Kia Sorento Hybrid AWD & Seat Tarraco 4drive Test

Kia Sorento Hybrid AWD & Seat Tarraco 4drive Test
Verbrenner- gegen Hybrid-SUV

Der neue Kia Sorento und sein Klassenkamerad Seat Tarraco übernehmen als größte SUV ihrer Hersteller die Promi-Rolle in den Autohäusern. Zum Vergleichstest treten sie mit Allradantrieb und Turbo-Benzinmotoren an, beim Kia als Hybrid. Welches Technik-Paket überzeugt?

Kia Sorento 1.6 T-GDI, Seat Tarraco 2.0 TSI
Foto: Achim Hartmann

Ja, Sie haben schon recht: Der Vorspann braucht eine klärende Fußnote. Unterschlagen haben wir nämlich den in Europa nicht vertriebenen Amerika-SUV Kia Telluride, der so groß ist wie ein BMW X5. Außerdem gehört ja in aller Regel dem größten Modell der Flaggschiff Status – das ist bei Seat der Alhambra. Zwar hält der in einem aussterbenden Segment wacker die Stellung, aber Familien-Vans waren ja schon keine Werbeträger, als die Gattung noch relevant war. De facto haben wir hier also ein Flaggschiff-Duell zweier BMW-X3-Konkurrenten.

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Kias neuer Star ist der Sorento in vierter Generation, wegen seines stattlichen Assistenzarsenals auch technologisch betrachtet. Das umfasst etwa einen an die Verkehrszeichenerkennung gekoppelten Abstandstempomaten, eine aktive Spurführung oder auch einen Totwinkelassistenten, der im Zweifel per Lenkung und Bremse eingreift.

Ein Mittenairbag soll die vorne Sitzenden bei einem Unfall voreinander schützen, wobei die überaus wirksame Bremsanlage zur aktiven Vermeidung beiträgt: Schon der Seat verzögert nachdrücklich, den absoluten Spitzenwert des Kia bei der 100-auf-0-km/h-Bremsung erreicht er aber nicht: 33,7 zu 34,9 Meter. Dennoch wären beim Sorento weniger sensible Reaktionen auf Bremspedalbewegungen wünschenswert.

Ziemlich wunschlos kann man hingegen mit der Spirit-Ausstattung sein, die beispielsweise eine Teillederausstattung inklusive vier Sitzheizungen, eine elektrische Heckklappe sowie eine klangstarke Bose-Anlage beinhaltet. Hinzu kommt eine per Ventilsystem in den Hinterachsstoßdämpfern umgesetzte Niveauregulierung. Im Vergleich mit dem Seat ist sie ein Exklusiv-Feature, genau wie etwa das Head-up-Display oder die Sitzlüftung: Für beides muss es jedoch die 4.000 Euro teurere Platinum-Topversion sein. Nur kostet schon der Spirit 52.290 Euro, somit 8.750 Euro mehr als der ebenfalls ordentlich ausgestattete Tarraco FR – nach einer Ausstattungsangleichung beträgt die Differenz noch rund 5.000 Euro.

Hybrid versus Verbrenner

Kia Sorento 1.6 T-GDI
Achim Hartmann
Kia Sorento 1.6 T-GDI Hyb. AWD: 180 PS (+ 44 kW), Vmax: 193 km/h, Testverbrauch: 7,9 l/ 100 km, Karosserielänge: 4,81 Meter

Unberücksichtigt bleibt dabei der kostenintensivere Hybridantriebsstrang des Kia: Den 1,6-Liter-Benziner mit 180 PS ergänzt ein 44-kW-Elektromotor im Gehäuse der Sechsstufenautomatik, die Energie liefert eine unter dem Beifahrersitz verbaute 270-Volt-Batterie (1,49 kWh). Im Seat werkelt ein 190 PS starker Zweilitermotor, der wegen einer Überarbeitung seines Abgassystems erst ab Februar wieder im Konfigurator stehen wird, dann mit Euro-6d-Norm ohne "Temp" – und alternativ übrigens auch mit 245 PS.

Auf dem Testgelände beschleunigt der Tarraco nur geringfügig schneller, beim doppelten Spurwechsel baut er seinen Vorsprung deutlicher aus – um ihn dann beim Slalom zu verschenken. Obwohl er als FR eigentlich für Dynamik stehen soll, fährt er dem weich abgestimmten Kia knapp hinterher. Der Grund? Das Tarraco-ESP regelt bei der Agilitätsprüfung auch im Sportmodus viel zu strikt.

Auf der Landstraße fummelt es dagegen nicht groß rein, vor allem fährt der FR hier direkt angebunden und so präzise, dass Bewegungen an der sauber rückmeldenden Lenkung selbst dann noch gut umgesetzt werden, wenn die Seitenführungskräfte in der Kurve schon recht hoch sind. Jedoch verpennt die Sport-Schaltstrategie des Doppelkupplungsgetriebes oft den richtigen Zeitpunkt zum Runterschalten. Das Problem lässt sich im manuellen Modus mit den Schaltwippen lösen; außerdem arbeitet das Getriebe grundsätzlich zügig und im Alltag ruckfrei sowie sinnvoll.

Die Kia-Automatik wiederum schaltet zwar weich, grundsätzlich aber eher träge, auf manuelle Schaltbefehle reagiert sie oft verzögert. Zusätzlich fällt das Schnellfahren auf kurvigen Strecken wegen der ziemlich starken Wankneigung eher schwer, was den Fahrspaß weiter einschränkt. Auch fühlt sich der Seat nicht nur insgesamt kraftvoller an, er hängt den Sorento auf der Autobahn auch zeitnah ab, sobald dessen kleine Hochvoltbatterie leer ist – dann ist nämlich Schluss mit 230 PS Systemleistung.

Innerorts kommt das mit häufigen Rekuperationsphasen nicht vor, so brilliert der effiziente Kia dort mit einem überaus komfortablen Anfahrverhalten: Völlig mühelos geht’s an der Ampel sofort fix los, Gleiches gilt nach dem Abbiegen – da hält der Tarraco trotz aufgewecktem Turbolader nicht mit. Rein elektrisch fährt der Kia vornehmlich bergab, dabei hält er die im Tempomat eingestellte Geschwindigkeit punktgenau.

Fahrkomfort liefert er also reichlich, ein rückenschmerzengeplagter Kollege bejubelt auch die Lordosenstütze, die sich wie ein großes Kissen aus der Lehne drückt. Eine coole Idee sind auch die gesplitteten Luftausströmer: Davon gibt’s vorn acht Stück, von denen die vier kleineren auf die Sitzflächen gerichtet werden können. Bedauerlich allerdings, dass die an sich ordentliche Federung nicht entweder noch weicher federt oder alternativ genügend straff, um den Aufbau noch ruhiger zu halten – so wie es der adaptivgedämpfte Tarraco schafft, ohne zu hart abzurollen.

Großer Komfort für vier

Seat Tarraco 2.0 TSI
Achim Hartmann
Seat Tarraco 2.0 TSI 4Drive: 190 PS (kein Hybrid), Vmax: 211 km/h, Testverbrauch: 9,2 l/ 100 km, Karosserielänge: 4,74 Meter.

Richtig bequem sind die Fonds hier wie dort, denn auf den serienmäßig verschiebbaren sowie lehnenneigbaren Rückbänken herrscht oberklassige Beinfreiheit. Der Kia hat sogar noch 7 cm mehr davon, allerdings ist der seitliche Raum so üppig, dass die Türarmlehnen schon etwas weit weg sind. Der Seat trumpft mit einer dritten Klimazone und extra Fondluftausstömern auf, zusätzlich fällt die Fußbewegungsfreiheit unter den Vordersitzen hervorragend aus – die ist im Sorento nur okay; dafür sitzt man dort vorn niedriger, wird aber weniger stark gehalten als im Seat.

In dessen optionaler dritten Reihe sitzen Kinder und Schnick-Schnack-Schnuck-Verlierer richtig nah am Kofferraumboden. Der Kia-Testwagen ist mit der Option (990 Euro) nicht ausgerüstet. Beim Blick auf die Kofferaumvolumina liegt die Vermutung nahe, dass es im Sorento mit drei Sitzreihen mindestens so eng würde wie im Tarraco. Dieser bietet trotz der Extra-Sitze 700 Liter Kofferraumvolumen, der fünfsitzige Kia hat 697 Liter. 760 Liter sind es beim Seat ohne dritte Sitzreihe.

Uns bleibt hier noch Platz, um die Bedienung der beiden zu besprechen, die prinzipiell in Ordnung geht. Allerdings setzen die Koreaner jetzt auf Touch-Direktwahltasten am Navi und eine Touch-Bedienfläche zur Klimasteuerung: Das ist freilich fummeliger als echte Knöpfe. Den rechten Dreh-Drück-Steller nutzen sie aus unerklärlichen Gründen weiterhin nicht für die Menüführung. Seat hat den zweiten Drehregler – der die Menüpunktauswahl unterstützte – einfach abgeschafft. Die Klimabedienung im Tarraco war bisher perfekt. Und jetzt? Na klar: Touch-Fläche.

Für diesen Abspann hätten wir jetzt gerne eine klärende Fußnote – von den Entwicklern der Systeme.

Technische Daten
Kia Sorento 1.6 T-GDI Hybrid AWD Spirit
Grundpreis60.690 €
Außenmaße4815 x 1900 x 1700 mm
Kofferraumvolumen697 bis 2085 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder
Leistung118 kW / 160 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit183 km/h
0-100 km/h9,0 s
Verbrauch6,2 l/100 km
Testverbrauch7,9 l/100 km