Verlockend ist es ja schon. Sehr sogar. Zumindest für jene Menschen, die einen alten Diesel besitzen. Oder sollte man in der anhaltenden Diskussion besser formulieren: Für jene Menschen, die mit einem alten Diesel geplagt sind. Die Verlockung trägt Namen wie Umwelt-, Umtausch- oder Wechselprämie. Und sie verspricht all jenen hohe Rabatte, die ihren alten Diesel gegen ein modernes Auto eintauschen. Meist gegen einen Neuwagen. Aber einige Hersteller haben auch junge, über das firmeneigene Netzwerk erhältliche Jahres- und Gebrauchtwagen in ihre Programme integriert.
Euro 6 – aber welche Schattierung?
Daimler zum Beispiel. In der Mitte Oktober aufgelegten Umtauschaktion sind auch gebrauchte Mercedes-Modelle aus dem „Junge Sterne“-Programm enthalten, als Rabatt winken bis zu 5.000 Euro. Wer diese Möglichkeit heute nutzen will, muss auf der offiziellen Website allerdings in die Fußnoten schauen, um zu erfahren, dass der neue Gebrauchte nur dann rabattiert wird, falls er Euro 6c oder Euro 6d-Temp erfüllt. Das erscheint legitim, schließlich soll die Neuerwerbung möglichst lange von drohenden Fahrverboten verschont bleiben.
Doch wie bekommt man heraus, welche Abgasnorm ein „Junge Sterne“-Gebrauchter tatsächlich erfüllt? Hier folgt die wahre Schwierigkeit. Beim Durchforsten der offiziellen Gebrauchtwagenbörse auf der Mercedes-Website erscheint ein C 200 d T-Modell, Erstzulassung 07/2016, mit knapp 47.000 Kilometern auf dem Tacho. Ein interessantes Auto, wenn es denn Euro 6c oder Euro 6d-Temp erfüllen würde, um für die Umtauschprämie infrage zu kommen. Ein paar Klicks weiter findet sich die Abgasnorm in der Fahrzeugbeschreibung. „Euro 6“ steht da. Aber welche Schattierung? Euro 6b, 6c oder gar 6d-Temp? Das bleibt erst einmal völlig offen. Ein Anruf beim Verkäufer könnte weiterhelfen, ist aber durchaus viel verlangt für jemanden, der sich erst einmal einen groben Überblick verschaffen möchte, ob das Wunschauto für die Umtauschprämie überhaupt infrage kommt. In diesem Fall war unter der angegebenen Rufnummer mehrere Tage lang überhaupt niemand erreichbar.
„Auch bei Neuwagen ein Problem“
Doch Mercedes ist längst kein Einzelfall. Auch Volvo hat Gebrauchtwagen in sein Umtauschprogramm integriert. Aber welche Abgasnorm erfüllt der ins Auge gefasste V40 Cross Country? Euro 6, das lässt sich im Internet herausfinden – mehr leider nicht.
„Das Phänomen gibt es nicht nur auf den Gebrauchtwagenbörsen, sondern ist auch bei Neuwagen ein Problem“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Bei Verbräuchen und Abgaswerten fehlt völlig die Transparenz.“ Gerade vor dem Hintergrund des Abgasskandals seien dies die wesentlichsten Eigenschaften, von denen eine Kaufentscheidung abhänge. Und statt die Abgasnorm klar zu benennen, würden die Hersteller lieber mit schwer fassbaren Zahlen und Werten hantieren, unter denen sich Autokäufer kaum etwas vorstellen können. „Das war aber immer schon so“, sagt Buttler.
Was bitte bedeutet „EU6 ZD/E/F“?
Auch bei VW muss man lange suchen, bis man auf die Abgasnorm des gewünschten Gebrauchten stößt. Die gibt es beim entdeckten VW Passat Variant Comfortline 2.0 TDI dann aber sehr präzise. Doch was bedeutet „EU6 ZD/E/F“? Das kann der Verkäufer am Telefon leider auch nicht sagen. Immerhin weiß er sofort, dass der Passat noch nicht nach Euro 6d-Temp eingestuft ist. Erst eine Google-Recherche, die auf ein PDF-Dokument des Kraftfahrt-Bundesamtes führt, fördert zutage: „EU6 ZD/E/F“ entspricht der Euro 6c-Norm.
Das führt zum nächsten Problem: Die Händler halten sich entweder bedeckt, wenn es um Informationen zur Abgasnorm geht, oder kennen sich bei dem Thema nicht gut genug aus. Exemplarisch steht das Beispiel eines hübschen BMW 320d Touring, Erstzulassung 07/2018. Just in diesem Monat stellte BMW diese Modellvariante auf Euro 6d-Temp um – wie wir hier recherchiert haben. Die Anzeige lässt jedoch nur ein schnödes „EU6“ verlauten. Der Verkäufer ist leider keine Hilfe, er muss sich erst einmal beim Hersteller informieren. Denn Erstzulassung heißt ja nicht Bauzeitpunkt. Beim Rückruf gibt es prompt die Information, dass der schwarze 3er im Juni 2018 gebaut wurde, die Modelle aber erst ab August das Euro 6d-Temp-Siegel tragen.
Auch die Händler sind oft ahnungslos
Unser Wunsch-Touring erfüllt seiner Aussage nach Euro 6a. Euro 6a? Wikipedia kennt diese Abgasnorm schon mal nicht, da geht es erst bei Euro 6b los. Dem bereits erwähnten KBA-Dokument zufolge war Euro 6a zum Jahresende 2012 letztmals zulassungsfähig. Kann ein Mitte 2018 gebautes Auto also nach dieser Norm zertifiziert sein? Das ist zumindest mehr als fraglich – und für einen Laien beim Autokauf kaum herauszufinden. Konsequenz: Der immerhin 34.000 Euro teure BMW bleibt erst einmal auf dem Hof des Händlers stehen.
Apropos: Nicht viel besser ergeht es einem, wenn man sich direkt beim Händler umsieht. Die DIN-A4-Preisschilder hinter den Scheiben geben zwar allerlei technische Daten und Ausstattungsdetails preis, nur die Abgasnorm steht oft nicht darauf. Selbst wenn der Kauf schon getätigt ist, kann die Suche nach der Emissionseinstufung langwierig sein. Blicken Sie mal in ihre Rechnung und in ihren Kaufvertrag mit dem Vorhaben, die Abgasklasse zu finden! Es könnte ein langwieriges Unterfangen werden. Ein Tipp: Schauen Sie im COC nach, dem Certificate of Conformity (deutsch: Konformitätsbescheinigung). Diese Art Wagenpass führt auch die Abgasnorm auf.
Das empfiehlt der Verbraucherschützer
Eine derartige Intransparenz könne nicht sein, schon gar nicht vor dem Hintergrund des Abgasskandals, findet Verbraucherschützer Buttler. Weil Autokäufer klar wissen müssten, ob das gewünschte Auto Euro 6 oder gar Euro 6d-Temp erfüllt, fordert er eine einfache und plakative Bereitstellung dieser Informationen. Sie müssten zuvorderst und klar in einer eigenen Rubrik genannt werden. „Und nicht erst auf Seite 25 im Kaufvertrag“, sagt Buttler.
Er empfiehlt Autokäufern, sich die Abgasnorm so genau es geht in den Kaufvertrag schreiben zu lassen. „Wenn der Verkäufer falsche Abgaswerte im Vertrag angibt und der Käufer hieraus Nachteile hat, kann der Käufer gegen den Verkäufer Ansprüche wie Mängelbeseitigung oder gegebenenfalls Schadensersatz geltend machen.“ Das kann zum Beispiel dann relevant werden, wenn für das gekaufte Auto Fahrverbote drohen und dadurch dessen Wert sinkt.
Absolute Klarheit über die Abgasnorm hat man letztlich erst, sobald man in den Fahrzeugschein (beziehungsweise in die Zulassungsbescheinigung I, wie sie offiziell heißt) schaut. Dort ist die Abgasnorm unter Position 14 vermerkt, allerdings ebenfalls etwas verklausuliert. Wie genau die dort niedergeschriebene Information interpretiert werden muss und wie Sie herausfinden, ob Ihr Auto von eventuellen Fahrverboten betroffen ist, erklärt Ihnen dieses Video:
Fazit
Die Recherche hat gezeigt: Selbst für jemanden, der sich ein bisschen mit Autos und Abgasnormen auskennt, ist es wirklich schwierig, die Abgasnorm des Wunschautos herauszufinden. Wie soll es dann erst Laien gehen, für die das Thema absolutes Neuland ist? Letztlich ist hier der Gesetzgeber gefragt, die Hersteller und Händler zu deutlich mehr Transparenz zu verpflichten. Und zwar auf intelligentere Weise, als es bei der unnützen Effizienzklassen-Ampelkarte der Fall ist. Und das möglichst bald bitte: Durch drohende Fahrverbote ist das Thema drängender denn je.