Eins-Komma-neun-fünf-fünf-acht-drei – mit dieser Zahlenreihe stimmen wir uns auf den 1. Januar und ein Jubiläum ein, zu dem man am besten Käse-/Mettigel, gefüllte Eier, Toast Hawaii oder ein anderes wirtschaftswunderliches Gute-alte-Zeiten-Essen serviert: 20 Jahre Euro in Mark umrechnen. Doch gerade bei einem Kleinwagen-Vergleichstest drängt sich das auf, wenn etwa der Polo in Bestausstattung antritt, in der er 26.840 Euro kostet. Das waren mal? Genau: 36.116 Mark. Dann nämlich, wenn man Lohn- und Preissteigerung berücksichtigt und damit den Aufreger-Effekt reduziert.
Was nichts daran ändert, dass es eine enorme Summe für einen Kleinwagen gewesen wäre vor 20 Jahren. Auch heute sind gut 23.000 bis knapp 28.000 Euro stattliche Preise in der Viermeterklasse – selbst für kräftige Dreizylinder-Turbobenziner mit festlicher Ausstattung samt Automatik (Opel) und Doppelkupplungsboxen (Kia, Seat, VW). Wir klären, ob die vier das Geld wert sind und ob die kleinen Facelifts bei Polo und Ibiza ausreichen, um vorn zu bleiben.
VW: Nach bestem Kissen
Also, die hatten wir nicht nur ein-, sondern fünfmal, die Sache mit neuen Scheinwerfern und Rückleuchten beim Polo: 1979, 1990, 1999, 2005 und 2014. Jede Generation des seit 1975 gebauten Polo bekam um die Karrierehalbzeit die Lampen aufgefescht, doch nie steckte mehr dahinter als jetzt. Denn erstmals erhält er – in der getesteten R-Line serienmäßig – Matrix-LED-Scheinwerfer. Das System steuert acht LEDs pro Scheinwerfer so an, dass der Gegenverkehr oder vorausfahrende Autos aus dem Fernlichtkegel ausgeblendet werden (so was hatte vor 20 Jahren noch keiner, gab es erst ab 2010 im VW Touareg mit Xenon und Drehwalzen).
Wie beim Corsa , für den es auch adaptives LED-Licht mit blendfreiem Dauerfernlicht gibt, leuchtet einem der große Vorteil dieser Neuerung gleich bei der ersten Nachtfahrt ein. Von einer anderen wünschen wir Polo-Piloten, sie nie zu sehen zu bekommen. Denn zwischen den Vordersitzen pufft bei einem Unfall nun ein Mittelairbag auf. Das Luftkissen soll verhindern, dass die Köpfe von Fahrer und Beifahrer aneinanderprallen.
Schließlich gibt es Neuerungen, die den Polo anders, aber nicht besser machen: die neue Klima- und Infotainment-Bedienung etwa. So gilt es wie in Golf, Tiguan oder Passat, den Wandel des Innenraumklimas über berührsensible Tastflächen herbeizuführen. Wobei sich dieses Bedien-Ärgernis durch die günstigere Basisversion umgehen lässt, denn deren serienmäßige Klimaanlage hat Drehregler.
Zu Verzicht raten wir auch beim großen Infotainment-System (1.670 Euro), durch dessen knobelige Menüs man sich über den 9,2-Zoll-Touchscreen fingern muss. Übrigens lässt sich die Navi-Funktion noch nachträglich zum Infotainment dazubuchen, sie purzelt ganz modern per Update drauf. Zudem sind die Instrumente nun digitalisiert. Und wenn wir hier sogar noch die zweiteiligen LED-Leuchten am Heck erwähnen, weist das darauf hin, dass VW hier nicht das große silvestrige Neuheiten-, sondern eher ein Tischfeuerwerk gezündet hat.
Das ermöglicht es dem Polo zugleich, in vielen Bereichen unverändert gut zu bleiben. Etwa beim Raumangebot für Passagiere und Gepäck, mit dem er sogar in der größeren Kompaktklasse auftreten könnte. Auf der fest gepolsterten und ausgeformten Rückbank kommen zwei Erwachsene locker unter, Pilot und Co sitzen auf bequemen Sesseln. Auch Alltags- und Funktionsgeschick – gute Rundumsicht, bequemer Einstieg, große Ablagen und die zweiteilig klappbare Rücksitzlehne – hat jeder Polo drauf.
Drunter, und zwar unter der Haube, hat jeder derzeit einen Einliter-Dreizylinder. Es gibt ihn als Sauger mit 80 PS sowie in drei Turbovarianten mit 90 (Erdgasversion), 95 und wie hier 110 PS. Ein kurzer Druck auf den Startknopf, der Benziner springt an, Wählhebel auf "D", und ab dafür. Ja, der Polo geht motiviert voran, trotz kurzen Anfahrzauderns, das die Ladedruckflaute und das kleine Losfahr-Ungeschick des ansonsten treffsicheren Doppelkupplungsgetriebes veranstalten.
Beim Ausdrehen tönt der TSI-Motor vom munter Trommeligen ins herb Kernige, ist jedoch ein ebenso vollwertig-reisetalentiertes wie effizientes Triebwerk. Obwohl er als einzigen Sparkniff in Rollphasen den Leerlauf einlegt, liegt sein Testverbrauch mit 6,7 l/100 km nur 0,1 Liter über dem des Kia Rio , der ein Mildhybridsystem auffährt.
Bei den Fahrdynamiktests stürmt der VW zwar nicht auf und davon, erzielt aber mit optionalen 17-Zoll-Rädern (340 Euro) einen kleinen Vorsprung. Vor allem auf ganz normalen Straßen fährt er besonders souverän, nicht zuletzt, weil er sich im Vergleich zum Ibiza beim Handling etwas zurücknimmt – mit der weniger direkt ansprechenden und diskreter rückmeldenden Lenkung sowie dem komfortableren Fahrwerk.
Trotz des leicht angestrafften Set-ups spricht die Federung bei leerem Wagen gut auf Unebenheiten an und steckt beladen gröbere Wellen ordentlich weg. Besser kann das hier keiner. Dazu bringt der Polo die umfangreichste Sicherheits- und eine große Assistenzausrüstung mit, sogar mit aktiver Spur- und Tempoführung. Mit vergleichbarer Ausstattung kostet er hier zwar am meisten, doch bislang hat es trotzdem meist zum Sieg gereicht – und jetzt?
Seat: Weg? Weiß er!
Na, jetzt kommt der Ibiza. Er nutzt dasselbe technische Unterzeug wie der Polo, den MQB A0, welcher ihm eine ebenso hohe Raumeffizienz und Platzfülle verschafft. Seine Bedienung organisiert er sogar etwas geschickter – mit normalen Reglern fürs Klima und Drehwalzen am Lenkrad für die Infotainment-Lautstärke. Huchje, denken Sie, Lautstärke-Drehwalzen am Lenkrad, wenn es darauf schon ankommt. Nun, hier schon, und zwar nicht nur, weil sich damit ein wenig die Umstandskrämerei der überkandidelten Infotainment-Struktur umgehen lässt, sondern auch, weil Ibiza und Polo am Ende so eng beieinanderliegen.
Dabei wissen sie im Konzern ja schon, wie sie einem VW Vorteile verschaffen können. Den Mittelairbag bekommt der Ibiza ebenso wenig wie proaktive Gurtstraffer oder Matrix-LED. Serienmäßig leuchtet er mit Eco-LED (nur Abblendlicht), Voll-LED kostet 600 Euro. Bei der Assistenz fehlt der Totwinkelwarner, aber optional gibt es den viel aufwendigeren Travel Assist: die aktive Spurführung, mit welcher der Ibiza den Streckenverlauf erkennt und teilautonom fährt.
Eine nicht so wegweisende Entscheidung: Bei der Materialgüte hat sich VW an Seat angepasst. Beide sind solide, aber Kia bekommt das ebenso gut hin. Dabei war das mal Qualitätsmerkmal bei VW.
Ein Gemeinsamkeitsmerkmal von Polo und Ibiza? Der Antrieb. Ob die minimal eiligeren Beschleunigungswerte am eher bedeutungslos geringeren Gewicht (minus 23 kg) oder einem mit iberischem Temperament eingefahrenen spanischen Testwagen liegen? Suchen Sie es sich aus. Am Ende aber dürfte es sich wie die 0,1 l Verbrauchsunterschied in Testschnitt und Eco-Runde mit unromantischen Ursachen wie Serienstreuungen oder Messtoleranzen erklären.
Wo wir gerade bei der Toleranz sind: Ein wenig mehr als der VW bringt der Seat davon Freunden der heiteren Kurvenfahrt entgegen. Seine Lenkung spricht ebenso homogen, aber etwas gespitzter an, meldet inniger zurück. Mit dem strammeren Fahrwerk biegt er beherzter in Kurven, bleibt dabei ebenso lange neutral und souverän wie der Polo. So geht es im Ibiza bei aller Stabilität beschwingter voran – das bekommt ein Mini nicht vergnüglicher hin.
Ihre Stärken gewichten Polo und Ibiza zur Unterscheidung ihrer Charaktere. Gleichermaßen geräumig, alltags-, erst- und einzigautotalentiert, versucht der günstige Ibiza mit mehr Dynamik zu gewinnen, der Polo mit mehr Sicherheit und Komfort. Waren das nun die zwei, die sich um den Sieg stritten? Geduld, vielleicht gibt’s auch noch einen Dritten.
Kia: Alle Segeln der Kunst
Ach nee, jetzt dichten sie auch noch. Keine Sorge, schon wenden wir uns wieder schnöden Tatsachen zu. Etwa jener, dass den ersten Exemplaren des aktuellen Rio von den sieben Jahren Neuwagengarantie bald nur noch zwei bleiben. Schließlich startete der Rio im Januar 2017. Doch Kia hat ihn stetig modernisiert. Zuletzt bekam er ein Infotainment mit cleverer Sprachbedienung samt Online-Verbindung ins bestens bedienbare Cockpit.
Wichtiger: der 48-Volt-Mildhybrid für den Dreizylinder. Den unterstützt ein Riemenstartergenerator beim Beschleunigen mit – arg mildem – E-Boost. Im Schiebebetrieb generiert er Energie, die er in eine Lithium-Ionen-Polymer-Batterie unter dem Ladeboden speichert. Ihre knapp 0,5 kWh Kapazität genügen, um Elektrik und Elektronik zu bestromen, wenn das System in Rollphasen den Leerlauf einlegt und den Motor ausknipst.
Ein Vorgang, der den großen Namen "antriebsloses Segeln" trägt, aber nur kleine Vorteile schafft. Trotz des ganzen Aufwands liegt der Verbrauch des Rio auf dem Niveau von Polo und Ibiza, seine Fahrleistungen etwas darunter. Wegen der imposanten Geräuschkulisse hört sich die dezente Entfaltung der 120 PS und 200 Nm eiliger an, als sie ist. Auch stürmische Wind- und poltrige Fahrwerksgeräusche mindern den Komfort, aber mehr noch die Federung.
Sie spricht herb auf Unebenheiten an, droht bei voller Zuladung auf kurzen Stößen durchzuschlagen. Trotz der strammen Abstimmung schwingt der Kia langen Unebenheiten nach und wankt stärker in Kurven. Dabei hätte er gute Anlagen fürs Handling: Die präzise Lenkung meldet solide zurück, arbeitet jedoch nicht ganz homogen. Zudem schubbert der Rio früh in unambitioniertes Untersteuern – alles gut damit bei der Fahrsicherheit. Nur bei den Bremsentests aus 130 km/h steht er als Einziger erst nach der 60-Meter-Marke.
Und während die vordere Sitzposition zu abgehoben ist, um sich beim Fahren integriert zu fühlen, kommt man sich auf der Rückbank eher überintegriert vor. Denn sowohl beim Knieraum im Fond als auch beim Ladevolumen liegt der Kia hinter Seat und VW, und wegen des ansteigenden Bodens lässt sich das Gepäckabteil weniger gut nutzen.
Ob es so zum Sieg reichen kann? Immerhin muss der Rio die dürftigen Lichtoptionen und die schmaler aufgestellte Assistenzabteilung samt übergriffigem Spurführer ausgleichen. Das wird trotz viel Ausstattung, günstigem Preis und sieben Jahren Garantie garantiert nicht leicht.
Opel: Teile mit Eile
Wo wir schon bei der Vorschau auf die Festlichkeiten des Jahres 2022 waren, hätten wir noch eine: 40 Jahre Opel Corsa. Die letzten 16 verbrachte er auf fremdem Boden – besser gesagt: fremden Bodengruppen. Corsa D und E nutzten in einer ersten Liaison mit Fiat jene des Punto, der seit 2019 aktuelle Corsa baut auf der CMP-Plattform des Stellantis-Clans auf, womit neben PSA auch Fiat wieder zur Verwandtschaft zählt.
Mit dem Konzerncousin Peugeot 208 teilt sich der Corsa die technische Basis bis hin zur Bedienung. So übernimmt er das kleinteilige Digital-Instrumentarium und den zentralen Touchscreen mit tief verschachtelten Menüs. Ein paar geschickte Eigenheiten mogelten die Opel-Ingenieure ins Cockpit: die Klima-Drehregler unter den Monitor und eine Tastenleiste für die Spurassistenz vor den Wählhebel.
Ohnehin zählt Sicherheit zu den Stärken des Corsa, nicht nur wegen der umfangreichen, günstigen Assistenz- und Lichtoptionen (auch hier: blendfreies Dauerfernlicht). Zudem bremst er mit 17-Zoll-Reifen (400 Euro) aus 100 km/h mit 11,7 m/s2 und steht nach 32,9 m – eine Verzögerungsvehemenz, die gar den Porsche 911 GT3 (Test in ams 20/2021) herausfordert, übertrifft der sie doch nur um fast beschämend geringe 0,2 m/s2.
Auch voran geht es mit dem Corsa temperamentvoller – also nicht im Vergleich zum GT3, sondern zu seinen drei Rivalen hier. Mit dem größten Motor (ein 1.200er! Macht 20 Prozent mehr Hubraum), der meisten Leistung und Kraft legt der leichte Opel los – energisch in der Beschleunigung, drangvoll im Durchzug, aufmüpfig im Ton und freundlich unterstützt von der Achtstufenautomatik mit knappen Gangsprüngen. Doch verhaspelt sie sich öfter beim Sortieren der Stufen, braucht eine Orientierungsphase, als wisse sie nicht recht wohin mit all dem Temperament des Motors.
Ein Problem, das umgehend auch das Fahrwerk betrifft. Trotz der straffen, auf kurzen Unebenheiten hoppeligen Federung ist es mit der soften Dämpfung nicht recht auf solche Dynamikausbrüche eingestellt. Gleiches gilt für die Lenkung, die nicht so gleichmäßig anspricht und sich wegen geringerer Präzision und Rückmeldung weniger zielsicher anfühlt als die von VW und Seat.
Wie man sich sonst so fühlt im Corsa? Hat man sich durch die schmale Fondtür gewunden, hockt man wegen der knappen Innenhöhe beengt auf der steillehnigen Rückbank. Zu viert auf große Reise wird es ohnehin eher selten gehen, denn der Kofferraum ist knapp. Zudem lässt er sich wegen der hohen Außenkante und der schmaleren Öffnung mühsamer beladen, wegen der Klappstufe ungeschickter variieren.
Dass der Opel am meisten kostet, relativiert seine festliche Ausstattung noch etwas, doch verursacht er auch die intensivsten Unterhaltskosten. Höflich formuliert: Es gab Corsa-Generationen, die bei Effizienz (hier 7,0 l/100 km im Test), Platzangebot, Komfort und Alltagsgeschick ihren Konkurrenten oder gar der Zeit voraus waren, diese ist es nicht. So finden sie nicht zusammen, der Corsa und der Sieg. Den holt der Polo, der zwar insgesamt am teuersten ist, aber insgesamt eben auch am besten. Oder ganz berechnend: ohne Preis kein Fleiß.
Fazit
Ein wenig mehr: Kleine Vorteile bei Komfort, Licht- und Sicherheitsausstattung verschaffen ihm den Vorsprung, um auch den höheren Preis abzufedern.
Ein wenig weniger: Etwas schwächere Bremsen und eingeschränkte Sicherheitsoptionen kosten den raumreichen, agileren, günstigeren Ibiza den Sieg.
Mehr oder weniger: Dank des effizienten Antriebs und der klasse Bedienung kann der günstige Rio noch mithalten, trotz Schwächen bei Bremsen und Komfort.
Mehr weniger: Bei Fahrleistungen und Bremsen liegt er vorn. Reicht nicht, um Schwächen bei Raumangebot, Bedienung und Komfort auszugleichen.
Kia Rio 1.0 T-GDI 120 GT-Line | Opel Corsa 1.2 DI Turbo Ultimate | Seat Ibiza 1.0 TSI Xcellence | VW Polo 1.0 TSI R-Line | |
Grundpreis | 25.040 € | 29.520 € | 26.965 € | 30.665 € |
Außenmaße | 4070 x 1725 x 1450 mm | 4060 x 1765 x 1433 mm | 4059 x 1780 x 1447 mm | 4074 x 1751 x 1451 mm |
Kofferraumvolumen | 325 bis 1103 l | 309 bis 1081 l | 355 bis 1165 l | 351 bis 1125 l |
Hubraum / Motor | 998 cm³ / 3-Zylinder | 1199 cm³ / 3-Zylinder | 999 cm³ / 3-Zylinder | 999 cm³ / 3-Zylinder |
Leistung | 88 kW / 120 PS bei 6000 U/min | 96 kW / 130 PS bei 5500 U/min | 81 kW / 110 PS bei 5500 U/min | 81 kW / 110 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 190 km/h | 208 km/h | 195 km/h | 187 km/h |
0-100 km/h | 10,9 s | 9,4 s | 9,8 s | 10,0 s |
Verbrauch | 4,7 l/100 km | 4,5 l/100 km | 5,8 l/100 km | 5,6 l/100 km |
Testverbrauch | 6,6 l/100 km | 7,0 l/100 km | 6,6 l/100 km | 6,7 l/100 km |