Geheimnisvoll schimmert der zum Test angetretene Mercedes SL 350 Edition 1 in Kristallsilber Magno, einem Mattlack für mindestens 4.332 Euro extra. Eine stolze Summe für eine Lackierung? Wenn das große Ganze schon 130.513 Euro ausmacht, fallen die paar Scheinchen wohl auch nicht mehr sehr ins Gewicht. Und 3.511 Euro für die gelungene Fahrwerksregelung Active Body Control gehen dann fast ebenso als Peanuts durch wie das 2.678 Euro teure Fahrerassistenz-System Plus mit der im Notfall verlässlich zupackenden Pre-Safe-Bremse.
Im feudalen Innenraum steht feinstes rotes Raffleder im Dialog mit gebürstetem Aluminium und schwarzem Glattleder an roten Ziernähten. Pomp aus der Designo-Linie, die zum Sondermodell Edition 1 gehört. Es läutet in limitierter Stückzahl den Modellwechsel zur sechsten Generation ein und erklärt nicht zuletzt den exorbitanten Testwagenpreis. Gegenüber der Basis für 93.534 Euro gehört dann aber die AMG-Optik ebenso dazu wie eine 19-Zoll-Bereifung, hinter der die größer dimensionierte Bremsanlage des SL 500 mit perfekt zu dosierendem Biss und verlässlicher Standfestigkeit Dienst tut.
Mercedes SL 350 Edition 1 ist 50 Kilogramm leichter
Wuchtig und proper tritt der Neue „Super leicht“ auf. Mit seinen stattlichen Überhängen hat er in Länge und Breite gegenüber dem Vorgänger nochmal zugelegt. Und soll trotzdem leichter geworden sein? Optisch jedenfalls hinterlässt derMercedes SL 350 Edition 1 nicht den Eindruck, wenngleich die Waage etwas anderes verkündet. Denn trotz der fürstlichen Ausstattung bringt der Neue immerhin knapp 50 Kilogramm weniger Masse mit als ein früher zum Test angetretener Mercedes SL 350 der vorherigen Baureihe.
Längsdynamisch hilft das dem 306 PS starken, immerhin noch 1.801 Kilogramm schweren V6-Roadster dennoch nicht, sich überragend positiv in Szene zu setzen. Mit gemessenen 6,9 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h verfehlt der Mercedes SL 350 Edition 1 nicht nur die Zeit des Alten (6,7 s), sondern auch die Werksangabe von 5,9 Sekunden. Aber trotz des kleinen Fehltritts mangelt es dem Basis-SL keineswegs an subjektiv starkem Antritt. Sehnig hängt der 3,5-Liter-Motor am Gas, zieht gleichmäßig durch und lässt bei höheren Drehzahlen nicht nach. Zu jeder Zeit mischt er die richtige Dosis an V6-Timbre bei und spielt dann beim Spritkonsum seinen größten Trumpf aus: Auf der Verbrauchsrunde begnügt sich der Zweisitzer mit bescheidenen 6,8 Liter pro 100 Kilometer. Das kann sich sehen lassen. Im Testmittel sind es dann nicht minder exzellente 11,3 L/100 km.
Vor diesem Hintergrund lässt sich die Überlandtour mit dem Mercedes SL 350 Edition 1 erst richtig genießen. Hut ab – in der Tat, was leider nur maximal bei Schrittgeschwindigkeit klappt. Befreit vom Variodach strömt die Sommerbrise herein, deren Intensität durch die Höhe der Seitenscheiben und des elektrischen Windschotts fein zu dosieren ist.
Mercedes SL 350 besinnt sich auf sachliche Werte
Es bleibt, wie es war: Der Mercedes SL 350 ist ein automobiler Charmeur. Er bietet seiner Besatzung reichlich Raum zur Entfaltung und packt sie dennoch. Nicht nur mit den perfekten Multikontursitzen, die sich als erstrebenswertes Extra entpuppen. Auch das gefällige Cockpit integriert Fahrer & Co. exzellent ins Ganze, zitiert verspielt mit den Lüftungsdüsen den SLS und besinnt sich dennoch klar auf sachliche Werte. Bei der mercedestypischen Bedienung gibt es im neu aufgelegten Klassiker ebenfalls keine Extravaganzen. Und obwohl das Comand-System nicht mehr ganz taufrisch wirkt, behält der Pilot den Durchblick.
Den soll auch Magic Vision Control auf die Frontscheibe zaubern. Magisch ist die Technik zwar nicht, bei der die Reinigungsflüssigkeit wohldosiert direkt am Wischerblatt austritt, doch für ein Cabrio dieser Güte ist das ein erwähnenswertes Komfort-Goodie. Apropos Komfort: Sogar in der Sportstellung des adaptiven Fahrwerks brilliert der Mercedes SL 350 Edition 1 mit einem Feder- und Dämpfertalent, als würde er bei langsamer Fahrt einen Flokati vor sich ausrollen. Mit zunehmender Geschwindigkeit zieht das Fahrwerk sachte die Zügel an, kommt dabei nie außer Tritt.
Direktlenkung ausgewogen und wohlerzogen
Bei so viel Eleganz muss der Mercedes SL doch an Dynamik verloren haben – sollte man meinen. Tatsächlich wirft sich der gediegene Zweisitzer wie ein junger Wilder in die Kurve. Die optionale Direktlenkung darf sich getrost „von“ nennen, so exakt, ausgewogen und wohlerzogen mitteilungsfreudig geht sie zu Werke. Der Sprung vom Vorgänger zum Nachfolger – im Kurvenverlauf wird er plakativ. Dann machen sich das geringere Gewicht sowie die gestiegene Steifigkeit des größtenteils aus Aluminium gefertigten Chassis nachhaltig bemerkbar. Leichtfüßig, gewandt und jederzeit sicher beherrschbar wirbelt der Mercedes SL 350 Edition 1 trotz seiner Ausmaße fast schon kinderleicht durch die Extreme der Fahrdynamikgassen. Mit seinen erzielten Durchschnittsgeschwindigkeiten fügt er – auf eine sehr lässige Art – seiner langen Historie weitere Bestmarken hinzu.
Was ebenfalls dazu führt, dass er in seiner sechsten Auflage auch ohne Pomp und Raffleder das einfährt, was von einem Mercedes SL letztlich erwartet wird: fünf Sterne.
Fazit
Ein vorzüglicher Komfort, ein feines Benehmen – objektiv erfüllt der neue SL alle in ihn gesetzten Erwartungen. Zudem fährt er sich deutlich agiler und hält den Verbrauch in Grenzen.
Mercedes SL 350 | |
Grundpreis | 95.855 € |
Außenmaße | 4617 x 1877 x 1315 mm |
Kofferraumvolumen | 364 l |
Hubraum / Motor | 3498 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 225 kW / 306 PS bei 6500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
0-100 km/h | 6,9 s |
Verbrauch | 6,8 l/100 km |
Testverbrauch | 11,3 l/100 km |