Freitag, 15. Mai, 13 Uhr, Besprechungsraum "Hatzenbach" im Büro der Nürburgring GmbH – bevor wir heute gemeinsam Gas geben, blicken wir kurz zurück auf den wohl größten Einschnitt in der mittlerweile 18-jährigen Supertest-Geschichte. "Ab sofort gilt das vom DMSB verhängte Tempolimit auf der Nordschleife nicht nur für Rennveranstaltungen, sondern auch für Rekordrunden mit Serienfahrzeugen – dazu zählt auch die schnelle Supertestrunde", erklärt André Brodrecht, Head of Marketing und Product Management bei der Nürburgring GmbH. Freunde des Supertests, glaubt mir, bei dieser Ansage hätte ich als Nordschleifenfan am liebsten sämtliche Wasserflaschen vom Besprechungstisch gefegt.
Zündschlüsselkämpfe in der Redaktion
Puh, ganz tief durchatmen und an bessere Tage am Ring denken. So wie an jenen im Winter 2011. 25 Zentimeter Neuschnee hatten die Nordschleife verzuckert. Wenig später flog die weiße Pracht durch die Luft, dass so manche Schneekanone neidisch wurde. Drei Subaru-Impreza-Generationen frästen mit monumentalen Heckflügeln und Colin-McRae-Gedächtnisdrifts über den Ring.
Die Stichworte "Subaru" und "Impreza" erinnern nicht nur an den viel zu früh verstorbenen Rallye-Weltmeister McRae, der seinen einzigen WM-Titel 1995 auf einem Impreza WRC mit heute legendärer Kampfbemalung (blauer Lack, goldene Felgen) einfuhr, sondern auch an Zündschlüsselkämpfe in unserer Redaktion. Sämtliche Impreza-Modelle durchliefen bei uns Zehntausende Kilometer Dauertest. Gute-Laune-Macher waren sie alle.
Subaru WRX STI mit 300 PS
Genau das Richtige also nach der eingangs erwähnten Hiobsbotschaft. Mit seinen 300 PS bleibt der aktuelle Subaru WRX STI aber deutlich unter den ab sofort gültigen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Nordschleife.
Womit wir bei einem Thema wären, dem sich die Entwicklungsabteilung Subaru Technica International (kurz: STI) bei einem möglichen Nachfolger annehmen sollte. Wie im Vorgängermodell (STI-Fließheck ab 2008, Stufenhecklimousine ab Modelljahr 2011) arbeitet auch im aktuellen Modell der intern EJ257 genannte 2,5-Liter-Vierzylinderboxer mit Turboaufladung. Die Motorleistung des Subaru WRX STI blieb mit 300 PS unverändert.
Hinter der martialischen Lufthutze auf der Motorhaube dürften gerne jedoch 380 bis 400 PS stecken – wie beispielsweise bei den Vorgänger-Sondermodellen WRX STI 380S oder dem Cosworth WRX STI CS400, die es nur auf dem britischen Markt gab. Die Kraftentfaltung im aktuellen Subaru WRX STI beamt einen zurück in die Vergangenheit – damals, als Turbolöcher so modern waren wie Schlaghosen.
Aktuell gibt es ja auch andere 300-PS-Turbomotoren, die drücken aus dem Drehzahlkeller gleichmäßig über das gesamte Drehzahlband. Der STI-Boxer ist anders. Auch mit der schärfsten aller möglichen Gaspedal-Kennlinien lässt er sich erst einmal bis 3.500/min Zeit zum Nachdenken. Dieses Turboloch macht neugierig. Was kommt dahinter? Punch, Abrissbirne, Detonation? Leider nichts dergleichen. Turbolöcher haben durchaus auch heute Faszinationspotenzial – wenn anschließend ein richtiger Tritt in die Magengrube kommt.
Subaru WRX STI - Unverwechselbarer Japaner
Doch kann man dem Subaru WRX STI dafür böse sein? Anders als so manches Konzernfahrzeug könnte man den japanischen Charakterdarsteller mit geschlossen Augen erkennen. Nicht nur das hintergründige Boxergrummeln, sondern auch die Sechsgang-Handschaltung prägen den Flügel-Subaru. Herrlich, dass die von der inzwischen weitverbreiteten Schaltwippenzupferei fast verkümmerte Armmuskulatur hier mal wieder trainiert wird. Nicht synthetisch leichtgängig, sondern etwas knorrig wandert der Schaltstock durch die präzisen Gassen des Schaltgetriebes. Fahrspaß kann halt nicht immer an nackten Zahlen festgemacht werden.
Und was kann das Rallye-Relikt auf der Rennstrecke im Supertest? Im Vergleich zum Vorgänger wuchs der Radstand der fünften Generation um 25 mm und die Übersetzung der hydraulischen Servolenkung wurde direkter ausgelegt (13 : 1 statt bisher 15 : 1). Außerdem erhöhten die STI-Entwickler die Federraten fast um ein Viertel und vergrößerten den Stabilisatordurchmesser von 21 auf 24 mm. Insgesamt wurde das Fahrwerk durch verschiedene Details, wie beispielsweise die Querlenkerlagerung durch Unibal-Gelenke, versteift. Wenn die Modifikationen auf der Rennstrecke etwas bringen, akzeptiert man gerne die knochentrockene Federung im Alltag, oder anders: das dauerhafte Mitwippen auf Bodenwellen.
Schnee liebt der Flügelheld mehr
Ein Blick in die Supertest-Datenbank: Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim gilt es eine Rundenzeit von 1.17,9 Minuten des 265 PS starken Vorvorgängermodells aus dem Jahr 2004 zu schlagen. Vorweg die gute Nachricht: Mit 1.16,8 Minuten ist der aktuelle Subaru WRX STI schneller. Der Weg dorthin ist auf dem verwinkelten Kleinen Kurs eher beschwerlich. An diesem Tag schwebt nur ein Wort über dem Hockenheimring: UNTERSTEUERN.
In Kurven reinbremsen und früh wieder aufs Gas stiefeln, um die Allradtraktion auszunutzen? Vergesst das, es gibt wohl derzeit kein Serienfahrzeug, das man schneller "überfahren" kann als den Subaru WRX STI. Schon beim Blick auf die Achsgeometrie und die Luftdruckvorgaben (vorn mehr Luftdruck als hinten) war klar, dass die Hinterachse sehr sicher und stabil ausgelegt wurde. Dementsprechend fährt sich der Subaru WRX STI auch.
Zu dem kaum vermeidbaren Kurveneingangsuntersteuern gesellt sich eine Lenkung, die um die Mittellage immer noch zu indifferent agiert und deren Haltekräfte zu leichtgängig ausfallen. Gegen bewusst eingestreute Lastwechsel, um das Untersteuern zu reduzieren, ist das Flügelteil nahezu immun.
Je enger der Kurvenradius, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Subaru WRX STI bei zu vehementem Lasteinsatz auch beim Herausbeschleunigen über die Vorderachse schiebt. Den durchschnittlichen Auftritt in Hockenheim rundet das mittelmäßige Gripniveau der Bereifung Dunlop Sport Maxx RT ab. Sorry Subaru WRX STI, das musste jetzt mal gesagt werden – bei verschneiter Piste wärst du fideler durch die engen Ecken des Kleinen Kurses getobt.
Subaru WRX STI mit Mittendifferential
Mit niedrigeren Reibwerten (Nässe oder Schnee) freundet sich der Allradler deutlich schneller an und kann dann, bei gut beherrschbaren Drifts, lässig sein Heck raushängen lassen. Das elektronisch angesteuerte Mittendifferenzial des Allradantriebs kann die Antriebskräfte variabel zwischen 41 : 59 und "gesperrt" (50 : 50) verteilen. Der Sperrgrad kann entweder in sechs Stufen manuell eingestellt werden oder in drei verschiedenen, automatischen Modi (Auto, Auto+, Auto-) arbeiten. An Vorder- und Hinterachse kommen zudem mechanische Sperrdifferenziale (vorn: Helical, hinten: Torsen) zum Einsatz.
Sowohl die Rundenzeit in Hockenheim als auch auf der Nordschleife wurden im Supertest mit deaktiviertem ESP und im Modus Auto- gefahren. Laut Subaru eignet sich diese Einstellung besonders gut für trockenen Asphalt. Alle anderen Einstellungen sollen "größtmögliche Traktion" sicherstellen, verstärken aber damit das Untersteuern bei Trockenheit noch mehr.
2004 fuhr der damals 265 PS starke Subaru WRX STI auf der Nordschleife zunächst mit den Standardreifen eine Rundenzeit von 8.32 min. Bei einer zweiten Runde mit semislickähnlichen Sportreifen Bridgestone Potenza RE070 unterbot er seine Zeit um acht Sekunden und kam auf 8.24 Minuten.
Kein Semislick für den Flügelheld
Für den aktuellen Subaru WRX STI gibt es keine Semislicks mehr im Programm, sondern nur den Dunlop-Reifen, der einen Kompromiss aus Nassgripverhalten, Trockenhandling und Komfort darstellt. Dass ein Semislick dem aktuellen Modell nicht nur in Hockenheim und auf der Nordschleife gutgetan hätte, zeigt sich auch bei der Bremsmessung. Während der semislickbestückte Subaru WRX STI anno 2004 aus Tempo 100 in beeindruckenden 33,6 Metern bremste, verzögert das aktuelle Modell aus 100 km/h nur in 36,3 Metern.
Umso größer war die Überraschung, als wir während der aktuellen Supertestphase die parallel an der Nordschleife arbeitende Test- und Entwicklungs-Crew von STI besuchten. Dort fiel der Blick sofort auf einen Subaru WRX STI, der zu Testzwecken mit dem Bridgestone Potenza RE070A, dem aktuellen Nachfolger des RE070, bestückt war. Nur zu gerne wäre der Supertester auch mit dem Semislick auf die schnelle Nordschleifenrunde ausgerückt, aber was es (noch) nicht ab Werk gibt, wird im Supertest auch nicht getestet.
Auf der Nordschleife schiebt der Subaru WRX STI zwar nicht so stark wie in Hockenheim, doch auch die Nordschleifenrunde ist von Kurveneingangsuntersteuern sowie Untersteuern unter Last geprägt. Vor allem in Passagen wie Metzgesfeld und Breidscheid kann Letzteres unangenehm werden. Auf anderen Streckenabschnitten muss man den Subaru WRX STI einfach lieben: Beispielsweise in der Fuchsröhre, wo es mit Vollgas locker durch die Kompression geht und erst bergauf vor dem Linksknick angebremst werden muss.
Nicht nur hier, auch im Kesselchen oder auf der Döttinger Höhe merkt man aber klar, dass der Subaru WRX STI mehr Leistung vertragen könnte. Dazu kommt die Streuung der Motorleistung, die sich zwischen den einzelnen Fahrzeugen mehr oder minder unterscheidet. Der in Hockenheim gemessene Subaru WRX STI ging gefühlt besser als das Flügeltier auf der Nordschleifenrunde.
Warum zwei unterschiedliche Testwagen? Der erste Subaru WRX STI wurde bei Subaru Deutschland aus dem Fuhrpark gestohlen, just bevor er zur Nordschleifentour aufbrechen sollte. Geschmack haben sie ja, die Diebe! Auch wenn der aktuelle Flügelheld von den reinen Zahlen her etwas ergraut wirkt, fasziniert der authentische Auftritt im Alltag aber immer noch wie bei seinen legendären Vorgängern.
Subaru WRX STI 4x4 Sport | |
Grundpreis | 46.350 € |
Außenmaße | 4595 x 1795 x 1475 mm |
Kofferraumvolumen | 460 l |
Hubraum / Motor | 2457 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 221 kW / 300 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 255 km/h |
0-100 km/h | 5,4 s |
Verbrauch | 10,4 l/100 km |