Dass die Entwickler um den heutigen AMG-Chef Tobias Moers völlig freie Hand hatten, als es ab 2007 um die Konzeption und Ausführung des Mercedes SLS AMG Black Series ging, ist nicht allein dem Umstand zu verdanken, dass dies das erste, völlig in Eigenregie realisierte Sportwagenprojekt der Mercedes-Tochter war.
Stichhaltigere Belege dafür sind da eher schon die 115 Rennsiege, die die Wiedergeburt des legendären SL in der kurzen Zeit seiner Existenz auf den Rennstrecken dieser Welt eingefahren hat. Sie sprechen für die enorme Durchsetzungskraft des technischen Konzepts im Mercedes SLS AMG Black Series. Die stärksten Indizien für die bemerkenswerte Politik der freien Hand aber sind sprichwörtlich im Detail versteckt.
Speziell bei der jüngsten SLS-Version, die laut ihrer Schöpfer ein originäres Bindeglied zwischen dem Straßensportler SLS AMG und der Rennversion SLS AMG GT3 darstellt: Die Black Series-Variante, deren Bezeichnung sich nicht etwa, wie man angesichts der Bilder annehmen könnte, aus seiner Lackierung ableitet, sondern aus einer Vielzahl technisch sehr besonderer Lösungen. Solche, die einem normalen, stets unter enormen Kostendruck arbeitenden Automobilkonstrukteur wie Verheißungen aus dem Automobil-Himmel vorkommen müssen.
Mercedes SLS AMG Black Series mit viel Karbonmaterial
Beispiel gefällig? Den normalerweise beim SLS aus leichtem Alu Fahrminium gegossenen Torque Tube, also die kaum 28 Kilo schwere, 1,64 Meter lange, rohrartige Verbindung zwischen dem vorn oder besser: hinter der Vorderachse liegenden V8-Motor und dem vor der Hinterachse platzierten Doppelkupplungsgetriebe, gegen ein in Form und Abmessungen identisches, aber aus deutlich leichterem (und viel teurerem) Karbonmaterial ersetzen zu dürfen, kann nur zweierlei bedeuten: Geld spielt beim Mercedes SLS AMG Black Series keine Rolle, und/oder der Zweck heiligt alle Mittel.
Die mit knapp über 13 Kilogramm bezifferte Abspeckmaßnahme ist deshalb umso bemerkenswerter, als es selbst technisch interessierten Mercedes SLS AMG Black Series-Besitzern kaum je vergönnt sein wird, das handwerklich exzellent gearbeitete, extrem verwindungssteife Gehäuse zu Gesicht zu bekommen - dem steht der aus aerodynamischen Gründen fast ganzflächig geschlossene Unterboden entgegen. Ebenso wenig die darin mit Motordrehzahl rotierende, gleichfalls aus CFK gefertigte Antriebswelle. Diese bringt bei aller Extrembelastung - Stichwort: 631 PS und 635 Newtonmeter Drehmoment -, gerade mal 4.700 Gramm auf die Waage.
In ihrer schönen Struktur gleichfalls unsichtbar, weil lackiert, sind auch die CFK-Materialien des Mercedes SLS AMG Black Series, aus denen die fast zwei Meter lange Motorhaube, die Innenraum-Rückwand, die Diagonalstreben am Unterboden sowie das aerodynamische Flügelwerk gearbeitet sind.
Während der teure Werkstoff, zuweilen auch als übles Imitat, woanders oft nur optische Befriedigung verschaffen kann, weil der eigentliche Zweck - Gewichtsreduzierung - an anderen Stellen sträflich außer Acht gelassen wurde, exekutiert AMG am Beispiel des Mercedes SLS AMG Black Series dieselbe Professionalität, die im internationalen Automobilrennsport gang und gäbe ist - bezeichnenderweise unter dem Titel AMG Lightweight Performance.
Der SLS Black Series ist ein Rennfahrzeug mit Straßenzulassung
Startnummern und Sponsoraufkleber wären eigentlich eine ehrliche Bestätigung dessen, was der schwarze SLS im Grunde seiner Aluminiumstruktur darstellt: ein Rennfahrzeug mit Straßenzulassung.
Dass er in Hinblick auf lange Reisetätigkeiten wenig zu bieten hat (bis auf einen angemessen großen Kofferraum) und auf der anderen Seite wegen seiner schieren Größe auch im Stadtverkehr ziemlich deplatziert wirkt - obwohl der Mercedes SLS AMG Black Series dank seiner Flügeltüren auch in schmale Parklücken passt -, ist angesichts dieser charakterlich spitzen Ausprägung nicht verwunderlich.
Schon beim Ausparken mit kaltem Motor macht er durch störrisches Reifenrubbeln - vorn durch den Lenkeinschlag bedingt, hinten wegen der Sperrwirkung des Differenzials - klar, dass die banalen Anforderungen des Alltags nicht so recht in sein angestammtes Repertoire passen.
Verkürzte Getriebe-Übersetzung im Mercedes SLS AMG Black Series
Auch im weiteren Fahrbetrieb rücken die sonst üblichen Prioritäten in den Hintergrund. Trotz der Vielzahl seiner Gangstufen - sieben an der Zahl - ertappt sich der Fahrer im manuellen Schaltmodus dauernd dabei, die rechte Schaltwippe zu betätigen, nur um zum wiederholten Male feststellen zu müssen, dass der letzte und höchste Gang schon längst eingespannt ist. Auch im Automatikmodus ist bei verhaltener Gaszufuhr im Mercedes SLS AMG Black Series schon nach kürzester Fahrstrecke ruck-zuck die siebte Gangstufe eingelegt.
Der Grund für diese technische Besonderheit ist die verkürzte Gesamtübersetzung, die vordergründig dazu führt, dass die Höchstgeschwindigkeit des AMG-Coupés nun "schon“ bei 315 km/h erreicht ist.
Hand aufs Herz: Die etwas schlechtere Energiebilanz, den höheren Geräuschpegel und die um ein paar km/h reduzierte Vmax nimmt man gern in Kauf, wenn auf der anderen Seite eine Motor- und Getriebe-Charakteristik steht, die sich sonst nur im Rennsport erleben lässt.
So rast die unverrückbar in den äußerst bequemen Rennschalen gebettete Zweier-Besatzung infolge des gewaltigen Drucks und des dominanten Motorsounds ihrem Ziel ziemlich sprachlos entgegen. So energisch und kurzweilig, wie sich die Eroberung des Horizonts im Mercedes SLS AMG Black Series-Modell darstellt, fällt einem tatsächlich nichts mehr ein. Das herzerweichende Grollen, Brüllen und Bruddeln der von einer 17 Kilogramm leichten Titan-Auspuffanlage entsorgten Abgase des 6,2 Liter großen V8-Saugmotors ist an martialischer Dominanz kaum zu überbieten.
Die spontanen Reaktionen des Motors schon auf klitzekleine Gasbefehle und die Reaktionsschnelligkeit des Doppelkupplungsgetriebes bestärken den Fahrer stets im Glauben, nichts und niemanden mehr fürchten zu müssen - höchstens den eigenen Übermut oder jeweilige Überforderung, je nachdem.
Perfekt für Hockenheim, anspruchsvoll auf Nordschleife
Auf ebenen Strecken wie dem Kleinen Kurs in Hockenheim läuft der mit perfekt austarierten Radlasten und bombiger Traktion antretende Hecktriebler ohne Anlauf zu Höchstform auf.
Das Einlenken geht fast eckig vonstatten, so direkt ist die Lenkung speziell aus der Mittellage heraus konfiguriert. Abhängig vom Kurvenradius und/oder vom Gaseinsatz stellt sich bei Betriebstemperatur der Sportreifen mal ein leichtes Untersteuern, dann wieder ein leichtes Übersteuern ein. Doch alles bleibt im Rahmen einer angenehmen, weil kalkulierbaren Fahrbarkeit des Mercedes SLS AMG Black Series.
Etwas anders sieht das auf der Berg-und-Tal-Bahn der Nordschleife aus, wo das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Maschine speziell durch das zuvor hoch gelobte, spitze Einlenkverhalten getrübt wird.
Die Gründe hierfür liegen einerseits in der speziellen Topografie der Strecke mit ihren schnell wechselnden Höhenunterschieden und andererseits im Setup des Mercedes SLS AMG Black Series. Kurze Federwege, eine straffe Dämpferkennlinie und - on Top - der nicht unwesentliche aerodynamische Abtrieb machen es im Verbund mit der empfindlich agierenden Lenkung schwer, die Ideallinie ruhig und gelassen zu verfolgen. Das kostet Nerven - und wertvolle Zeit.
Beide Ressourcen stehen auf dem Nürburgring naturgemäß nur begrenzt zur Verfügung. Schon deshalb ist davon auszugehen, dass in Sachen Rundenzeit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Typisch Spitzensportler. Für alles eine Extra-Wurst haben wollen, sprich: für jedes Streckenprofil ein spezielles Setup. Womit wieder mal bewiesen wäre: Spitzenleistungen fliegen auch einem Spitzensportler nicht einfach so zu - auch ein Mercedes SLS AMG Black Series muss sich diese zuweilen hart erarbeiten.
Vielleicht ist es die beim Mercedes SLS AMG Black Series-Modell neu abgestimmte Servo-Kennlinie der Lenkung, möglicherweise auch das spezielle Feder-/Dämpfer-Setup - oder eine Kombination aus beidem: Bestzeiten zu erkämpfen fällt nicht leicht. Soll heißen: Mit der per se hervorragenden Rundenzeit ist das Ende der Fahnenstange vermutlich nicht erreicht; konzeptionell steht dieser Typ für mehr. Der gesamte Antriebsstrang ist in Wirkung und Geschliffenheit kaum zu toppen. Aerodynamisch steht gleichfalls alles zum Besten. Und mit der Keramikbremse könnte man getrost Rennen fahren. Gut zu wissen. Ein individuelles Rennstrecken-Setup ist dank Federteller mit Gewindeanteil problemlos darstellbar.
Extrem niedriger Schwerpunkt, breitere Spur, ausgewogene Radlasten, perfekte Bremsen und letztlich ein in jeder Hinsicht ergreifender V8-Motor mit extremer Durchsetzungskraft. Als Sahnehäubchen obendrauf: die Michelin Pilot Sport Cup in der neuesten Variante. Das Setup ist nicht nur für den Kleinen Kurs optimal eingestellt: Auch auf öffentlicher Straße zeigt sich die härtere der beiden möglichen Dämpfer-Positionen (Sport +) als die bessere Alternative. Die weniger starke Kennlinie (Sport) lässt ein auf die Dauer etwas unangenehmes Wippen der Karosserie zu. Die Traktion ist dank des elektronisch geregelten Sperrdifferenzials perfekt.
Mit der serienmäßig an Bord befindlichen "Race-Start-Funktion" ist es ein Leichtes, das gebotene Drehmoment des Mercedes SLS AMG Black Series beim Beschleunigen völlig Schlupffrei auf den Asphalt zu übertragen. Rekordwerte auf 200 km/h werden allerdings aufgrund der im Vergleich zum Basismodell größeren Stirnfläche und dem schlechteren cw-Wert nicht erzielt.
- Beschleunigung 0-200 km/h:
- 11,3 s
- Bremsen 200-0 km/h:
- 5,1 s
Die Messung wurde von AMG mit einer Heckflügelstellung von 4 Grad entsprechend der Konfiguration des Testwagens durchgeführt. Grundsätzlich sind Einstellungen von 2 bis maximal 10 Grad möglich. In der Maximalstellung soll bei 200 km/h ein Abtrieb von 50 kg mit leicht erhöhtem Auftrieb an der Vorderachse des Mercedes SLS AMG Black Series anliegen.
- Vorderachse bei 200 km/h:
- 35 kg Auftrieb
- Hinterachse bei 200 km/h:
- 31 kg Abtrieb
Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist zur weiteren Absenkung des Fahrzeugschwerpunkts um zehn Millimeter tiefer gelegt und stützt sich zum Vermeiden von Lastwechseln mittels Gasdruckdämpfer an der Karosserie ab. In Kombination mit der verbreiterten Spur und dem Grip-Talent Michelin Pilot Sport Cup 2 bewältigt der Mercedes SLS AMG Black Series Querbeschleunigungswerte von bis zu 1,45 g.
Mit dem gewöhnungsbedürftigen Lenkverhalten fällt es nicht leicht, die gewünschte Linie exakt zu treffen. Wie schon beim Basis-SLS agiert die Lenkung des Mercedes SLS AMG Black Series um die Mittellage eher träge, vermutlich für einen ruhigen Geradeauslauf auf der Autobahn, beim Einlenken dann aber sehr direkt und progressiv. Generell kann das Fahrverhalten mit geringen Lastwechselreaktionen aber als sicher bezeichnet werden.
Grundsätzlich gleicht das Fahrverhalten im Ausweichtest dem im schnellen Slalom. Insgesamt sicher und gutmütig, drückt er am Limit leicht und kontrollierbar mit dem Heck. Man muss sich aber rantasten, um die Linie durch die Pylonengasse mit der progressiven Lenkung exakt zu treffen. Mit auf Temperatur gebrachter Michelin-Cup-Bereifung bietet der Mercedes SLS AMG Black Series ein hervorragendes Gripniveau.
Fazit
AMG geht mit dem Mercedes SLS AMG Black Series an die Grenze dessen, was für den öffentlichen Straßengebrauch möglich ist. Warum auch nicht? Aufzuzeigen, was das Konzept zu leisten imstande ist, wenn alle Register gezogen werden, spricht von Mut und Selbstbewusstsein. Zu solchem Spezialistentum, wie es der 631-PS-Renner von AMG verkörpert, gehört aber auch, dass es mit einer globalen Lösung nicht getan ist.
Die technischen Möglichkeiten, trotz hoher konzeptioneller Eignung auf unterschiedliche Anforderungen und Profile weiter detailliert reagieren zu können - siehe Fahrwerk-Setup und Aerodynamik -, ist eindeutiges Indiz für die enge Verwandtschaftsbeziehung zur Rennsport-Variante SLS GT3.
Mercedes SLS AMG Black Series | |
Grundpreis | 249.900 € |
Außenmaße | 4646 x 1977 x 1264 mm |
Kofferraumvolumen | 176 l |
Hubraum / Motor | 6208 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 464 kW / 631 PS bei 7400 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 315 km/h |
0-100 km/h | 3,7 s |
Verbrauch | 13,7 l/100 km |