Na, warum sollen nicht auch wir mal mit einer Plattitüde beginnen dürfen? Also, bezaubernde Damen, verehrte Herren: Es kommt auf die Sichtweise an. Was von unten nach Snobismus aussehen mag, kann von oben als Klassenbewusstsein verstanden werden – etwa 1970 aus der erhabenen Sitzposition eines Range Rover. Karg und zweitürig begründet der eine Dynastie ersten Ranges. Prototypen für den sogenannten Road Rover kurven schon in den 1950ern herum. Wie es sich für die britische Autoindustrie gehört, wird die Idee aber zwei Dekaden vertüddelt. An sich sieht das Konzept des Road Rover einen luxuriösen, allradgetriebenen Kombi vor. Das nimmt 2017 der Velar auf. Die Begeisterung, mit der er damals gefeiert wird, steht im Gegensatz zum diskreten Verkaufserfolg.
Dabei scheint es doch, als bringe der Velar alles mit, was ein gehobener SUV derzeit braucht: Stil, Platz, dazu einen kleinen Benziner, wie ihn die Kunden angeblich schätzen. Klären wir mal, ob der Velar ein verkanntes Talent ist – im Test gegen das im Juli aufgefrischte GLC Coupé.
Wollen ihm was anhängen
Obwohl es viel Neues nicht zu vermelden gibt zur Modellpflege, dürfte der GLC neue Anhänger finden: Mit dem Rangierassistenten unterstützt er Gespannfahrer, wenn die einen Trailer am Haken haben. Zudem bekam er das MBUX-Infotainment, mit dessen Sprachassistenten sich allerlei Funktionen bereden lassen. Wobei seine Brillanz nicht ausgleichen kann, dass die weitere Bediensystematik kleinteilig, tiefgründig und umständlich geriet. Allerdings kann es der Velar noch kleinteiliger, tiefgründiger, umständlicher.
Die Pressemappe zum Wagen, ansonsten der Euphorie zugeneigt („Im Velar hat der Anspruch sein Zuhause“), verfällt in unerwartete Aufrichtigkeit, wenn es um das Cockpit mit „verborgenen Bedieneinheiten“ geht. Die nicht gar so verborgenen sind teils mehrfach belegt. So gibt es viel zu entdecken im Rover – womöglich nicht wie in den alten Zeiten des Landys fremde Länder und Völker, die es mühsam dem Empire zu unterwerfen galt. Ähnliche Widerborstigkeit kann man nun aber im Umgang mit dem Navigationssystem erleben. Auch weitere Funktionen zu ergründen, fordert ausgeprägten Forscherdrang. Dann findet sich Nützliches wie Außenbordkameras, die selbst die Wattiefe überwachen, oder ein Anhänger-Rangierassistent mit Ankoppel- und Beleuchtungstest-Unterstützung.
Oder die Kennlinien, mit denen sich der Allrad auf unterschiedliche Anforderungen konditioniert: Sand, Gras/Schotter/Schnee, Schlamm oder – durchaus die größte Herausforderung für den Wagen – Dynamik. Dabei kann die Lamellenkupplung die Kraft binnen 0,165 Sekunden vom 50:50-Standard zu 100 Prozent an eine Achse schicken. Ein sperrbares Hinterachsdifferenzial bekommen nur die Sechszylinder, der P250 behilft sich mit elektronisch geregelten Bremseingriffen. Eine Geländereduktion gibt es wie beim GLC nicht.
Teile und herrsche
Bei dem ist das einstufige Verteilergetriebe an die Neunstufenautomatik geflanscht. Es verteilt normalerweise 45 Prozent der Kraft nach vorn, 55 nach hinten. Auch hier ersetzen radselektive Bremseingriffe eine Sperre. Wobei wir uns fragen, ob das je einer bemerken wird, denn trotz aller Offroad-Fähigkeiten werden beide meist als Familien- und Reisewagen genutzt. Solche Alltagsaufgaben geht der Velar talentierter an – mit seiner Kombi-Form und üppigeren Abmessungen schafft er mehr Platz für Gepäck und Passagiere. Auf der Fondbank kommen auch drei Erwachsene unter. Noch bessere Aussicht auf Komfort wie auf die Straße ergeben sich auf den kuscheligen klimatisierbaren Vordersesseln. Knapper ist der Raum im GLC, was sich im kleineren Ladevolumen wie der reduzierten Kopffreiheit im Fond zeigt. Auch auf den hervorragenden Vordersitzen reist man beengter.
Jetzt aber los, Starterknopf drücken und kurz warten, bis sich das Getriebewählrad des Range erhoben hat. Ist alles schon geschrieben worden über den Drehregler, der eher aussieht, als könne man damit Wäschetrockner steuern als die Achtstufenautomatik 8HP45 von ZF, mit der die Vierzylinder verkuppelt sind (die Sechszylinder nutzen die 8HP70, gerade mit solch profundem Detailwissen lässt sich der Small Talk bei verspäteten Neujahrsempfängen ja immer hervorragend aufpeppen).
Nun wäre es sehr angesagt, könnten wir vermelden, wie behände und effizient das vorangeht mit einem Zweiliter-Turbobenziner in einem 1.964 kg schweren SUV. Geht es aber nicht, obwohl sich der Vierzylinder geräuschvoll abrackert. Doch der Twin-Scroll-Lader (zwei Ladeluftkanäle für schnelleres Ansprechen) hat nicht gleich die Puste, um den Velar kräftig anzuschieben. Trotz der treffsicheren Automatik kommt nicht jene Antriebssouveränität auf, die man in dieser Wagen- und Preisklasse erwartet. Und angesichts der dezenten Fahrleistungen erscheint ein Testverbrauch von elf Litern Super auf 100 Kilometer doch etwas intensiv.
Andererseits wüsste der Velar nicht so recht, wohin mit vehementerem Tempo. Mit der variabel übersetzten Lenkung gelingt es selten, Kurven in einem Zug zu durchfahren. Neben schummriger Präzision und diffuser Rückmeldung ergänzen starke Seitenneigung und übereifrige ESP-Eingriffe jeden Richtungswechsel. So muss sich das Vergnügen im Range anders ergeben – auf langen Reisen etwa, wobei es den 20-Zoll-Rädern gelingt, dem an sich guten Federungskomfort durch harsches Ansprechen auf kurze Unebenheiten den Glanz zu nehmen. Mit 2.500 Euro stellen die Räder einen erheblichen Posten in der Liste der Extras im Testwagen, die für die Kostenbewertung in den Grundpreis einberechnet werden – rund 14.000 Euro für Sitze, Fahrwerk, Räder, Displays.
Ein anderer Lenkansatz
Das GLC Coupé takelt sich mit testrelevanten Extras für rund 8.300 Euro auf, darunter die Luftfederung für 2.261 Euro. Sie mag auf kurze Unebenheiten unflauschig ansprechen, aber lange Wellen kann sie klasse, federt ausgewogen, ohne dass der GLC in starkes Wanken geriete. Anders als der adaptivgedämpfte Range bleibt der luftgepolsterte Mercedes selbst in der Sport-Kennlinie umgänglich, die prima für Landstraßen passt. Wie die Lenkung, die hohe Präzision und abgerundete Rückmeldung verbindet. So fährt er agiler und harmonischer als der Velar, wobei auch sein ESP zu Übereifer neigt. Traktion? Da ist hier wie dort alles gut.
Beim GLC gilt das auch für den Antrieb, seit er zur Modellpflege den Turbobenziner der Baureihe M 264 bekam. Der Zweiliter-Vierzylinder ist mit einem 48-Volt-Riemenstartergenerator kombiniert, der bis 2.500/min mit 10 kW und 150 Nm mitboostet und über das sachte Anfahrschwächeln hinweghilft. Zudem liefert das Mildhybridsystem Energie für Elektronik und Elektrik, wenn die Neunstufenautomatik im Schiebebetrieb in den Leerlauf schaltet und der Verbrenner im Eco-Modus ausgeknipst wird. Allerdings harmoniert das Wandlergetriebe mit dem Benziner nicht so perfekt wie mit den Dieseln, sortiert zwar inbrünstig, aber nicht immer zielgerichtet in seinen neun Stufen herum. Immerhin verschaffen Leistung, Zusatzboost und clevere Sparstrategie dem GLC 300 die besseren Fahrleistungen bei einem etwas weniger umfangreichen Verbrauch (10,2 l/100 km).
„Umfangreich“? Das passt als Überleitung zum breit aufgestellten und bis auf den Spurhalter mit fragwürdigem Bremseingriff bestens funktionierenden Assistenzarsenal des GLC. Da fährt der Velar weniger auf. Dazu schattet das Matrix-LED-Licht andere Autos nicht zuverlässig vom grellen Lichtkegel ab. Womit wir zu einem passenden Schluss gelangt wären: dass der Velar hier auch den GLC nicht in den Schatten stellen kann.
Fazit
Allzu spannend macht es der GLC ja nicht, liegt nur mit weniger Platz beim Karosseriekapitel zurück. Ansonsten: komfortabler, sparsamer, schneller, agiler, günstiger.
Allzu schwer wird es der Velar nicht nehmen. Erhabenheit des Auftritts und Macht des Allrads machen vieles wett: staksiges Handling, Mehrverbrauch oder gar das Bedienchaos.
Mercedes GLC Coupé 300 4Matic | Range Rover Velar P250 4WD | |
Grundpreis | 59.101 € | 56.002 € |
Außenmaße | 4731 x 1890 x 1600 mm | 4803 x 2041 x 1685 mm |
Kofferraumvolumen | 500 bis 1400 l | 673 bis 1731 l |
Hubraum / Motor | 1991 cm³ / 4-Zylinder | 1997 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 190 kW / 258 PS bei 5800 U/min | 184 kW / 250 PS bei 5500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h | 217 km/h |
0-100 km/h | 6,4 s | 8,2 s |
Verbrauch | 7,1 l/100 km | 7,7 l/100 km |
Testverbrauch | 10,2 l/100 km | 11,0 l/100 km |