Es klingt paradox. Doch ausgerechnet über China, wo deutsche Autohersteller seit Jahrzehnten die größten Gewinne einfahren, ziehen für VW, BMW, Mercedes und Co. bedrohlich dunkle Wolken auf. Noch verkaufen die Marken genug Verbrenner-Autos, um sich die Absatzzahlen schönzurechnen. Doch allmählich wird es ungemütlich auf dem weltweit größten Automarkt. Denn der Elektro-Boom wirkt im Reich der Mitte stärker als irgendwo sonst.
Elektro-Party ohne deutsche Gäste
Dem chinesischen Autoverband CPCA zufolge ist der Absatz batterieelektrischer Fahrzeuge allein im vergangenen Jahr auf 5,7 Millionen Einheiten explodiert. Das entspricht nahezu einer Verdopplung des Jahresvolumens. In China wird eine regelrechte Elektro-Party gefeiert, zu der deutsche Marken allerdings kaum eingeladen sind. Ihr Anteil beträgt gerade 3,5 Prozent (200.000 Autos).
Zur Erinnerung: Bei den Verbrennern stammen rund ein Fünftel, also rund 20 Prozent, der in China verkauften Autos von deutschen Herstellern. Bei einem Marktvolumen von 20 bis 25 Millionen Autos sind das mehr als vier Millionen neue Pkw – pro Jahr. Konzerne wie VW, BMW oder Mercedes generierten hier Jahr für Jahr rund ein Drittel bis zu 40 Prozent ihres Gesamtabsatzes. Am erfolgreichsten ist das Joint-Venture FAW-Volkswagen, das allein seit 2020 fast sechs Millionen Autos produziert hat. Und mit SAIC gibt es ein weiteres Joint Venture, das Volkswagen-Modelle vertreibt. Die jahrzehntelange Marktführerschaft hat Volkswagen mit dem ersten Quartal 2023 allerdings verloren. Mittlerweile verkauft der BYD-Konzern mehr Autos in China.
Ende des Verbrenners in China
Das Ende des Verbrennungsmotors ist in China zwar noch nicht in Sicht, dennoch tendieren gerade jüngere Neuwagen-Käufer eindeutig zum E-Auto. Dass Deutschland in diesem Elektro-Wettbewerb schon in der Vorrunde ausscheidet, hat verschiedene Gründe. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass chinesische E-Autos selbst von Start-ups performanter, besser digital vernetzt und viel beliebter sind. Vor allem bieten chinesische Marken günstigere Modelle an. Meistverkauftes Auto ist der Kleinstwagen Wuling Hongguang Mini für knapp 3.700 Euro.
Das heißt nicht, dass in China nur elektrische Micro-Cars verkauft werden. Das durchaus teure und große Tesla Model Y fand im vergangenen Jahr 2022 nahezu ebenso viele Käufer wie der Mini-Wuling. Tesla baut rund 50 Prozent all seiner Autos in der Gigafactory Shanghai, musste aber jüngst die Preise in China deutlich senken. Tesla kann das offenbar verkraften.
Neue E-Autos in China 2022 | Anteil am E-Automarkt | |
E-Autos in China gesamt | 5.700.000 (24,2 Prozent des Gesamtmarktes | |
Deutsche Hersteller gesamt | 200.000 | 3,5 % |
Audi | 5.700 | 0,1 % |
BMW | 45.600 | 0,8 % |
Mercedes-Benz | 17.100 | 0,3 % |
Volkswagen | 136.800 | 2,4 % |
Tesla | 442.000 | 7,8 % |
BYD | 900.000 | 15,8 % |
Drastische Preissenkungen bei BMW und VW
Damit die deutschen Konkurrenten nicht zu Ladenhütern mutieren, müssen auch diese günstiger werden. VW und BMW haben reagiert und bieten ihre Produkte "vorübergehend" zu niedrigeren Preisen an. Das in China meistverkaufte deutsche Elektroauto VW ID.4 Crozz sowie den größeren ID.6 Crozz hat Volkswagen jüngst um rund 5.550 Euro (40.000 Yuan) vergünstigt. Beim ID.3 sind die Preise plötzlich um rund 4.000 Euro gefallen.
Auch BMW reagiert auf den schleppenden Absatz seiner E-Autos. Bei der Limousine i3 gibt es derzeit einen Rabatt von 100.000 Yuan. Das entspricht einer Summe von umgerechnet 13.500 Euro und etwa einem Drittel des ursprünglichen Neupreises. Mercedes senkte die Preise für EQE und EQS bereits Ende 2022 deutlich um bis zu 30.000 Euro.
VW weit hinter Tesla
Die Analyse der chinesischen Zulassungszahlen ist dabei nicht so einfach wie in Deutschland, wo das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sämtliche Statistiken führt. Die Kollegen vom "Handelsblatt" haben sich dennoch die Mühe gemacht und die Daten der staatlichen Pflichtversicherung ausgewertet. Sie geben ein klares und reales Bild der Neuzulassungen in China.
Neue Pkw in China | Anteil am globalen Gesamtabsatz | |
VW | 3.200.000 | 37,2% |
Mercedes | 751.700 | 32,2% |
BMW | 791.985 | 31,7% |
Tesla | 442.000 | 33,7% |
Auf dem ersten Platz der deutschen Marken thront Volkswagen mit einem E-Marktanteil von 2,4 Prozent. Dabei ist das meistverkaufte Modell des Konzerns nicht der exklusiv für China gebaute ID.6 (35.365 verkaufte Einheiten), sondern der Welt-SUV ID.4. Von ihm konnte VW mehr als 77.000 Exemplare verkaufen. Das dritte VW-Modell in der deutschen Top Ten ist der ID.3 mit rund 24.500 verkauften Einheiten. Macht zusammen rund 137.000 Fahrzeuge.
Zum Vergleich: Tesla setzte im gleichen Zeitraum allein 316.515 Model Y ab. Das Model 3 ist in China ebenfalls gefragt; es verkaufte sich 2022 gut 125.000 Mal. Insgesamt gut dreimal so viel wie VW. Insgesamt darf sich Elon Musk über einen E-Auto-Marktanteil von 7,8 Prozent freuen – mehr als doppelt so viel wie alle deutschen Hersteller zusammen.
Audi, Mercedes und BMW zu teuer
Ein Grund für den mangelnden Erfolg deutscher Marken beim Verkauf von E-Autos ist der hohe Preis. Die vorwiegend junge Käuferschicht für Elektroautos in China ist vor allem im Segment unterhalb der 40.000-Euro-Marke stark gewachsen. Hier sind deutsche Premiumhersteller kaum vertreten. Erst Ende des Jahres 2022 hatte Mercedes die chinesischen Preise für die Edelstromer EQS und EQE drastisch um teils mehr als 30.000 Euro gesenkt. Meistverkaufter Elektro-Mercedes in China war 2022 der EQB mit nur 4.064 Einheiten.
Deutlich besser verkauft sich der BMW iX3 (26.669 Einheiten 2022). Vom teureren iX waren es dagegen nur 1.684 Exemplare. Auch für Audi-Stromer sieht es nicht besser aus. Meistverkauftes Modell war hier der Q4 e-tron mit nur 3.600 Autos. Selbst die in China so beliebte Marke Porsche konnte nur 3.293 Taycan verkaufen.
Neue Pkw in China | Anteil am Automarkt | |
23.560.000 | ||
Deutsche Hersteller | 4.743.685 | 20,1 % |
TESLA | 442.000 | 1,9 % |
BYD | 1.860.000 | 7,9 % |
Neue Elektroautos in 2022 | 5.700.000 | 24,2 % |
Bestseller ist ein E-Kleinwagen
Das meistverkaufte Elektroauto in China war 2022 derweil ein Kleinstwagen von Wuling, der auf den Namen Hongguang Mini hört und 410.000 Käufer fand. Auf Platz drei rangiert der mit gut vier Metern Außenlänge ebenfalls kompakte BYD Dolphin (182.557 verkaufte Einheiten) mit potenter 800-Volt-Technik. Dazwischen landet das schon erwähnte Tesla Model Y.
Dass auch größere SUV von rund fünf Metern Länge beliebt sind, beweist der gut 150.000 mal verkaufte BYD Yuan Plus. Insgesamt sichert sich der chinesische Konzern BYD 16 Prozent Marktanteil bei den E-Autos. Doch auch die chinesischen Marken Xpeng, Great Wall, Changan, Gac oder Nio machen VW mit ihren Alltagsautos das Leben schwer.
Infotainment und Vernetzung wichtig
Besonders wichtig sind chinesischen Kunden digitale Funktionen, die Vernetzung mit Internetdiensten und flüssige Sprachassistenten. Auf diesem Technikfeld haben die deutschen Hersteller viel nachzuholen. Tesla hingegen trifft offensichtlich genau den Kern der noch jungen Klientel.
Ausländische – also auch deutsche – Hersteller müssen in China sogenannte Joint-Ventures mit Marken vor Ort eingehen, wenn sie eigene Autos produzieren möchten. Volkswagen setzt dafür auf eine Partnerschaft mit den chinesischen Pkw-Herstellern FAW und SAIC. Mercedes arbeitet mit dem chinesischen Staatskonzern Beijing Automotive zusammen.
Hinweis: In der Fotoshow präsentieren wir Ihnen eine Übersicht der aktuell günstigsten in Deutschland erhältlichen Elektroautos.
Fazit
Elektroautos von deutschen Herstellern finden in China längst nicht so viel Anklang wie die Modelle mit Verbrennungsmotor. Die Marktanteile von VW, Audi, Mercedes, BMW und Porsche sind trotz boomender E-Mobilität verschwindend gering. Das liegt einerseits an den hohen Preisen, andererseits an Defiziten bei der digitalen Vernetzung. Tesla hingegen verkauft allein vom Model Y nahezu doppelt so viele Fahrzeuge wie alle E-Autos deutscher Marken zusammen.