Autos viel teurer als vor einem Jahr: Die Preistricks der Hersteller

Autos sind viel teurer als vor einem Jahr
Die Preistricks der Autohersteller

Es ist nicht nur so ein Gefühl, sondern bittere Realität: Die Neuwagenpreise steigen, die Preisspirale dreht sich auf Hochtouren – selbst bei Brot-und-Butter-Autos. Wir haben die "Beweise".

Mercedes GLE und GLE Coupé Facelift 2023
Foto: Mercedes

Die Inflationssteigerung hat sich gegen Jahresende zwar etwas abgeschwächt. Trotzdem ermittelte das Statistische Bundesamt für 2022 eine Jahresteuerungsrate von 7,9 Prozent. "Historisch hoch" sei das, sagt Dr. Ruth Brand, die seit Jahresbeginn Präsidentin der Behörde ist. Und dennoch würden sich viele Autokäuferinnen und -käufer freuen, wenn ihr Wunschmodell "nur" 7,9 Prozent teurer wäre als vor einem Jahr. Bei vielen Neuwagenpreisen liegt die Inflationsrate jedoch deutlich höher als der Bundesdurchschnitt.

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Extreme Teuerungsraten beim Mercedes GLE

Ein besonders prägnantes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist der aufgefrischte Mercedes GLE. Dessen Basispreis lag zum Jahreswechsel noch bei 75.946 Euro für den GLE 350 e 4-Matic. Der 333 PS starke Plug-in-Hybride trägt zwar noch kein neues Preisschild; dass er die 80.000-Euro-Grenze reißt, dürfte aber als sicher gelten. Schließlich springt auch der 300 d 4-Matic kräftig, und zwar von 78.326 auf 85.055 Euro – ein Plus von 8,6 Prozent. Sogar um 14,7 Prozent steigt der Preis der Modellversion GLE 450 4-Matic, nämlich von 83.205 auf 95.456 Euro.

Eine noch größere Diskrepanz offenbart sich beim Vergleich mit den Preisen vom Frühjahr 2022. Also bevor aufgrund des Ukraine-Krieges die zuvor bereits wegen Corona-Krise, Chipmangel, zusammengebrochener Lieferketten etc. erhöhten Preise nochmals stark gestiegen sind. Ein Mercedes GLE 450 4-Matic kostete damals "nur" 79.932 Euro, der 300er-Diesel lag bei 75.053 Euro und der 350er-Benziner-PHEV bei 75.946 Euro.

C-Klasse legt bis zu 11.000 Euro zu

Beim Publikumsliebling C-Klasse zieht Mercedes die Preise ebenfalls an. Die Einsteiger-Modelle von C 180 bis C 220 d legen im Schnitt um rund 1.300 Euro zu. So kostet der etwa kleinste Benziner künftig 45.202 statt 43.881 Euro. Empfindlich teurer wird es bei den C-300-Versionen, die mit mehr als 11.000 Euro zusätzlich zu Buche schlagen. Der Grund dafür: Mercedes packt das AMG Advanced Paket serienmäßig in die Modellvarianten. Das alleine steht sonst mit 9.200 Euro im Katalog.

Übrigens ist das seit der Markteinführung von Generation W 206 nicht die erste Preisanpassung nach oben. Seit Marktstart ist die C-Klasse zwischenzeitlich bereits um 2.700 Euro im Preis gestiegen. Im Gegenzug hatte Mercedes immerhin den Kombi-Aufschlag für die T-Modelle um 400 Euro reduziert.

Corolla-Preis steigt um 28,6 Prozent

Es müssen jedoch nicht gleich Oberklassemodelle sein. Toyota dreht beispielsweise beim Corolla heftig an der Preisschraube. Der Einstiegspreis im Frühjahr 2022? 25.920 Euro für den Hybrid mit 1,8-Liter-Benziner und 122 PS. Im Zuge eines Facelifts erstarkte das Modell in der Zwischenzeit auf 140 PS, erhielt leichte optische Retuschen und ein moderneres Infotainment-System. Gleichzeitig wurde es teurer: Bereits der erste Preisanstieg auf 31.890 Euro fiel heftig aus. Inzwischen kostet der 1.8er-Hybrid sogar 33.340 Euro – das sind 28,6 Prozent mehr als vor einem Jahr!

Der Trick mit der Ausstattung

Die beiden Beispiele demonstrieren exemplarisch die Tricks, mit denen die Hersteller versuchen, ihre Preissteigerungen zu rechtfertigen – oder zu vernebeln, je nach Sichtweise. Toyota nutzt ein Facelift, um die Corolla-Preise anzuheben. Das ist nichts Neues; auch bisher führten Modellpflegen meist zu höheren Tarifen. Jedoch längst nicht in diesem Ausmaß – ein fünfprozentiger Zuschlag galt meist schon als heftig. Mercedes polstert beim GLE zusätzlich die Ausstattung auf. Jedoch längst nicht in einem derart großen Umfang, dass das die Aufpreise rechtfertigen würde. Ausstattungsbereinigt schmilzt der Preisunterschied lediglich um wenige Prozent.

Ebenfalls beliebt: der Wegfall der Basisausstattung. Diesen Trick hat beispielsweise VW bei seinem Elektroknirps E-Up angewendet. Der erhielt im November 2019 eine Modellpflege, die ihm unter anderem eine auf knapp 260 Kilometer erhöhte WLTP-Reichweite brachte. In Kombination mit dem geringen Startpreis von 21.975 Euro und der damals gültigen E-Auto-Förderung sank der letztlich zu zahlende Preis auf nur noch rund 13.000 Euro. Entsprechend beliebt war das Modell, bis der Chipmangel und die Lieferkettenprobleme kamen. VW nahm das Modell erst vom Markt und im Februar 2022 wieder ins Programm – allerdings nur in der höherwertigen Style-Plus-Ausstattung für mindestens 26.895 Euro. Auf einen erneuten Abschied folgte ein weiteres Comeback. Inzwischen gibt es den E-Up nur noch in der Edition-Ausstattung für mindestens 29.995 Euro.

Ein Einzelfall? Mitnichten! Ähnlich geht Peugeot beim E-2008 vor. Der zum Marktstart 2019 ab 35.250 Euro erhältliche und zwischendurch bereits auf 37.900 Euro verteuerte kleine Elektro-SUV kostet seit 1. März 2023 mindestens 41.000 Euro – ein Zuwachs von 16,3 Prozent innerhalb von rund drei Jahren. Statt drei Ausstattungslinien (Allure, Allure Pack und GT) gibt es jetzt nur noch deren zwei (Allure+ und GT+). Die Ausstattungsniveaus wurden zwar jeweils etwas angehoben; allerdings nicht in einem Umfang, der die Preiserhöhung komplett rechtfertigen würde.

Basismotor adieu!

Volkswagen streicht übrigens nicht nur Basisausstattungen, sondern auch ganze Basismodelle. Im Sommer 2021, zu Beginn der Halbleiter-Krise, waren plötzlich der Golf mit Basismotor (1.0 TSI mit 90 PS) und der ID.3 Pure mit 110 kW (150 PS) und 45 Kilowattstunden-Batterie nicht mehr verfügbar. Was ein temporäres Phänomen bleiben sollte, wurde zum Dauerzustand. Der schwächste aktuell erhältliche Golf, der 1.0 eTSI mit Sieben-Gang-DSG, leistet 110 PS. Am billigsten ist jedoch der 1.5 TSI mit Sechsgang-Handschaltung und 130 PS für 31.145 Euro – das sind 10.750 Euro beziehungsweise 52,7 Prozent mehr als der frühere 90-PS-Golf! Ähnliche Lage beim ID.3: Den Baureiheneinstieg verkörpert heute das Modell mit 150 kW (204 PS) und 58-Kilowattstunden-Akku. Basispreis: 41.315 Euro. Zum Vergleich: Als der Pure aus dem Angebot verschwand, lag sein Startpreis bei 31.495 Euro; der VW ID.3 ist damit aktuell 31,2 Prozent teurer als jetzt.

Viele Beispiele zeigen: Stark steigende Autopreise sind nicht völlig neu, doch aktuell scheinen sie ein Allzeithoch erreicht zu haben. Eine ADAC-Auswertung von September 2022 zeigt: Im Durchschnitt sind Autos in den fünf Jahren zuvor um 19 Prozent teurer geworden, während die Inflation im selben Zeitraum etwas weniger stark anstieg (16 Prozent). Besonders hoch fielen übrigens die Teuerungsraten von Kleinst- (44 Prozent) und Kleinwagen aus (etwa 30 Prozent).

Opel Corsa-e wird anlasslos teurer

Dass es nicht immer einen Anlass braucht, um Autos zu verteuern (zumindest keinen produktbezogenen), zeigt das aktuelle Beispiel Opel Corsa-e. Beim Kleinwagen mit Elektroantrieb stieg der Basispreis Anfang Februar 2023 von 33.895 auf 36.395 Euro – ein Plus von 2.500 Euro. Dabei hat sich weder bei der Technik noch in Sachen Ausstattung etwas geändert. Vor einem Jahr stand der Corsa-e übrigens noch mit 29.900 Euro in der Preisliste; er ist seitdem also 23,4 Prozent teurer geworden. Da ist es ein schwacher Trost, dass die höherwertige Ausstattung GS um 500 Euro verbilligt wurde.

Womit wir beim Thema "Elektroautos" sind. Für deren Interessenten kann die derzeitige Preisentwicklung doppelt ärgerlich sein, denn hier steht zusätzlich die staatliche E-Auto-Förderprämie auf der Kippe. Diese ist beim letzten Jahreswechsel eh schon gebröckelt (reine E-Modelle) oder ganz weggefallen (Plug-in-Hybride). Nun kann es sein, dass sie wegen der teureren Basispreise zusätzlich sinkt oder gegebenenfalls gar nicht mehr infrage kommt. In voller Höhe gibt es die Kaufprämie schließlich nur dann, wenn der Netto-Listenpreis des Wunschmodells unter 40.000 Euro liegt. Steigt dieser über 65.000 Euro, gibt es überhaupt keinen Rabatt mehr.

Die Perspektive

Steigen die Autopreise also immer weiter in den Himmel? Eher nicht: Wer Produkte verkaufen will, muss dafür sorgen, dass sie sich die anvisierte Klientel (zumindest irgendwie) leisten kann. Wahrscheinlicher ist, dass es so läuft wie vor etwa zwei Jahren mit den Holz- und aktuell mit den Spritpreisen: Nach einem Allzeithoch sinken die Tarife, allerdings auf ein etwas höheres Niveau als zu jenem Zeitpunkt, als sich die Preisspirale zu drehen begann. Die Kundinnen und Kunden sind trotzdem froh und schlagen nur zu gerne wieder zu. Der Absatz passt wieder und der Anbieter hat seine Marge gestärkt – er gewinnt also doppelt.

In diesem Stil erleben wir das gerade bei Elektroautos in den USA und China. Hier zettelte Tesla im Januar 2023 einen Preiskampf an, indem die Texaner ausgewählte Versionen des Model 3 und Y massiv verbilligt haben – ohne freilich das günstigste Preisniveau zu erreichen, das für beide Baureihen zuvor bereits galt. Andere Hersteller – und wahrlich keine kleinen – fühlten sich von der Maßnahme offenbar derart unter Druck gesetzt, dass sie flugs die Preise senkten: Der Ford Mustang Mach-E GT kostete in den USA plötzlich nur noch 63.995 statt 69.895 Dollar (etwa 59.500 statt gut 65.000 Euro). Mercedes senkte in China den Preis seiner elektrischen Oberklasse-Limousine EQS 450+ im November 2022 von umgerechnet 148.000 auf 116.000 Euro. Und Toyota bietet den BZ4X dort inzwischen für umgerechnet 23.200 statt 27.400 Euro an – und das nur rund vier Monate nach Markteinführung.

Dass in Europa die Uhren noch anders ticken, zeigen die Preise, die derzeit hierzulande für die genannten Modelle aufgerufen werden. Der Ford Mustang Mach-E kostet in Deutschland mindestens 86.200 Euro, Toyota bietet den BZ4X ab 47.490 Euro an. Dafür kostet der Mercedes EQS 450+ "nur" 109.551 Euro – na, das geht doch schon mal in die richtige Richtung.