Verbrauch beginnt bei 4.000/min – Rennpferde brauchen halt Futter. Ölverbrauch außerhalb der Inspektionen? 2,75 Liter, und alles war gut geschmiert. Reifen? Anderthalb Sätze Gummistiefel im Sommer, der Satz Pirelli-Winterreifen war nicht kleinzukriegen. Inspektionskosten? Im Rahmen. Wertverlust? 17.850 Euro in zwei Jahren sind auch nicht die Welt.
Noch Fragen? Der Civic hat ein tolles Fahrlicht, wenn Sie das interessieren sollte. Im Armaturenbrett kann man 13 Ansichten auswählen, da ist für jeden was dabei. Die Bedienung ist simpel, das Infotainment "ist ein Findelkind der 90er", wie Kollege Stefan Helmreich spöttelt. Dafür kann man alles abschalten, was man nicht mag, das dauert drei Sekunden und ist heute nicht mehr Standard. Und? Wenn es regnet oder schneit, spürt man die Antriebseinflüsse in der Lenkung – aber die spürt man bei diesen Bedingungen auch beim Hecktriebler, nur eben hinten. Und ja, die besten Fronttriebler haben einen Nachteil – den Frontantrieb. Haha.
Weiße Flagge, blauer Grund
Wir blättern auf der Suche nach Kritik und Erkenntnis durch sechs lange Kladden der Testwagendokumentation und finden nichts. Ein Kollege immerhin nölte beim Studium der Datenblätter (!), dass ja auch die Civic immer schwerer geworden seien: von 1.239 (EP3) auf 1.355 (FN2) auf 1.405 Kilogramm beim aktuellen FK8-Modell. Starker Tobak. Wenn man ihn bloß schmecken könnte, was trotz intensiver Inhalation über 80.000 Kilometer leider nicht der Fall war. Fazit? Das Dunkle erscheint bei Licht betrachtet hell. Das Unbekannte war altbekannt, und inakzeptabel ist nur der Umstand, dass es den Type R nicht kostenlos auf Rezept gibt. Das blaue Auto hat gewonnen. Zum Abschied schwenken wir weiße Flaggen.