Porsche Boxster Spyder im Supertest

Porsche Boxster Spyder im Supertest
So gut wie der Cayman GT4?

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Man muss kein Action-Held wie Spider-Man sein, um den Porsche Boxster Spyder über die Nordschleife zu jagen, aber ein echter Kerl. Supertest des puristischen Roadsters – mit Handschaltung und ohne Klimaanlage.

Porsche Boxster Spyder, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Nicht in der Fuchsröhre oder im Motodrom – nein, einer der besonderen Momente dieses Supertests findet ausnahmsweise mal nicht auf der Nordschleife oder auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim, sondern in der Prüfhalle des Ingenieurbüros "Müller prüft" im schwäbischen Backnang statt. Mit dem Porsche Boxster Spyder rollt auch der aktuelle Supertest-Kandidat hier vor, um sich dem standardisierten Prozedere aus Leistungsmessung, Achsvermessung und Radlastermittlung zu unterziehen.

Porsche Boxster Spyder wiegt nur 1.337 Kilogramm

Fast branden Jubelschreie auf, als der Mittelmotor-Roadster ohne Klimaanlage, Infotainment und Lautsprecher sein Gewicht auf der Computerscales-Radlastwaage ausbalanciert hat: 1.337 Kilogramm mit vollem 54-Liter-Tank. Damit ist das puristische Topmodell der aktuellen Boxster-Baureihe 981 leichter als alle bisher im Supertest gemessenen GT- und RS-Modelle von Porsche.

Allein sein für heutige Verhältnisse außergewöhnlicher Body-Mass-Index qualifiziert den Porsche Boxster Spyder für den Supertest, auch wenn uns die Kritiker jetzt wieder vorwerfen, den x-ten Porsche zu präsentieren, statt endlich die lang angekündigte Corvette Z06. Abstruseste Theorien machen die Runde, warum wir den US-Sportler bisher nicht gebracht haben. Nur ganz kurz: Dahinter steckt keine Strategie, böse Absicht oder Bevorzugung irgendeiner Marke, sondern schlicht die Tatsache, dass wir bisher aus verschiedenen Gründen noch keine Rundenzeit mit der Vette auf der Nordschleife fahren konnten. Seid gewiss, wir brennen genauso wie ihr auf den Nordschleifen-Ausflug mit der Z06, doch jetzt ist erst einmal der Boxster Spyder dran.

Mit 1.337 Kilo schlägt der puristische Mittelmotor-Roadster auch seinen baureiheninternen Supertestvorgänger auf der Waage deutlich. 1.405 Kilo wog der Boxster S im Supertest in sport auto 7/2012, der damals nicht nur mit 315 PS starkem 3,4-Liter-Sechszylinderboxer, sondern auch mit Siebengang-PDK an den Start rollte. Achsvermessung und Wiegen abgeschlossen, weiter auf den Maha-Leistungsprüfstand.

Der stärkste Boxster aller Zeiten

Boxersägend erklingt hier das nächste Highlight des schärfsten aller Boxster. Erstmals darf er den jüngst im 911 Carrera S aussortierten 3,8-Liter-Sechszylindersauger tragen. Statt der einst 400 PS im Elfer leistet der Boxer hier "nur" 375 PS, aber damit immer noch mehr als alle Boxster-Modelle jemals zuvor. Ein gewisser Respektabstand muss politisch in der Porsche-Modellwelt ja sein – auch zum Cayman GT4, der das gleiche Aggregat aufträgt – aber mit 385 PS. Auf dem Rollenprüfstand hechelt der Supertest-Spyder auf genau 377,6 PS bei 6.750/min.

Jetzt aber raus auf die Landstraße und dann über die Autobahn zur ersten Querdynamikprüfung in Hockenheim. Vorher wird an einer Ampel noch unfreiwillig ein Hupkonzert provoziert. Das Duell "Spyder-Verdecköffnung" gegen "Rotphase der Ampel" endet zugunsten der Ampelanlage. Die Zeit für die friemelige Öffnung per Hand soll laut Porsche von vormals 15 Bedienschritten und drei Minuten auf jetzt sechs Schritte und eine Minute reduziert worden sein. Vielleicht, wenn man die Öffnungstechnik irgendwann im Schlaf beherrscht. Beim ersten Versuch müssen schon einmal die Fingernägel dran glauben.

Bei 298 km/h ist Schluss im Porsche Boxster Spyder

Im Vergleich zum Spyder-Vorgängermodell (Typ 987), das nur ein Notverdeck hatte, trägt die aktuelle Spyder-Version nun ein vollwertiges. Mittels Dämmung, Innenhimmel und Akustikverdeckstoff sollen gegenüber den Verdecken der "normalen" Boxster-Modelle zehn Kilo gespart worden sein. Ganz so leicht wie das Notverdeck ist die aktuelle Konstruktion aus Magnesium, Alu und einer Kunststoffscheibe zwar nicht, dafür wartet jetzt keine Zwangsdusche mehr beim Waschstraßenbesuch. Außerdem ist es "vollgasfest" bis zur Vmax von 290 km/h.

Mit dem Notverdeck des Vorgängers empfahl Porsche nicht schneller als 200 km/h zu fahren. Trotzdem haben sie heute scheinbar auch noch Angst, dass sich der aktuelle Porsche Boxster Spyder sein Stoffmützchen vom Schopf reißen könnte. Bei Tacho 298 km/h und 7.100/min rennt der Porsche Boxster Spyder im Supertest im sechsten Gang nicht mehr weiter, sondern gefühlt vor dem eigentlichen Drehzahllimit bei 7.800/min in eine Art Begrenzer – auch auf kilometerlangen Bergabpassagen auf der Autobahn.

Doch das Lebenselixier des Porsche Boxster Spyder ist nicht die Autobahn, sondern kurvige Landstraßen. Während mit geöffnetem Verdeck die frische Landstraßenluft um die Nase weht, liefert der Spyder die fast perfekte Illusion, damit sich Otto Normalos auch einmal kurz wie James Dean fühlen. An "Little Bastard", den legendären Porsche 550 Spyder des früh verstorbenen Filmschauspielers, erinnert heute natürlich allenfalls die aktuelle Lackierung in GT-Silbermetallic und im Innenraum das sogenannte "Spyder-Classic-Paket", das Porsche exklusiv für den Boxster Spyder entwickelt hat. Granatrotes Leder überzieht hier die Oberseite des Armaturenbretts, die Sitze und die Wangen der Mittelkonsole. Auch "Little Bastard" trug stolzes Rot im Interieur.

Porsche Boxster Spyder setzt dem Sauger ein Denkmal

Für sein herrlich unflätiges Brabbeln und Räuspern muss man den aktuellen Porsche Boxster Spyder einfach lieben. Egal ob bei geschlossenem oder geöffnetem Verdeck, ob bei Hochdrehzahl oder im Drehzahlkeller – das Boxersägen durchflutet das Spyder-Cockpit jederzeit mehr als präsent. Speziell bei Gaspedallupfern böllert der Spyder so vergnügt, dass manches Silvesterfeuerwerk neidisch wird. Im GT4 (Supertest) war der Mittelmotorklang ja schon der Hammer, aber der Boxster Spyder setzt dem im Carrera S verschmähten 3,8-Liter-Sauger akustisch noch einmal ein Denkmal.

Apropos GT4: Nach der Ankunft in Hockenheim stellt sich auf dem Kleinen Kurs die Frage, ob nicht doch mehr Cayman GT4 im Boxster Spyder steckt als nur das leicht abgewandelte Triebwerk sowie die Front- und Heckschürze. Auch wenn die Optik Brüderschaft vorgaukelt, zeigt sich unter dem Karosseriekleid, wie grundverschieden Coupé und Roadster sind.

In 1.11,3 Minuten um den Kleinen Kurs

Während der GT4 ein individuell in Höhe, Spur, Sturz und Stabis einstellbares Fahrwerk mit der größtenteils vom 911 GT3 übernommenen Vorderachse samt Uniballlagern trägt, basiert das modifizierte Sportfahrwerk des Spyder auf dem Chassis des Boxster GTS. Das straffe Fahrwerk mit 20 mm Tieferlegung ist statisch ausgelegt und verfügt nicht über per Tastendruck in ihrer Härte justierbare Adaptivdämpfer, wie beispielsweise der GT4.

Außerdem rollt der GT4 auf breiteren Rädern (245/35 ZR 20 vorn, 295/30 ZR 20 hinten) als der Porsche Boxster Spyder. Statt Michelin-Cup-2-Semislicks kommt hier eine neue Generation Pirelli P Zero zum Einsatz. Neben den Radständen (GT4: 2.484 mm, Spyder: 2.475 mm) hat der Spyder auch andere Spurweiten (1.526 mm vorn, 1.540 mm hinten) als der GT4 (1.539 mm vorn, 1.533 mm hinten). Den Kleinen Kurs umrundet der Spyder in 1.11,3 Minuten und damit satte 2,6 Sekunden schneller als der Boxster S. Das Spyder-Sportfahrwerk ist perfekt auf die relativ ebene und nur von vereinzelten Bodenwellen geprägte Strecke zugeschnitten. Im Vergleich zum Boxster S lenkt der Spyder in Hockenheim noch präziser ein und überzeugt in den engen Ecken genau mit dem richtigen Maß an Lastwechselreaktionen und Traktion beim Herausbeschleunigen.

Porsche Boxster Spyder schneller als der 997 GT3 MkI

Das Fahrverhalten wirkt hier neutraler als in den anderen Boxster-Varianten. Die Kraftverteilung auf die Hinterräder erfolgt über eine mechanische Quersperre (Sperrwirkung 22 Prozent im Zug, 27 Prozent im Schub), die Teil der bekannten Torque-Vectoring-Funktion PTV ist. Die aus dem 911 Turbo übernommene elektromechanische Servolenkung arbeitet mit direkterer Rückmeldung als die Lenkung der anderen Boxster-Modelle. An die knackige Rückmeldung der GT4-Lenkung und deren sportliche Haltkräfte kommt sie jedoch nicht heran.

Das ausschließlich erhältliche Sechsganggetriebe ist ein fein vorgetragenes Gedicht hinsichtlich Schaltpräzision, Gassenführung und Länge der Schaltwege. Genauso wie der GT4 gibt der Spyder im Sport-Plus-Modus automatisch Zwischengas. Im GT4 ist diese Funktion jedoch clevererweise nicht an das ESP gekoppelt. Im Spyder verschwinden mit der ESP-Deaktivierung auch die emotionalen und hilfreichen Zwischengasstöße.

Unverständlich, warum? Im Vergleich zum GT4 offenbart der Porsche Boxster Spyder im Grenzbereich mehr Karosseriebewegungen und zeigt ein geringeres Gripniveau, das speziell beim Bremsen offensichtlich wird. Nur Träumer haben erwartet, dass der Porsche Boxster Spyder im Supertest unter all diesen Vorzeichen der GT4-Rundenzeit (1.10,1 min) in Hockenheim nahekommen, geschweige denn sie knacken kann. Trotzdem kann der Spyder beeindrucken und schlägt die einst mit Cup-Reifen angetretenen Supertest-Haudegen 996 GT3 RS (1.11,8 Minuten) sowie den 997 GT3 MkI (1.11,7 Minuten).

Nordschleife: schnell, aber ...

Und auf der Nordschleife? Kurze Anekdote über die Anfahrt von Hockenheim zum Ring bei Außentemperaturen von fast 40 Grad Celsius: Puh, fast hätte sich der Supertester dann doch eine Klimaanlage gewünscht – aber nur fast. Wasser predigen und dann Wein saufen, nicht bei sport auto! Und wenn man dann leicht taub und mit klitschnass geschwitztem Shirt in der Tankstellenkasse zwischen all den Klimaanlagen-und Doppelverglasungsjüngern mit ihren langweiligen Vertreterkombis steht, grinst man zufrieden in sich hinein.

Im Grenzbereich auf der Nordschleife wird aus dem Grinsen dann schnell ein etwas angestrengterer Blick. Während die Spyder-Fahrwerksabstimmung für Hockenheim perfekt passt, erweist sie sich auf den Kuppen, Bodenwellen und Highspeedkurven der Nordschleife eher als suboptimal. Speziell auf den Bodenwellen wirkt das in seiner Dämpferhärte nicht justierbare Fahrwerk hier zu straff, und der Porsche Boxster Spyder springt im Supertest zu stark über einige Wellen. Eine gewöhnungsbedürftige Mischung beispielsweise an der Highspeed-Kuppe vor dem Schwedenkreuz, wenn dann noch im Vergleich zum GT4 der Abtrieb gänzlich fehlt. Mit 256 km/h geht die Kuppe zwar "voll", aber man sollte sich darauf gefasst machen, dass der Spyder dabei seine Hinterachse um gefühlt 30 Zentimeter anlupft.

In anderen schnellen Kurven, beispielsweise die Streckenabschnitte Mutkurve oder die Wechselkurven hinter dem zweiten Pflanzgartensprung, bringt einem der Boxster Spyder nicht ganz so schnell Vertrauen entgegen wie der GT4. Die Balance zwischen dem direkten Einlenken der Vorderachse und der Traktion an der Hinterachse passt nicht hundertprozentig. Die Hinterachse hält die Spur, fühlt sich mit ihren diffusen Reaktionen aber so an, als ob der schnelle Roadster jederzeit doch lieber noch einen kleinen Ausfallschritt einstreuen würde.

Nicht nur das geringere Gripniveau der Pirelli-Reifen gegenüber der Cup-Bereifung des GT4 macht sich auf der Nordschleife bemerkbar, sondern vor allem das rechte Maß an mechanischem Grip, welches dem Spyder im Vergleich zum GT4 fehlt. Kurz: Die Rundenzeit von 7.42 Minuten im GT4 ließ sich deutlich leichter fahren als die schnelle Runde im Spyder. Das ohne Tempolimit im Industriepool (Schwedenkreuz 256 km/h, Döttinger Höhe 267 km/h) rausgefahrene Rundenzeitendelta beträgt drei Sekunden auf die spätere Supertest-Zeitrunde. Wie zu alten Zeiten musste dabei im Grenzbereich noch mehr gekämpft werden, und es war eine Extraportion Mut gefragt.

Technische Daten
Porsche Boxster Spyder Spyder
Grundpreis79.945 €
Außenmaße4414 x 1801 x 1262 mm
Kofferraumvolumen280 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung276 kW / 375 PS bei 6700 U/min
Höchstgeschwindigkeit290 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch9,9 l/100 km