Harnstofflösung Adblue: Engpass bedroht Diesel-Fahrer und Spediteure

Harnstofflösung Adblue wird knapp
Engpass bedroht Diesel-Fahrer und Spediteure

Ammoniak-Hersteller wie BASF und SKW haben wegen hoher Gaspreise die Produktion gedrosselt oder gar eingestellt. Nun droht ein Adblue-Engpass, der sich im Frachtverkehr besonders negativ bemerkbar macht. Das könnte verheerende Folgen für die Wirtschaft haben.

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Foto: Total / Daniel Kux / Patrick Lang

Die Verstrickungen aus unterschiedlich gelagerter Rohstoff-Knappheit und aktuell besonders hohen Energiekosten schlägt immer häufiger in die Automobilbranche und zu deren Kundschaft durch. Die Halbleiter-Krise ist inzwischen ein Dauerbrenner-Thema, zudem gelangen immer weniger Rohstoffe wie zum Beispiel Magnesium und damit auch Aluminium nach Deutschland. Als nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine auch noch die vorwiegend dort gefertigten Kabelbäume knapp wurden, meldete ein Autohersteller nach dem anderen Produktionsstopps in seinen Werken. Diese Situation hat sich inzwischen zwar wieder leicht entspannt, doch die Energiepreise verharren weiterhin auf einem extrem hohen Niveau.

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Infolgedessen kommt auch schon der nächste Einschlag näher: Es droht ein Engpass bei der Harnstofflösung Adblue. Das ist zwar nichts grundlegend Neues: Als im Herbst letzten Jahres die Gaspreise bereits in die Höhe schnellten, gaben die ersten Adblue-Hersteller bekannt, ihre Produktion zu drosseln. Dasselbe geschah Mitte März 2022, kurz nachdem der Krieg in der Ukraine begann. Seinerzeit haben die Chemieunternehmen ihre Produktion immerhin auf einem Mindestniveau aufrechterhalten, sodass eine Grundversorgung mit Adblue gewährleistet war. Doch dazu sehen sich nun erste Unternehmen nicht mehr in der Lage, weshalb sie die Produktion der Harnstofflösung vorübergehend gestoppt haben.

Adblue senkt die Stickoxid-Emissionen

Moderne Diesel-Pkw mit SCR-Kat (selektive katalytische Reduktion) spritzen Adblue in den Abgasstrom ein, um die Emission von Stickstoffen zu reduzieren. Dafür befindet sich im Fahrzeug ein eigener Tank, der regelmäßig mit Adblue gefüllt werden muss. Geht der Harnstoff zur Neige, gibt der Bordcomputer gestaffelte Warnhinweise aus. Sollte der Tank vollständig geleert werden, lässt sich der Motor nicht mehr starten oder nur noch im Notlauf betreiben. Damit wollen die Hersteller eine optimale Abgasreinigung ihrer Dieselfahrzeuge gewährleisten – indem sie die Halter dazu bringen, nicht aus Bequemlichkeit oder Kostengründen auf den Zusatzstoff zu verzichten. Der Adblue-Verbrauch eines Autos beläuft sich auf ein bis zwei Liter pro 1.000 Kilometer.

Adblue nachfüllen Meldung im Display VW Touran
Imago
Ist der Adblue-Tank im Auto leer, lässt sich der Motor nicht mehr starten.

Die wässrige Lösung besteht zu 32,5 Prozent aus Harnstoff, der synthetisch durch die chemische Reaktion von Ammoniak und Kohlendioxid hergestellt wird. Für die Herstellung von Ammoniak, das als Nebenprodukt bei der Produktion von Kunstdünger anfällt, benötigen zuliefernde Chemie-Konzerne wie BASF oder SKW wiederum Erdgas – und hier liegt das Problem. Wegen der aktuell hohen Erdgaspreise haben die Firmen ihre Ammoniak-Produktion zurückgefahren oder, wie im Fall von SKW, seit Mitte August komplett eingestellt, weil sie sich nicht mehr rechnet. Und ohne Ammoniak gibt es kein Adblue.

Stehen bald die Lkw still?

Das Problem betrifft übrigens nicht nur Pkw. Auch viele Baumaschinen und selbst Schiffe benötigen die Harnstofflösung zur Abgasreinigung. Besonders relevant ist Adblue aber im Lkw-Sektor. Für Modelle mit den Abgasnormen Euro 5 und 6 sind SCR-Kats mit Adblue-Beimischung längst Vorschrift (seit 2008). Der Nachschub mit der Harnstofflösung stockt jedoch gewaltig. "Die Situation spitzt sich derzeit zu", sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, der "taz". Seinen Lobbyverband erreichen vermehrt Meldungen von Mitgliedsunternehmen, dass die Lieferanten und Händler Probleme haben, AdBlue zu liefern.

Sollte sich dieser Trend nicht umkehren, drohen ernste wirtschaftliche Folgen. Mehr als 70 Prozent aller Güter werden in Deutschland per Lkw transportiert, und etwa 90 Prozent der in Deutschland zugelassenen Lkw verfügen über einen Dieselantrieb mit SCR-Katalysator im Abgasstrang. Diese Modelle lassen sich nicht mehr starten, sobald der Adblue-Tank leer ist, so will es das Gesetz. Was es für die Güterversorgung bedeuten würde, sollte diese Flotte stillstehen, mag man sich gar nicht ausmalen.

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Für Pkw-Fahrer macht sich der Adblue-Engpass derzeit in erster Linie durch stark steigende Preise der Harnstofflösung bemerkbar. Kostete Adblue im Oktober 2021 noch rund 80 Cent pro Liter, ist die Flüssigkeit vielerorts schon doppelt so teuer; in einigen Regionen hat AdBlue sogar schon die Zwei-Euro-Marke passiert.

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Weniger Abgasemissionen würden Diesel-Fahrverbote überflüssig machen. Darum sollte man mit viel CO2 produzierte Autos auch nachträglich sauber machen, statt sie zu entwerten. Nein. Lieber in Maßahmen für weniger Autoverkehr in der Stadt investieren als in die Frickelei an Millionen Gebrauchtwagen.

Fazit

Auch das noch: Neben Rohstoff-, Halbleiter- und Kabelbaum-Knappheit droht nun zusätzlich ein Adblue-Engpass. Die Produzenten der Harnstofflösung fordern von der Politik, für sie die Gaspreise zu drücken, bevor sie die Produktion der Flüssigkeit zur Abgasreinigung wieder aufnehmen können oder wollen. Viel ernster als für Pkw-Fahrerinnen und -fahrer kann die Sache für die Logistikbranche ausgehen – und in einem weiteren Schritt für die gesamte deutsche Wirtschaft. Denn stehen hierzulande die Lastwagen still, sind alsbald die Supermarktregale leer – und nicht nur die.