Was für ein Schock: Der neue Porsche Boxster ist kleiner, leichter, härter, röhrt ungehemmt, pfeift auf Klimaanlage und Elektronik-Gedöns. Sofort nesteln gusseiserne Porsche-Fans, die das Baujahr eines 911 am Singen des Lüfterrades erkennen und ESP für Teufels Beitrag halten, am Draht eines Champagnerkorkens, während sich andernorts die Porsche-Vertriebstruppe auf dem Fenstersims des 23. Stocks voneinander verabschiedet.
Halt, stopp, soweit wird es nicht kommen. Porsche Boxster Nummer drei ist natürlich kein schwer verdaulicher Purist für die Nische, sondern ein moderner Mittelmotor-Sportler. Gestreckte Linie, kurze Überhänge, breitere Spur. Und Neuem wie Start-Stopp-System oder einer Freilauf-Funktion für das optionale Doppelkupplungsgetriebe. Klingt wenig sexy? Es hilft nichts, denn „Einszweidrei, im Sauseschritt läuft die Zeit; wir laufen mit“, wusste schon Wilhelm Busch. Ohne den Porsche Boxster gekannt zu haben, der in seiner dritten Generation rundum nachlegt
Dreht bis in den Drehzahlhimme
Weniger bei der Leistung des besser entdrosselten 3,4-Liter-Boxermotors des Porsche Boxster S, die um fünf auf 315 PS stieg. Ein Resultat der nun beidseitigen Luftansaugung an den Flanken sowie einer neuen Resonanzklappe. Wie gehabt dreht der Sechszylinder von Standgas bis in den Drehzahlhimmel jenseits 7.200/min mit gleichbleibend feurigem Elan, spricht willig an, lässt Leistung und Drehmoment proportional zur Gaspedalstellung auf die Hinterräder los. Er ist halt ein klasse Saugmotor ohne überraschenden Turbobumms oder Downsizing-Askese.
Wobei: Den Verbrauch haben sie trotzdem herunterbekommen. Sparsam bewegt genügen dem Porsche Boxster S 7,6 L/100 km, im zügiger absolvierten Test sind es 11,5 Liter. Das Ganze unter freundlicher Mithilfe des Doppelkupplungsgetriebes (2.826 Euro). Es schaltet im Normalmodus fast unmerklich, wählt hohe Gänge, reagiert andererseits fix auf manuelle Befehle und hat überdies an seiner Automatikstrategie gearbeitet. Sie arbeitet gefühlsechter als früher, lässt dem Boxer das Ansprechfeuer. Der Sport-Modus ist inzwischen Serie, hier schnippen die Gänge fixer, zucken die Drosselklappen zackiger. Sport-Plus ist dagegen ein reines Rennstreckenthema, zu hoch das Drehzahlniveau, zu wenig stadttauglich die Rückschaltmodi und dann noch der gesperrte siebte Gang – dynamisch, aber nervenzehrend.
Im Gegensatz zum Fahrwerk, das sich kompromissbereiter denn je zeigt, Komfort und Dynamik verbindet. Sechs Zentimeter längerer Radstand, breitere Spur vorn und hinten, kürzere Überhänge sowie neu justierte adaptive Dämpfer stehen nicht nur im Prospekt, sondern sind im Porsche Boxster S direkt zu spüren. In der Normalstellung wiegen die Federelemente Unebenheiten gekonnt aus, und auch wenn man mit 20-Zoll-Rädern nicht über kurze Absätze flauschen kann, ist der Abrollkomfort überraschend gut. Und – Überraschung: Selbst in der Sportstellung stellen die Dämpfer keineswegs notorisch auf stur, sondern filtern weiterhin, wenn auch spürbar straffer. Auf zerfurchten Landstraßen bleibt die Normalstellung dennoch effektiver, da sie alles Notwendige mitteilt, Störeinflüsse jedoch effektiv ausblendet und akkurate Haftung garantiert.
Porsche Boxster S im Kurvenzoom-Modus
So zieht es den Piloten des Porsche Boxster S wie von selbst in hohe Tempobereiche. Förmlich angesaugt vom hochwertig gemachten Innenraum mit der breiten Mittelkonsole im 911er-Stil, quasi direkt über dem Asphalt in optimaler Position kann er sich in den fest stützenden Sportsitzen (Option) hinter der flacheren Frontscheibe entspannt aufs Kurvenzoomen konzentrieren – ohne pochende Stirnader und schwitzige Handflächen. Der 1,4-Tonner folgt lässig den Befehlen der neuen elektromechanischen Lenkung. Sie arbeitet leicht und präzise, verzichtet auf neumodische Hyper-Variabilität, bleibt stets sie selbst. Eine Art Tempo-Katalysator, streng der Neutralität verpflichtet.
Wie das Fahrwerk, das sich so anfühlt, wie der Porsche Boxster S aussieht: dynamisch, knackig, tatendurstig – gegen Aufpreis mit Quersperre und adaptiven Motorlagern. Untersteuern ernten nur Ungeduldige, die die Grenzen der Physik ignorieren. Allen anderen eröffnet der Porsche Boxster S den Fahrdynamik-Himmel. Einfach auf den Punkt anbremsen (nicht vergessen, lose Augäpfel wieder einzusammeln), einlenken, Winkel halten, rauf aufs Gas und weg. Ohne lähmendes Gerutsche oder hektisches Lenkradkurbeln springen G-Kraft-Werte jenseits eins dabei raus. Ablesbar am neuen Info-Fenster im Cockpit, das wahlweise auch die Navigationskarte, den Musiktitel oder die Befindlichkeit der Motorflüssigkeiten (Wasser- und Öltemperatur sowie Öldruck) mitteilt. Der Grenzbereich liegt enorm hoch, die Hilfselektronik hält sich lange zurück, regelt wenn nötig feinfühlig und schnell. Es erfordert keine höllische Virtuosität, um teuflisch schnell zu sein
Dem Porsche Carrera S im Wedeltest eins überbraten
Wer weiß, wie es geht, kann selbst dem Porsche Carrera S im ISO-Wedeltest eins überbraten. Mit exzellenten 147 km/h ist der Porsche Boxster S hier auch schneller als sein Vorgänger – überdies trotz größerer Abmessungen kaum schwerer. Dazu trägt die fast zur Hälfte aus Aluminium gefertigte Karosserie ebenso bei wie der Verzicht auf einen Verdeckkasten (minus zwölf Kilogramm).
Das Thema Verdeck ist ohnehin erfreulich: Es öffnet und schließt vollautomatisch in nur neun Sekunden bis zu einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h oder auch per Schlüsseldruck im Stand. Zudem helfen Akustik-Stoff und Vlies, den Innengeräuschpegel hörbar zu senken. Gemeinsam mit dem langen siebten Gang und daraus resultierenden niedrigen Drehzahlen besitzt der Porsche Boxster S sogar Langstreckenqualitäten.
Auch wenn Aufpreisphobiker um Porsche einen Bogen machen – für alle anderen ist es verlockend, nach nächtelangem Studium Kreuzchen zu machen: von der Belederung des Armaturenträgers (schick) über Schaltwippen statt Paddel beim PDK (nötig) bis hin zur Quersperre samt Torque Vectoring (dynamisch) und dem adaptiven Xenonlicht (hell). So werden aus knapp 60 .000 Euro Grundpreis schnell mehr als 80 .000 Euro für den Porsche Boxster S. Nicht billig – aber immer noch ziemlich günstig für einen fast makellosen offenen Mittelmotor-Elfer.
Porsche Boxster – wie alles begann
Sein Name ist ein Mix aus Boxer und Speedster, sein Auftrag, einen modernen Mittelmotor-Sportler unterhalb des Porsche 911 darzustellen. Seine Krux: trotz fließender Proportionen und fahrdynamisch idealem Mittelmotorkonzept unterhalb zu bleiben. Zumal Kritikpunkte wie die schlichte Materialanmutung Schritt für Schritt behoben wurden, der Fahrspaß spürbar stieg.
Fazit
Der neue Porsche Boxster S drängelt immer frecher an den Elfer ran. Erwachsener, komfortabler und hochwertiger, hat er an Alltagstauglichkeit gewonnen, ohne an Fahrdynamik zu verlieren.
Porsche Boxster S | |
Grundpreis | 65.278 € |
Außenmaße | 4374 x 1801 x 1281 mm |
Kofferraumvolumen | 280 l |
Hubraum / Motor | 3436 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 232 kW / 315 PS bei 6700 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 277 km/h |
0-100 km/h | 4,8 s |
Verbrauch | 8,0 l/100 km |
Testverbrauch | 11,8 l/100 km |