Ganz nüchtern betrachtet, also gesetzt den Fall, man schafft es, die berauschende Aura dieser zwei mal auszublenden, wird man zu dem Schluss gelangen, dass Audi RS 6 Performance und BMW M5 Competition ein bisschen überfordert sind mit sich. Erklären wir es so: Es gibt Autos, die in ihre Sportlichkeit hineingewachsen sind. Oder besser: die mit ihr gewachsen sind. So ein Mercedes-AMG C 63 ist ein schönes Beispiel. Seine Traktion passt zum Schub, die antrainierte Agilität zur Ausrichtung – und das, obwohl alle Bereiche kräftig angezogen haben in letzter Zeit.
BMW M5 beschränkt durch Antriebskonzept
Bei diesen beiden hier hat man jedoch den Eindruck, dass dieses Gefüge zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät. Im Klartext: Ihre Ansprüche an Power und Performance sind inzwischen so groß geworden, dass sie ihnen über die Köpfe wachsen.
Beim BMW M5 entstehen die Komplikationen durch das Antriebskonzept. Das muss – so steht es in der M-Bibel – auf die Hinterräder beschränkt sein. So weit, so gut. Jedoch entwickelte es sich nicht ganz so rapide weiter wie die Motorleistung, mit der es klarzukommen hat. Kurzum: Der Biturbo-Punch sprengt den Rahmen der Möglichkeiten, und zwar relativ unabhängig davon, ob der 4,4-Liter nun standardmäßige 560 PS leistet, die 600 des Jubiläumsmodells oder wie hier im Competition deren 575.
Im Alltag, wenn man unterbewusst dahinfährt, verheddert man sich jedenfalls regelmäßig wieder im Kabel der Regelelektronik: beim Abbiegen, beim Herausbeschleunigen aus Autobahnbaustellen und sowieso immer dann, wenn die Fahrbahn für das viele Drehmoment zu kühl, zu hubbelig, zu feucht oder zu schmutzig ist. Sicherlich hängt dieser Umstand auch mit der bei den M-Modellen generell eher übervorsichtigen ESP-Abstimmung zusammen, nur ändert das eben nichts daran, dass es – nüchtern betrachtet – ziemlicher Schmarrn ist, eine Bestie heranzuzüchten, um sie dann wieder zu domestizieren.
RS 6 mit allen Tricks gegen das Gewicht
Für den RS 6 ist Traktion dank Allradantrieb kein Knackpunkt. Im Gegenteil: Traktion ist Tradition, woran auch der Performance-Push um 45 PS nicht zu rütteln vermag. Dass er einem mit seiner Ausrichtung dennoch ein wenig vergewaltigt vorkommt, hat andere Gründe: anatomische in erster Linie. 2.054 Kilo bringt er auf die Waage, das ist deutlich mehr als der BMW und vor allem deshalb so schwerwiegend, weil sich der Gewichtsunterschied komplett auf die Vorderachse konzentriert.
Um der etwas bierbauchigen Statur trotzdem so etwas wie Dynamik abzuringen, braucht es Techniktricks: im konkreten Fall ein extrem steifes Fahrwerk mit Wankausgleichs-Hydraulik sowie Antriebsgimmicks in Form einer hecklastigen Kraftverteilung samt Sportdifferenzial, was die Untersteuerneigung mit vereinten Kräften über die Hinterachse heraushebeln soll. Das sind noble Absichten, keine Frage, nur bergen sie Nebenwirkungen. Vor allem bei banalen Jobs wirkt der Audi RS6 Performance im Test verkrampft, rollt sperrig ab und rubbelt mit seinem vorgespannten Antrieb bei Rangiermanövern über die Vorderräder. Er sträubt sich sozusagen, muss sich verrenken, um zu werden, was er nie sein wird. Und genau wie die Bei-Fuß-Berserkerei des M5 ist auch das – nüchtern betrachtet – Schmarrn.
Antriebshammer Audi RS 6
Als ausgewiesenen Dynamikjunkies fehlt uns für Nüchternheit jedoch die Kondition, sodass sich neben der Frage nach dem tieferen Sinn der zwei auch jene aufwirft, ob es nicht gerade ihre Unsinnigkeit ist, die sie so reizvoll macht. Der Audi RS 6 zum Beispiel: Egal wie gut Elektronik, Kinematik und Motorik zusammenspielen, kleiner und leichter wird er davon nicht. Aber: Er fühlt sich leichter an – beim Einlenken, im Kurvenverlauf und wenigstens bis zu jenem neuralgischen Punkt, an dem physikalische Kräfte nicht mehr zu unterdrücken sind.
Geradeaus ist die Klobigkeit dann sowieso wie weggeblasen – im wahrsten Wortsinn. Kurz schnappen seine beiden Lader Luft, dann atmen sie aus. Aber wie, mein lieber Schieber! Die ersten beiden Übersetzungen werden von den 750 Nm des Overboost einfach überrannt, erst die dritte ist lang genug, dass man begreift, was hier passiert. Das Abstruse: Der Schub ist stählern, aber auf eine sehr samtige Art, er kickt hochprozentig, bleibt aber immer auch likörig im Nachgeschmack – einfach weil alles so beiläufig abläuft, so mühelos. Der Vierliter-V8 jagt im Test über das Drehzahlband, statt sich an ihm hochzuzerren, Newtonmeter werden emittiert, nicht generiert, und das dumpfe Gepauke der Sportabgasanlage spielt eher hintergründig als mit großem Ufftata durch den Innenraum.
Doch so spannend diese brutale Form der Sanftmütigkeit auch sein mag, sie verstärkt eine seltsame Charaktereigenschaft des RS 6, die mit „Unnahbarkeit“ wohl am treffendsten umschrieben ist. Es gibt Autos, mit denen verwächst du regelrecht: im Beinbereich und, noch wichtiger, mit den Armen. Er hier jedoch fremdelt. Die Gasannahme changiert je nach Modus zwischen matt und übereifrig, die Lenkung flutscht mit ihrer schleierhaften Rückmeldung und der spitzen Übersetzung weitgehend orientierungslos in den Handflächen herum, sodass sich das Gesamtkonstrukt am Schluss immer wie ein Stück Seife anfühlt.
M5 watscht RS 6 auf der Rennstrecke ab
Anders der BMW M5 Competition im Test. Er ist handfester im Handling, rauer im Klang, präziser in der Befehlsumsetzung, griffiger an den Schnittstellen und damit emotional ergreifender. Im Gegensatz zum Audi entfaltet sich sein V8 nicht als Apokalypse, sondern als Naturgewalt, lässt einen dank der dezenteren Aufladung die Drehbewegung in seinem Inneren noch spüren, ohne dass dadurch Vehemenz verloren ginge.
Im Sprint auf 100 manifestieren sich seine antriebskonzeptionellen Nachteile zwar in vier Zehnteln Rückstand, bei 200 km/h sind die jedoch schon wieder reingeholt. Voraussetzung: Man muss wissen, mit ihm umzugehen. Stumpf reintreten ist nicht, sonst reagiert er mit der Nächstenliebe eines tollwütigen Leistenkrokodils. Auf Streicheleinheiten reduzieren muss man den Umgang mit ihm jedoch auch nicht mehr. Denn im Zuge der Modellevolution haben sie die gesperrte Hinterachse nun endlich so hinbekommen, dass sich vernünftig mit ihr arbeiten lässt.
Zwar sind die Verbesserungen wegen der kinematischen Rahmenbedingungen hier nicht ganz so weitreichend wie beim breitspurigeren M6, nichtsdestotrotz stützen sie das ankommende Drehmoment beim Herausbeschleunigen nun spürbar fester und vor allem ausbruchsicher gegen die Fliehkraft ab. Auch wenn sich das zunächst nach einer Verbesserung im Detail anhört, so macht es den Unterschied – und diesen M5 zum schnellsten jemals.
Bitter für den Audi, denn sein Bewegungsapparat ist trotz der vielen Agilitätsmaßnahmen deutlich sperriger. Konkret: Der BMW lässt sich dem Fahrstil entsprechend animieren. Er kann nach wie vor lebhaft, aber neuerdings eben auch schnörkellos. Der RS 6 hingegen blockt zu viel Ehrgeiz schon beim Einlenken ab, weswegen einem gar nichts anderes übrig bleibt, als nach der Langsam-rein-schnell-raus-Regel vorzugehen. Kurveneingangs geht dadurch Zeit verloren, logisch, bloß macht man gegen diesen M5 ausgangs nicht mehr zwangsweise welche gut. Jedenfalls beschränken sich die Vorteile des Audi nunmehr auf enge Bögen. Nur dort kann er das Momentum des Sportdiffs nutzen, seine Traktion ausspielen und den Rückstand etwas eindämmen. Wobei 1,3 Sekunden trotzdem 'ne Menge sind – nüchtern betrachtet.
Audi RS 6 Avant performance | BMW M5 Competition M5 | |
Grundpreis | 118.000 € | 112.300 € |
Außenmaße | 4979 x 1936 x 1482 mm | 4910 x 1891 x 1467 mm |
Kofferraumvolumen | 565 bis 1680 l | 520 l |
Hubraum / Motor | 3993 cm³ / 8-Zylinder | 4395 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 445 kW / 605 PS bei 6100 U/min | 423 kW / 575 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 250 km/h |
0-100 km/h | 3,7 s | 4,1 s |
Verbrauch | 9,6 l/100 km | 9,9 l/100 km |