Der Diesel fand sich in den letzten Wochen wieder häufiger in den Nachrichten: vor allem wegen der Landwirte, die um ihre Kraftstoffsubventionen kämpfen, aber auch mal wieder wegen möglicherweise doch nicht legaler Thermofenster mancher Abgasreinigungssysteme – ein Dieselgate-Nachbeben.
Die Verkaufszahlen der Selbstzünder sind in den ersten beiden Jahren nach dem Dieselskandal um fast ein Drittel zurückgegangen. In den Folgejahren sorgten innerstädtische Fahrverbote sicherlich für weitere Kaufzurückhaltung, zudem hat der Bund mit hohen Umweltboni Elektroautos und Plug-in-Hybride in den Markt gedrückt. Ein weiterer Dämpfer für die Popularität der Selbstzünder sind seit einer Weile die Spritpreise, denn trotz geringerer Steuerlast kostet Diesel nur knapp weniger oder manchmal sogar mehr als Super.
Sehr geschätzt bleibt der Diesel trotzdem, doch damit er sich im Kompaktsegment noch irgendwie rechnet, sind aktuell eine lange Haltedauer und große Laufleistungen nötig – 30.000 Kilometer jährlich reichen kaum mehr.
14,4 Sekunden langsamer
Das heißt also: Wer Astra Sports Tourer oder Leon Sportstourer mit Diesel nimmt, spult im Regelfall vermutlich richtig viele Autobahnkilometer ab. Dort hält der Seat seinen Innenraum bei Richtgeschwindigkeit zwei dB(A) ruhiger, zudem musst du zur mittigen Fahrbahnpositionierung noch weniger am Lenkrad korrigieren als im Opel. Der kommt aber vor allem bei Vollgas auf dem Testgelände nicht mit: 100 auf 180 km/h in 40,4 zu 26 Sekunden. Zwar kann der Rüsselsheimer Defizite geltend machen: 1.498 zu 1.968 cm³, 300 zu 360 Nm und 130 zu 150 PS – zu einer derartigen Deklassierung sollten die trotzdem nicht führen.
Unsere Messdatenbank zeigt, dass ein Peugeot 308 SW mit dem gleichen Stellantis-Antrieb die Übung in 34 Sekunden hinbekommt. Weil der Opel Astra ST zusätzlich seine 0-auf-100-Werksangabe von 11,0 um 0,9 Sekunden verfehlt, steckt im Testwagen vielleicht einfach ein Montagsmotor. Ob wir auf der anderen Seite Seats Leistungsangabe anzweifeln sollten? Das haben wir auf der Vergleichsfahrt zumindest mal überlegt – doch eher nicht, denn Messdaten zu anderen Modellen aus der 150-PS-Dieselklasse zeigen zwar, dass der Leon ST 2.0 TDI darin ganz oben mitmischt, doch manche Konkurrenten sind sogar noch einen Tick schneller oder nur unwesentlich langsamer unterwegs.
Lahmer erster Schritt
Speziell innerorts mangelt es beiden Kombis allerdings an Antrittsstärke. Um sich aus dem Stand beispielsweise von einer Tankstellenausfahrt in den fließenden Verkehr einzufädeln, muss die Lücke eher lang sein, denn für mittelgroße zögert der Seat Leon initial zu lange und der Opel Astra baut zu träge Tempo auf. An Ampeln fährt er aber komfortabler los, weil er flüssig und ausreichend zügig beschleunigt, während der Seat erst einen Moment braucht und dann schlagartig zulegt. Das Verhalten trat in früheren ams-Tests mit Volkswagen-Konzern-Autos aber auch schon schwerwiegender auf – und dieser Leon kommt beispielsweise nach dem Abbiegen zwar nicht richtig flott, aber ohne lästige Verzögerung aus dem Quark.
Ausschließlich Lob gilt den Kompaktkombis beim Spritverbrauch: 5,8 l/100 km der Seat Leon ST 2.0 TDI, 6,1 Liter der Opel Astra ST 1.5 Diesel, der mit 52 Litern Tankinhalt eine Reichweite von 852 Kilometern verbucht (Leon: 45 l, 775 km). Beide fassen außerdem 13 Liter AdBlue; je nach Ausstattung sind es beim Seat 12. Über niedrige Füllstände informieren die Tachodisplays, die aber weder Reifenluftdruck noch Ölstand verraten – nur der Spanier zeigt die Öltemperatur an.
Funktionsreicher ist er auch mit einer Auto-Hold-Funktion, die den Bremsdruck im Stand bei gelöstem Pedal aufrechterhält. Zudem sitzt im Gepäckabteil eine 230-Volt-Haushaltssteckdose, und vorne wird die optische Totwinkelwarnung besonders gut sichtbar über die Ambientebeleuchtung dargestellt. Seine große Kofferraumdurchlade toppt der Astra dafür mit einer dreiteiligen Rückbanklehne. Draußenparker freuen sich über eine Windschutzscheibenheizung, die jedoch nur als Paketbestandteil angeboten wird. Wer nun auch das Opel-eigene Navi wünscht, muss beim GS ohnehin 800 Euro extra zahlen; dann wäre das 2.000 Euro teure Paket mit Navi-Software, Soundsystem, Head-up-Display und der beheizten Scheibe eine gangbare Lösung. Kein Navi? Dann passt das Komfort-Paket für 1.700 Euro, das neben der Heizung ein Glasschiebedach sowie einen Luftqualitätsmesser enthält. Letzterer kombiniert ein automatisches Umluftsystem mit einem Schwebstofffilter, der Allergikern helfen soll. Auch gut wäre, wenn die Klimaanlage vorne nicht volle Pulle pusten müsste, damit aus dem Schacht im Fond halbwegs kräftig Luft strömt. Das gilt auch im Seat Leon, der zwar auf drei Temperaturzonen aufteilt, dem hinten aber ebenso eigene Lüfter fehlen.
Effizientere Raumnutzung
Ansonsten sitzen die Passagiere dort nicht nur auf der bequemeren Rückbank, sondern haben auch sechs Zentimeter mehr Beinraum als im Opel-Fond, wo das Ein- und Aussteigen wegen der knappen Raumreserven weniger leicht fällt. Und das, obwohl die Achsen des Astra bei exakt gleich langer Karosserie (4.642 mm) etwas weiter auseinanderstehen. Dann muss der Opel-Kofferraum größer sein? Nö, minus 23 Liter.
Vorne sind die Sitze hier wie dort angenehm niedrig positioniert und gut konturiert, jedoch sind die Kopfstützen im Opel trotz Längsverstellung bei aufrechter Lehnenposition etwas zu nah. Im Seat wirst du stärker gehalten, ohne dass es irgendwo drückt, auch unterstützt die in Höhe und Länge verstellbare Mittelarmlehne eine bequeme Körperhaltung.
Gleich gut fällt der Federungskomfort aus: Kantige Unebenheiten spürst du auch mal stärker, meistens bleibt’s aber angenehm – wobei sich das adaptivgedämpfte Fahrwerk des Leon auf Flickenteppichen akustisch teils in den Vordergrund spielt.
Der Dynamiker? Spanier
Dafür sorgt es über Land für sportliches Handling mit geringen Wankbewegungen plus direktem Lenkverhalten. Mit höherem Drehzahlniveau spricht der Antrieb gut an, und im Sport-ESP-Modus kannst du mit dem Leon FR sogar ein bisschen auf GTI machen: Am Kurvenausgang passiert es beim Herausbeschleunigen mit dem wuchtigen Drehmoment schon mal, dass die angetriebenen Vorderräder recht wild durchdrehen – dem engagierten Fahrer macht genau das Spaß, denn nur wenn du das rechte Pedal passend dosierst, geht’s mit etwas Schlupf auch richtig vorwärts.
Der sachter abgestimmte Astra GS fördert den Spieltrieb nur eingeschränkt. Der Motor generiert im Alltag zwar adäquaten Vortrieb, langweilt ansonsten aber, zudem legt das Getriebe in der Sportstellung selten den richtigen Gang ein und grätscht im manuellen Modus teils derart ungeschickt dazwischen, dass Schaltwippenklicks zu doppelten Gangwechseln führen. Zügige Kurven-tempi bekommt der GS mit einer etwas höheren Wankneigung gut gebacken, und im 18-Meter-Slalom fährt er sogar schneller als der Leon, was vermutlich auch an den gripstärkeren Michelin Pilot Sport 4S liegt, die eigentlich für ausgewiesene Performance-Modelle gedacht sind.
In deren Richtung schielt er tatsächlich mit seinen vorbildlichen Bremswerten von 100 auf 0 km/h: 34,3 Meter mit kalter Bremsanlage, 33,6 mit warmen Komponenten. Der Seat: 35,5 und 34,2 Meter – auch sehr ordentlich, was ebenso für die Bremspedalabstimmung beider Kombis gilt.
Reichlich Toucherei
Gemeinsame Defizite haben sie mit ihren Verkehrszeichenerkennungssystemen, die sich auf unseren Testrouten in komplexeren Szenarien überfordert zeigen. Wobei speziell der Opel auch bei einfachen Schildern ohne Ergänzungen gerne mal bloß zwei Striche statt eines Tempos auf seinem zehn Zoll großen Digitaltacho anzeigt. Davon abgesehen stellt das praktisch gleich große Kombi des Seat Leon ST 2.0 TDI die typischen Instrumente klarer und in mehreren Ansichten dar.
Einen Monitor weiter rechts ist speziell das Infotainment des Leon überaus tastenarm, so sind zum Beispiel Start-Stopp-Automatik, Sitzheizungen und viele Klimafunktionen nur über den Touchscreen erreichbar – teilweise in langwierigen Bedienschritten. Zwar erreicht man via An-aus-Taste ein Menü, in dem manches davon schneller geht, nur wird darin gleichzeitig die Audiowiedergabe pausiert. Das ärgert schon ganz besonders, wenn die im Vorgänger einwandfrei integrierten Bedienelemente weggespart werden, ohne die Ersatzsteuerung über das Infotainment wenigstens so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Ein weiterer Frustfaktor sind die Wartezeiten nach dem Fahrzeugstart, bis Eingaben überhaupt (zuverlässig) registriert werden.
Die nicht ganz so touchlastige Bedienung im Opel Astra ST klappt zügiger und stressfreier, doch auch hier muss man außerhalb der Kachelmenüs kleine Grafikflächen mit dem Finger treffen, was während der Fahrt auch mal länger ablenkt. Start-Stopp deaktivieren? Monitorfummelei. Eine Erleichterung stellt dafür die Home-Taste dar, über die man via Langdruck Apple CarPlay oder Android Auto aufruft.
Preislich nah zusammen
Für diese Smartphone-Schnittstellen verlangt Seat 285 Euro; oder 1.130 Euro inklusive systemeigener Navi-Software und des hier gezeigten Monitors mit den unbeleuchteten Touchleisten, die der Bedienung von Klimatemperatur, Radiolautstärke und Kartenzoom dienen. Interessant zu wissen: Der ab Werk installierte, etwas kleinere Touchscreen hat stattdessen ringsum einige Tasten und zwei Drehregler (dieses Basissystem hatte bisher kein Testwagen).
An anderen Stellen bündeln die Spanier Sonderausstattung ähnlich kreativ wie Opel: Das Dinamica-Paket mit der elektrischen Verstellung der Sitze inklusive Lendenwirbelstütze und Memoryfunktion gibt’s nur zusammen mit den Voll-LED-Scheinwerfern für insgesamt 2.080 Euro. Mit den DCC-Stoßdämpfern (950 Euro) beträgt der bewertete Testwagenpreis für den Leon FR Plus somit 42.211 Euro. Der des Astra liegt inklusive 18-Zoll-Felgen (400 Euro) und AGR-Sitzen (1.120 Euro) bei 39.300 Euro.
In diesem Duell bietet Opel Astra den größeren Fundus an exklusiver Sonderausstattung: Pixelscheinwerfer (adaptives Fernlicht), ein Head-up-Display für die Frontscheibe und ein 360-Grad-Kamerasystem. Die Liste vervollständigen Sitzheizungen hinten und Massagefunktionen für die Vordersitze. Nur Seat führt eine Standheizung im Programm.
Unter anderem hilft die größere Auswahl dem Opel zum Sieg im Kostenkapitel. Die Eigenschafts- und Gesamtwertung geht an den raumreicheren Leon mit seinem effizienteren und viel kraftvolleren Antrieb. Insgesamt gibt der Seat den besseren Autobahnkumpel. Wer aber primär mit leerer Rückbank und im Richtgeschwindigkeitsbereich fährt, kann gerne den leichter bedienbaren Astra nehmen. Auch für ihn gilt: Viele Kilometer abspulen? Kein Problem.
Seat Leon ST 2.0 TDI FR Plus | Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel GS | |
Grundpreis | 40.256 € | 38.580 € |
Außenmaße | 4642 x 1799 x 1437 mm | 4642 x 1860 x 1480 mm |
Kofferraumvolumen | 620 bis 1600 l | 597 bis 1634 l |
Hubraum / Motor | 1968 cm³ / 4-Zylinder | 1498 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 110 kW / 150 PS bei 3000 U/min | 96 kW / 130 PS bei 3750 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 217 km/h | 208 km/h |
0-100 km/h | 9,0 s | 11,9 s |
Verbrauch | 4,0 l/100 km | 4,9 l/100 km |
Testverbrauch | 5,8 l/100 km | 6,1 l/100 km |