Wäre der Nissan GT-R ein Schuh, bräuchte er eine verstärkte Spitze. Warum? Na, damit er möglichst vielen Supersportlern schmerzfrei in den Hintern treten kann. Mit 486 PS, Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb. Für 83.500 Euro inklusive Vollausstattung mit Stereoanlage (ab September zusätzlich mit Navigation), Lederausstattung und Adaptiv-Dämpfern. Ein genauso gut ausgestatteter Porsche 911 Turbo kostet rund 60.000 Euro mehr - bei vergleichbaren Leistungsdaten. Aber in Top-Zirkeln zählen nicht nur Daten, sondern auch Emotionen. Und die sollen beim GT-R laut Designchef Shiro Nakamura an einen animierten Roboter erinnern: "Es scheint, als ob man mit dem GT-R ein Videospiel bestreitet."
Doppelkupplungsgetriebe im Nissan GT-R
Ein Statement, das bei Porsche nicht einmal die erste Filterstufe der Presseabteilung passiert hätte. Die Japaner pflegen halt ein unverkrampfteres Verhältnis zum Mikroprozessor. Buchstäblich ablesbar am Info-Bildschirm in der Mittelkonsole. Dort durften die Schöpfer der Gran Turismo-Videospiele ein Bildschirmmenü kredenzen, das traditionellen Sportwagen-Fans den Magen herumdreht. Doch der Playstation-Generation - zum Teil bereits mit grauen Schläfen ausgestattet - schmeckt es.
Sie dreht wissenshungrig am Regler, tippt auf den Berührungsbildschirm, jauchzt über die Anzeige von Quer,- Beschleunigungs- und Verzögerungskräften (G-Force), Getriebeöl-Temperatur oder Ladedruck. Wesentliches bekommt der etwas hoch auf seinen ausladenden Sitz gebettete Fahrer von übersichtlichen Rundinstrumenten geboten. Allerdings scheint es schwieriger, übersichtliche Markierungen bis jenseits 300 km/h auf eine Skala zu bekommen, als das Tempo selbst zu erreichen. Denn hat der Nissan erst einmal das ruckartige Einkuppeln des Doppelkupplungsgetriebes (Borg Warner) inklusive mechanischen Spiels hinter sich, wandelt er sanft wie mit einem konventionellen Automaten durch die sechs Stufen. Nur schneller - und manuell mit griffigen Paddeln an der Lenksäule schaltbar.
Nissan GT-R zeigt optische Präsenz
Und der von einem Mechaniker per Hand montierte 3,8-Liter-V6 spielt leise summend mit, dröhnt höchstens um 2.500/min tiefbassig mit seinen Gassäulen. Dafür beweist das Getriebe beim festen Tritt aufs Gaspedal die Lernfähigkeit eines Border-Collies. Hat es den Nissan eben noch mit zweitausendundeinpaar Umdrehungen dahindämmern lassen, schaltet es nun so fix runter, dass es den 1,8-Tonner wie am Bungeeband davonreißt.
Bei vergleichbarer Geräuschkulisse: Denn obwohl die vier Monster-Endrohre links und rechts vom Diffusor wie der Rest der GT-R-Karosserie an jeder Nacht-Tanke den Chef geben, bleibt der Sound im solide gemachten, aber etwas aseptisch wirkenden Innenraum dezent, kommunikationsfördernd. Wenn den Passagieren nicht gleich die Luft wegbleibt. Denn so geschmeidig die sechs Kolben durch ihre plasmabeschichteten Buchsen flitzen, so vehement nimmt der ganze Nissan selbst vertrackte Landstraßen in Angriff
Porsche Turbo ist leichter als Nissan GT-R
Aber halt: So leicht gibt sich ein Turbo-Elfer nicht geschlagen. Schließlich hat er einen Ruf zu verteidigen. Tanzte er zu Beginn seiner Karriere noch mit einem Viergang-Schaltstock ums tiefschwarze, bitterböse KKK-Turboloch herum, mimt der aktuelle den 480 PS starken Grandseigneur. Nicht nur wegen der sportlich-geschmackssicheren Innneinrichtung und der perfekten Sitzposition. Auch die angeraute Stimme mit dem hypnotischen Pfeifen bemüht sich im Porsche 911 Turbo um Atmosphäre.
Trotz verstellbarer Laderschaufeln konnte der trockensumpfgeschmierte 3.600-Kubikzentimeter-Boxer seinen kleinen Durchhänger unter 3.000/ min nie ganz loswerden. Danach entschädigt er jedoch mit einer himmlischen Leistungs- und Drehmomentwolke. So kann der Porsche 911 Turbo den Angriff des Nissan GT-R mit mehr Drehmoment bei weniger Gewicht kontern. Wobei der Porsche auch vom zögerlichen Volllast-Anfahrverhalten des GT-R profitiert. Ursprünglich mit einer Launch Control sowie der Aussicht auf Zeiten um 3,6 Sekunden bis Tempo 100 konzipiert, strapazierten einige Fans den Sprint-Modus samt Antriebsstrang derart, dass Nissan dieses Feature wieder rauswarf.
Beiden bleiben gutmütig
Nicht weiter schlimm, wenn man die Leistung - wie auch beim 911 Turbo - fast immer und überall nutzen kann. Anders als andere, teils spitz abgestimmte, hinterradgetriebene Mitglieder der Supersport-Clique bleiben beide prinzipiell gutmütig. Mit leichten Vorteilen für den Nissan, bei dem der Allradantrieb noch schlüssiger mit Stabilitätsprogramm und Gewichtsverteilung paktiert. Auf agiles Einlenken ohne störendes Untersteuern folgt neutrales Kurvenverhalten. Erst bei starkem Leistungseinsatz und reduziertem ESP-Eingriff drückt der 4,65-Meter-Bolide kalkulierbar mit dem Heck. Selbst nasse Pisten können den Elan des mit speziellen 20-Zoll-Dunlops bereiften GT-R kaum mindern. Beim Porsche 911 Turbo missfällt hingegen die teils willkürlich wechselnde Kraftverteilung zwischen Hinter- und Vorderachse.
Dafür wirkt der GT-R auf unregelmäßig zerfurchten Oberflächen steifbeiniger. Einseitige Unebenheiten regen ihn zum Kippen um die Längsachse an, was die Lenkpräzision beeinträchtigt. Hier bleibt der Porsche komfortabler, beherrschbarer. Dem Piloten fällt es leichter, die avisierte Linie zu halten. Dafür bringen den Porsche 911 Turbo aufeinanderfolgende Wellen nachhaltig aus der Ruhe. Speziell bei hohem Tempo, wenn die insgesamt komfortabel ausgelegten adaptiven Dämpfer Richtung straff stellen, dringen Stöße nicht nur zu den Insassen durch, sondern bringen Unruhe in die ganze Fuhre.
Nissan GT-R und Porsche Turbo auf der Nordschleife
Beispiel Nürburgring-Nordschleife: Auf der Kuppe an der Quiddelbacher Höhe etwa entlastet die Hinterachse des Porsche derart, dass die Insassen bis zur folgenden Rechtskurve bei Tempo 210 eine mehrsekündige Praxis-Vorlesung zum Thema kammscher Kreis erhalten. (Zusammenhang zwischen Brems- und Seitenführungskraft).
Der Nissan versucht dagegen, die Gesetze über die Massenträgheit zu widerlegen, scheint mehrere Zentner abgeworfen zu haben. Dabei hat er mit seinem Transaxle-Prinzip (Getriebe vor der Hinterachse samt Kohlefaser- Kardanwelle) nur an der Verteilung gearbeitet. Der GT-R klebt förmlich am Boden, schiebt in Kurven erst spät über alle vier Räder, baut massig G-Kräfte auf. Porsche-Piloten müssen das Lasso bei deaktiviertem ESP früher auswerfen, um das spontan drängende Heck einzufangen. Andererseits bremst der Turbo mit seiner 8.711 Euro teuren Keramikbremse nach mehreren Runden Nordschleife noch genauso wie nach der ersten.
Nissan GT-R überholt den Porsche 911 Turbo
Nissan-Piloten müssen ihre Bremspunkte unter Extrembedingungen fadingbedingt nach vorn verlegen und sonst lediglich die bis in ungesunde Regionen steigende Getriebeöl-Temperatur im Blick behalten. Den Porsche Turbo haben sie ja bereits überholt - im Test und auf der Piste.
Fazit
Sein massig-poppiger Auftritt täuscht: Der schwere und durstige GT-R begeistert mit ordentlichem Komfort, agilem Handling, harmonisch-kräftigem Antrieb sowie hoher Fahrsicherheit. Ein ambitionierter Budget-Sportler für alle Tage, der nicht nur wegen des günstigen Preises, sondern auch wegen des enormen Tempo-Potenzials gewinnt.
Teuer, aber sein Geld wert: Der 911 Turbo gibt den hochklassigen Gran Turismo. Er schiebt brachial, federt kompetent, lenkt präzise und verzögert standfest. Das passt im Alltag wie auf der Piste, obwohl die Kraftverteilung des Allradantriebs Feinschliff vertragen könnte.
Porsche 911 Turbo | Nissan GT-R | |
Grundpreis | 145.953 € | 81.800 € |
Außenmaße | 4450 x 1852 x 1300 mm | 4650 x 1895 x 1370 mm |
Kofferraumvolumen | 105 l | 315 l |
Hubraum / Motor | 3600 cm³ / 6-Zylinder | 3799 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 353 kW / 480 PS bei 6000 U/min | 357 kW / 486 PS bei 6400 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 310 km/h | 310 km/h |
0-100 km/h | 3,6 s | 4,1 s |
Verbrauch | 13,4 l/100 km | 12,5 l/100 km |
Testverbrauch | 16,1 l/100 km |