Wie stellt es die Vergangenheit wohl an, dich einzuholen? Schleicht sie dir leise lauernd hinterher, bis sie den Zeitpunkt für gekommen hält, loszusprinten und sich hinterrücks – und mit einem lauten "Buuuh" — auf dich zu stürzen? Vielleicht mal bei VW nachfragen, denen ist das 2019 passiert.
Fast schon Elektro-Tradition
Damals präsentiert VW den ID.3 auf der IAA als erstes Modell des neuen Modularen Elektrobaukastens. Doch wie er da so steht, scheint es, als hätte es die IAA 1989 rechtzeitig geschafft, vorbeizuschauen. Auf der steht einst VWs Zukunftsstudie mit dem ungemein naheliegenden Namen: VW Futura. Da sich an den selbst verdiente Kollegen im Hause kaum erinnern, könnte sich nun eine kurze Online-Suchabfrage anbieten.
Und? Genau. ID.3 und Futura sehen sich erstaunlich ähnlich, mit dem One-Box-Design, als deren Vorzüge VW schon damals Fußgängersicherheit und Aerodynamik aufzählt. Wobei der VW ID.3 auch nach der Modellauffrischung mit geglätteter Aero mit cW 0,263 (jaha, dritte Nachkommastelle, wir nehmen es halt gern genau) nicht ganz die Windschnittigkeit des Futura (0,25) erreicht. An Technik bringt der übrigens Digitalinstrumente, einen laserbasierten Abstandswarner, einen durch die elektromechanische Servolenkung ermöglichten Parklenkassistenten, Echtzeit-Fahrzeugortung und – Obacht – eine integrierte Halterung für ein Funktelefon mit, damals Vision, heute Standard.
Den Antrieb erledigte beim Futura ein hochverdichteter Benzindirekteinspritzer. Dagegen sollte der ID.3 der neue Voltswagen werden. Was ihm unter anderem nicht gelang. Dem Kona Elektro schon eher.
Eine ganz neue Dimension
Dessen erste Generation elektrifiziert Hyundai 2018 und bringt einen der ersten erschwinglichen, reichweitentauglichen Vollwertstromer. Nun startet das neue Modell, wieder als Elektro, Turbobenziner und Hybrid. Die Grundkonstruktion legen die Entwickler auf die Anforderungen des E-Werks aus Lithium-Polymer-Akku und permanenterregtem Synchronmotor aus. Hier tritt der Kona in der kapazitäts- (65,4 kWh) und leistungsstärkeren Version (160 kW) an.
13 cm länger, 2,5 breiter, einen höher und im Radstand um 6,0 gereckt, ist der Kona über seine früheren Dimensionen und die Subkompakt-SUV-Klasse hinausgewachsen. Damit verschafft er vor allem den Passagieren im ebenbodigen Fond ein weiträumigeres Platzangebot und steigert sein Kofferraumvolumen (plus 134/186 l), das eine 27 Liter kleine Ladekabelablage unter der Fronthaube ergänzt. Die sessligen Vordersitze haben es mehr mit Fläzigkeit als mit Halt und lassen sich in eine Liegeposition fürs Ladestopp-Nickerchen fahren.
Aus der sachten Herausgehobenheit von 59,5 cm Sitzhöhe behalten Pilot und Co den Überblick über die Gegend – und die Bedienung. Denn die organisiert der Kona so klar und clever strukturiert, dass selbst Neu-Elektronauten mit den Besonderheiten des Stromers leicht zurechtkommen. Über Paddel am Lenkrad lässt sich die Rekuperationsstärke von freiem Rollen bis zum Ein-Pedal-Modus oder adaptiv geregelt variieren – mit Rückgriff auf die Daten von Navigation und Fahrassistenz. Das Einzige, was trotz des gelungenen Mix aus Tasten und niederschichtigen Infotainment-Tastmenüs stört, ist das dauernde Gepiepse. Das veranstaltet der Hyundai Kona, sobald das zulässige Tempo um 1 km/h überschritten ist. Oder wenn er den Fahrer abgelenkt glaubt. Da versteht er keinen Spaß. Als der erstaunlich lustige Witz eines Mitfahrers Heiterkeit und Lachen auslöst, alarmiert der Kona sofort und mahnt den Piloten, eine Pause einzulegen.
Dabei gelingt es doch kaum, sich im Hyundai Kona müde zu fahren. Was nicht daran liegt, dass er einen mit beschwingtem Handling aufrüttelte. Vielmehr kurvt er zwar immer sicher, aber mit früher Trägheit ins Untersteuern. Die Lenkung bietet nur schale Präzision, und das wenige, was an Rückmeldung durchdringt, entzerren ihr starke Antriebseinflüsse. Trotz des straffen, vor allem auf kurzen Unebenheiten schütteligen Set-ups hat er die Karosseriebewegungen nicht so richtig fest im Griff.
Tatsächlich geben Reichweite und Ladeleistung den Pausentakt vor. Beim Testverbrauch von 23,6 kWh/ 100 km reicht eine Ladung nur für 305 km. Rund ein Fünftel mehr (365 km) ist es auf der Eco-Runde. Anders als bei den Ioniq-Modellen nutzt Hyundai beim Kona eine 400- statt 800-Volt-Architektur. Da der Kona im Test mit maximal 103 kW schnelllädt, dauert es 37 Minuten, bis der Akku von 10 auf 80 Prozent gefüllt ist.
ID fix
So mag der Hyundai dem VW beim Zwischenspurt etwas und bei der Höchstgeschwindigkeit deutlich enteilen. Aber der ID.3 macht es wie die Vergangenheit und holt den Kona ein, wenn der an der Ladesäule steht. Bei fast gleichem Verbrauch (Test: 23,8 kWh/100 km) kommt er mit der 12 kWh größeren Batterie 357 bis 425 (Eco-Runde) Kilometer weit. Beide optimieren die Effizienz mit Wärmepumpen, der Kona serienmäßig, der ID.3 für 990 Euro. Rechnen wir, wie alle Extras, die Einfluss auf das Ergebnis haben, in die Preisbewertung mit ein.
Da VW bei der Modellpflege die Ladeleistung erhöht hat – beim Pro S auf 170 kW (Test 185 kW) –, hat der VW neun Minuten schneller wieder Energie für 200 km und gar 42 min früher für 300 km gespeichert. Daher ist er auf langen Strecken, für die beide Navis Ladestopps mitkalkulieren, nicht wenige Minuten, sondern einige Viertelstündchen fixer.
Flinker fährt er dazu. Das Heckmotor-Layout ermöglicht ihm einen engeren Wendekreis und gewandtere Handlichkeit. Auch das Handling profitiert davon, dass die Vorderräder nur Richtungsanpassung, aber keine Antriebsaufgaben umsetzen müssen. Und, eh klar, nichts an Antriebseinflüssen kann in der klar ausgefilterten Rückmeldung der Lenkung herumzerren. So kurvt der VW ID.3 neutraler in Biegungen, hält die Linie exakter, lässt sich mit einem kleinen Stieber des Hecks beim Beschleunigen auf die nächste Gerade stupsen.
Das bleibt harmlos, kann Unbedarfte aber aufschrecken und lässt das ESP öfter einschreiten als beim Kona. Doch mit der nicht gar so breit aufgestellten, aber souveräner unterstützenden Assistenz, optionalem Matrix-LED (18 LEDs/Scheinwerfer) und der trotz Trommeln hinten standfesten Bremsen gewinnt der VW die Sicherheitswertung. Wie auch das Komfortkapitel. Die serienmäßigen Ergo-Sitze bieten schmiegsamen Halt, das adaptivgedämpfte Fahrwerk spricht beflissener auf Unebenheiten an, federt grobe Wellen sorgsam aus, stemmt sich Karosseriebewegungen standhafter entgegen.
In Zukunft vergangen
So mag man am VW ID.3 die weiterhin verworrene Bedienung und die noch immer nicht gerade prunkvolle Materialauswahl bekritteln. Aber das mit dem Fahren, das hat er hervorragend drauf – klar besser als der Kona. Den stattet Hyundai als Prime deutlich festlicher aus als VW den ID.3 Pro S. Doch bei beiden erlangt das Preisniveau ohnehin hohe Stattlichkeit. Erheblicher ist der Vorteil der acht Jahre Garantie, die Hyundai nicht nur auf den Akku gibt, sondern auf den ganzen Kona.
Dass der ID.3 beim Verkauf noch immer nicht zu großer Form aufläuft, dürfte, nun, vorrangig an seiner Form liegen. Was selbst in WOB nicht unbemerkt blieb. So wird der ID.3, ungeachtet seines Sieges, voraussichtlich in nicht allzu ferner Zukunft Vergangenheit sein: 2028 soll ihn ein E-Golf ersetzen. Dann wird den Golf eine 52 Jahre alte Vergangenheit einholen. Wie auch immer genau sie das mit dem Elektro-Golf I von 1976 – sein E-Motor hat 20 kW, die 16 Sechs-Volt-Akkus müssen für 60 km Reichweite zwölf Stunden laden – anstellen wird.
Hyundai Kona Elektro 160 kW Prime | VW ID.3 Pro S (77 kWh) 4-Sitzer Pro S | |
Grundpreis | 50.690 € | 47.595 € |
Außenmaße | 4355 x 1825 x 1580 mm | 4264 x 1809 x 1564 mm |
Kofferraumvolumen | 466 bis 1300 l | 385 bis 1267 l |
Höchstgeschwindigkeit | 172 km/h | 160 km/h |
0-100 km/h | 8,1 s | 7,8 s |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km |
Testverbrauch | 23,6 kWh/100 km | 23,8 kWh/100 km |