Nein, das hatten sich die Werker und Werkerinnen aus Leipzig, bekannt für ihre Pioniermanufakturarbeiten an i3 und i8, wohl nicht erhofft. Da investiert BMW zig Millionen Euro in ihr Werk, Sachsens Ministerpräsident Kretschmer und andere hohe Damen und Herren feiern am 10. November den Produktionsstart, und seither bauen sie den ersten Mini aus oder besser in Deutschland. Und nicht nur irgendeinen Mini, sondern gleich den größten und schwersten Mini aller Zeiten: den Countryman der dritten Generation. Dreizehn Zentimeter länger und sechs höher als bisher. Warum? Ganz einfach. Der Brite aus Sachsen basiert auf der UKL-2-Plattform von BMW und sorgt auf den Bändern in Leipzig zwischen Einser und Zweier Active Tourer für Abwechslung im BMW-Allerlei. Entsprechend huldigt der Presse-Testwagen seiner Herkunft mit einem L auf dem Nummernschild.
Genau genommen ist es das Basismodell des U25. Ein Countryman C mit Dreizylinder-Ottomotor und 48-Volt-Hybridtechnik, verschärft mittels John-Cooper-Works-Trimm (JCW), der auch ein Sportfahrwerk (15 Millimeter tiefer) und 19 Zoll große Michelin Pilot Sport 4S umfasst. Auffällig: In Midnight Black II lackiert wirkt der Mini nicht nur massiv, sondern seltsam humorlos. Aus Sicht einiger Fans verliert er so sicher den markentypischen Style.
Viel Blech und viel Nutzwert
Für Verkäufer ein Thema, für uns nicht. Lieber ran ans Auto. Was bringt denn nun dieses immense Wachstum?Verglichen mit den Messwerten des Vorgängers, eines Cooper S All4 (178 PS), erstaunlich wenig. Normsitzraum und Ladevolumen: beide 720 Millimeter und 450 Liter. Innenhöhe im Fond, sprich Kopffreiheit: fünf Millimeter mehr für den Neuling, der immerhin nur zwölf Kilogramm schwerer ist als der Allradler mit seinem größeren Verbrenner.
Aber egal, wichtiger für diesen Test (und den Kunden) ist die Info, dass der übersichtliche Countryman unverändert luftig und funktional top, teils besser aufgestellt ist. Neu sind beispielsweise große Ablagen und Fächer in der Mittelkonsole. Wie gewohnt passen in alle vier Türen große Flaschen. Die Rückbank lässt sich immer noch zweigeteilt verschieben (zehn Zentimeter vor, drei nach hinten gegenüber Nullposition), und an der 40 : 20 : 40-Teilung der neigungsverstellbaren Lehne hielt Mini ebenfalls fest. Gepäcksicherung? Auch kein Problem. Mehr Variabilität und Nutzwert bietet maximal ein Skoda Karoq. Gut gemacht.
Was für ein Entertainer
Für ein gewisses Maß an Ratlosigkeit sorgt dafür das kunterbunte Infotainment, dargestellt auf dem runden Touchdisplay, zu dem ein Zitat aus der Pressemappe bestens passt: "Alle relevanten Inhalte werden auf das optionale Head-up-Display projiziert." Und alles Weitere suchen Sie bitte auf dem gar nicht mal so intuitiv bedienbaren 24-cm-Frisbee, das einen schon mal an seiner Bedienkompetenz zweifeln lässt? Na, danke sehr. Aufgeben oder die hilfsbereite, aber nachdenkliche Sprachbedienung nutzen ist auch keine Lösung. Also noch mal rein in die Menüs, in die unterschiedlichen Experience-Modi, hier und da etwas touchen, bis sich allmählich eine intuitive Routine einstellt. Und selbst dann gibt es noch was zu entdecken – beispielsweise zwei Tankanzeigen übereinander auf einem Screen (siehe Bild unten rechts auf Seite 53). Oder die kleine Rakete, die erscheint, sobald der Fahrer mal kräftiger aufs Gaspedal tritt.
Das mehr als relevante Head-up (optional), ein eher simples Exemplar mit ausklappender Scheibe, stellt seine Inhalte sehr vielfältig und prächtig dar. So nicht die Sonne zu sehr durch die Frontscheibe oder das große Panorama-Schiebedach strahlt.
Reizvoll auch die Strickware aus recycelten PET-Flaschen auf der Instrumententafel, die der Mini mittels einer Projektoreinheit hinter dem Rundinstrument je nach Stimmung und Fahrmodus mit unterschiedlichen Farben durchleuchtet. Wichtig: nicht ablenken lassen, sondern auch die Bereiche unterhalb der weichen Armauflagen inspizieren. Harte Kunststoffe dominieren, und nicht einmal in den Türfächern finden sich Filzeinlagen. Auch nicht in der Ablage unter den Luftausströmern im Fond, deren Nutzwert entsprechend dünn ausfällt. Aber es gibt ja den Baumarkt. Unsere Empfehlung: Selbstklebende Moosgummis.
Fahrkomfort? Aber ja doch
Die Fahrt dorthin läuft unspektakulär, ganz gleich ob durch die Stadt, über die Autobahn oder über kurvige Umwege. Kräftig zupackende Bremsen (34 Meter aus 100 km/h) sichern den Mini vorzüglich ab, und ein streckenbasierter adaptiver Tempomat plus ein teilautonomer Spurwechsel- assistent assistieren zuverlässig auf der Autobahn. Zu viel Kontrolle? Auch kein Problem. Zwei, drei Klicks (erst Tasten am Lenkrad, dann auf der Mittelkonsole, dann Touch), schon mischt sich der Mini nicht weiter ein. Gut so.
Zugleich steigen die Insassen recht entspannt wieder aus. Die montierten Sportsitze (ohne ausziehbare Beinauflage) sind bequem gepolstert, die variable Bank hinten alles andere als platt, und trotz großer Räder und Sportfahrwerk mit frequenzselektiven Dämpfern knallen Querfugen oder Gullydeckel nicht heftig durch. Nur kleine Wellen auf der Autobahn bringen den Countryman in vertikale Schwingungen, sprich, er hoppelt ein bisschen herum. Dennoch: Für einen JCW-Mini geht der Federungskomfort in Ordnung.
Mehr Nachsicht, zumindest von allen, die sich einen günstigen, aber stürmischen Crossover wünschen, erfordert der 156 PS starke Dreizylinder. Der 1,5 Liter kleine Benziner klingt engagiert, bringt den Countryman trotz 48-Volt-Boost aber nur träge in Fahrt, bemüht sich tapfer, die fast 1,7 Tonnen schwere Fuhre in Schwung zu bringen und den Speed zu halten.
Richtig Druck macht er nie, selbst mit gedrückter Boost-Taste am griffigen Sportlenkrad. Mit Verbräuchen zwischen 5,7 (Eco) und 10,9 Litern (Sportfahrer) verdient der Benziner darüber hinaus keinen grünen Orden.
Ab und weg ums Eck?
Hmm, und jetzt – ist der Countryman mit seiner präzisen, aber etwas schwergängigen Lenkung wirklich so spaßbefreit? Nicht ganz. Einen Joker hat er noch: den Go-Kart Mode, einzulegen mittels der kleinen Experience-Wippe in der Toggle-Leiste. Ist der einmal aktiviert, erstrahlt tatsächlich ein Drehzahlmesser und mit wenigen Klicks lassen sich Lenkung, Automatik und ESP ("Sport" und "ESC off") auf Dynamik und etwas Fahrfreude trimmen. Die Lenkung fordert nun überraschenderweise weniger Handmoment, der Wagen lenkt williger ein, und schwups fährt man viel flüssiger und schwungvoller durch Kurven. Dann noch das auf Harmonie bedachte Doppelkupplungsgetriebe in den manuellen Modus flippern, den Motor auf Touren bringen, und ab geht die Sause. Die Getriebesteuerung verkneift sich automatisches Hochschalten gen Begrenzer, wechselt fixer die Gänge rauf und runter – wer sich am drögen Motorsound nicht stört, kann auch im Countryman C noch was erleben. Aber bitte nicht zu schnell in die Kurven reinkesseln, dann verlieren die 245/45 vorne früh den Grip und das aufmerksame ESP bremst den Crossover rigide ein. Übrigens auch, wenn es eigentlich nix zu sagen hat. Sicherheit geht nun mal vor.
Essenziell ist darüber hinaus ein niedriger CO2-Fußabdruck. Da passt es natürlich bestens, wenn der angemessen windschlüpfige Countryman in Sachsen produziert wird. Zudem verzichtet Mini auf jegliches Chrom und Leder, setzt voll auf die erwähnte Strickware aus Polyester. Nur der 1,5er spielt nicht so richtig mit. Er emittiert selbst auf der Eco-Runde 133 Gramm pro Kilometer.
Und jetzt bitte zur Kasse
Der Verbrauch wirkt sich natürlich auf die Unterhaltskosten aus. Ebenso die Zahlungen an die Versicherung. Zudem ist dieser Countryman, Basismotor und Einstiegspreis unter 40.000 Euro hin oder her, richtig teuer. Schon der JCW-Trimm treibt den Preis auf 48.260 Euro. Sportfahrwerk und die großen Räder gelten für uns als testrelevant im Sinne der Bewertung. Entsprechend niedrig die Punkte. Da alle weiteren Extras nur in Paketen zu haben sind, stellt Mini ruckzuck über 52.000 Euro in Rechnung. Eventuell sogar zum Nachteil. Wer sich beispielsweise mittels Soundsystem beschallen lassen möchte, erhält automatisch ein Panorama-Glasschiebedach. Oder umgekehrt. Also Achtung bei der Konfiguration.
Die Leipziger an den Fertigungslinien wird diese Strategie nicht weiter stören. Etwas Abwechslung kann nie schaden. 100 Mini pro Tag rollen derzeit vom Band. 500 sollen es werden. Und nicht alle Countryman treten so düster auf wie L-MI 208. Eine E-Variante startet gerade durch, und im Antriebsregal warten Zweiliter-Benziner mit 218 oder 300 PS und ein 400 Nm starker Diesel auf ihren Einsatz.
Fazit
Mit forschem Handling und einem reizvollen Motor kann dieser Mini nicht dienen. Aber er bleibt seinen Statuten treu, ist also ein modischer, nützlicher Crossover mit genug Platz für eine kleine Familie. Das Infotainment? Faszinierend und zugleich verzwickt. Aber alles andere wäre ja auch langweilig.
Mini Countryman C John Cooper Works Trim | |
Grundpreis | 48.260 € |
Außenmaße | 4444 x 1843 x 1661 mm |
Kofferraumvolumen | 450 bis 1450 l |
Hubraum / Motor | 1499 cm³ / 3-Zylinder |
Leistung | 115 kW / 156 PS bei 5000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 212 km/h |
0-100 km/h | 8,3 s |
Verbrauch | 6,6 l/100 km |
Testverbrauch | 7,5 l/100 km |