Adrian Hallmark über die Zukunftspläne von Bentley

Adrian Hallmark im Interview
Das sind die Zukunftspläne von Bentley

Einfach nur ein neuer Job auf der stets in einem steilen Winkel an die Mauern der Industrie angelehnten Karriereleiter? Nicht für Adrian Hallmark.

Das sind die Zukunftspläne von Bentley

Als er im Februar 2018 den Vorsitz der Geschäftsführung von Bentley übernahm, kam er zurück. Der Brite hatte als Vertriebs- und Marketingleiter 2003 den Start des unter VW-Regie entwickelten Continental GT verantwortet, Basis für einen lang anhaltenden Erfolg der Marke. Zu seinem Amtsantritt als Firmenchef arbeitete der passionierte Rennradfahrer als Praktikant in der Fertigung mit, will deshalb bei einem Rundgang durch die Hallen an der Pyms Lane (hier werden seit 1946 Autos gefertigt) zeigen, was Bentley ausmacht.

Unsere Highlights
Welches Bild ergibt sich für Sie, seit sie im Februar wieder zu Bentley zurückkehrten?

Hallmark: Zunächst ist es für mich schön zu sehen, dass die Fahrzeuge mit einer fantastischen Technik ausgestattet sind, die sehr gut funktioniert. Wir haben aber bestimmte Trends zu spät erkannt. Aus diesem Grund mussten wir unsere Investmentpläne für die kommenden Jahre radikal ändern. Vor allem die Elektrifizierung spielt dabei eine sehr große Rolle, weit mehr als ursprünglich geplant. Und das kommt natürlich beim Kerngeschäft obendrauf.

Bislang hieß es bei Bentley ja, dass die Kunden nicht unbedingt ein rein elektrisches Fahrzeug wollen. Hat sich das geändert?

Hallmark: Wir müssen die zukünftigen Einfahrtsbeschränkungen in Großstädten und die Emissionsvorgaben in China und den USA stärker berücksichtigen, als es bislang der Fall war. Für den Moment bin ich sehr zufrieden mit der Marke, doch meine Aufgabe ist es schließlich auch in Zukunft ihren Erfolg sicherzustellen.

Der Fokus auf Elektrifizierung bedeutet aber sich auch, dass sich viel hier am Stammsitz in Crewe ändern muss, oder?

Hallmark: Ja. Selbst wenn wir für einen Moment die Digitalisierung außer Acht lassen, allein die Kernprodukte zukunftsfähig zu machen, ist eine Herausforderung. Natürlich können wir auf die wichtigsten Technologien aus dem Konzern zurückgreifen, aber wir müssen sie eben doch „Bentley-fizieren“, sozusagen. Allein wenn es im ersten Schritt um die Hybridisierung unseres W12-Triebwerks geht, sind völlig neue Kompetenzen gefragt. In jedem Modell funktioniert so ein Antrieb ein bisschen anders. Er muss zu jedem Typ, vor allem aber zur Marke Bentley und den Erwartungen unserer Kunden passen. Und das ist nur ein Aspekt. Wir müssen als das Unternehmensprofil deutlich anpassen, und die entsprechenden Prozesse beschleunigen.

Das heißt also, innerhalb der nächsten vier Jahre stellen Sie ein rein elektrisch angetriebenes Modell vor?

Hallmark: Ich möchte jetzt noch kein Datum nennen, aber ja, wir brauchen einen rein elektrisch angetriebenen Bentley. Und zwar je früher, desto besser. Die Frage ist nur, wann die Energiedichte der Batterien unseren Bedürfnissen entspricht.

Nun wurde für den Continental GT die Architektur des Porsche Panamera adaptiert, weshalb also nicht auf die des Taycan zurückgreifen?

Hallmark: Der Taycan bietet eine wegweisende Technik, das steht außer Frage. Er ist aber eben auch für unsere Maßstäbe ein eher kleines Auto. Und dann wäre noch zu klären, wie denn der nächste Schritt bei der Elektromobilität aussieht. Vielleicht lohnt es sich ja, darauf zu warten statt sofort eine für uns nicht optimale Lösung auf den Markt zu bringen.

Sie sprechen von der Premium-Elektro-Architektur, die unter Audi-Führung derzeit entwickelt wird?

Hallmark: Viele Marken aus dem Konzern sind daran beteiligt. Ja, das ist die zweite Generation, die einen deutlichen Fortschritt bringen wird. Warten wir also noch darauf oder nutzen wir die aktuelle Technik, die uns aber zu Kompromissen zwingt?

Müssen Sie für dieses Fahrzeug leichtere Holzfurniere entwickeln, um das Gesamtgewicht zu reduzieren?

Hallmark: Gut möglich. Wichtig ist: Ein Bentley bleibt ein Bentley. Da werden sie nie irgendwelche Holz-Imitationen drin finden. Das Holz ist nicht das Problem, das ist heute schon nachhaltig und künftig so wichtig wie heute.

Bleibt der Continental GT auch künftig der Einstiegs-Bentley?

Hallmark: Wir sehen derzeit keine Notwendigkeit unterhalb des Preisniveaus eines Continental GT zu kommen. Wir haben in diesem Segment eine starke Positionierung.

Dennoch erwähnten Sie, dass die Marke wachse. Welches Ziel streben Sie an? 20.000 Fahrzeuge pro Jahr, so, wie es ihr Vorgänger mal in Aussicht stellte?

Hallmark: Ich denke nicht, dass wir uns über eine Zahl definieren müssen. Die Loyalität und Zufriedenheit der Kunden und die Profitabilität des Unternehmens sind viel relevanter. Dafür wiederum ist entscheidend, ständig Innovationen zu bieten. Das ist für einen Hersteller von Luxus-Fahrzeugen der bessere Weg als mit Nachdruck die Produktion zu erhöhen. Ja, natürlich müssen wir auch wachsen, aber 20.000 Einheiten sind nicht das Ziel. Profitabilität, der richtige Rhythmus bei Neuerscheinungen und die schnellstmögliche Elektrifizierung, das ist unsere Mission.

Bentley ist nun nicht unbedingt als hoch innovative Marke bekannt. Inwiefern soll sich das ändern?

Hallmark: Nun, da muss ich widersprechen. Es ist ja nicht so, dass wir einfach Komponenten aus dem Konzernregal nehmen und dann eine Bentley-Hülle darüber stülpen. Dieser Antriebsstrang und dieses Chassis [deutet auf den Continental GT] sind einzigartig. Sie ermöglichen die Leistung und Agilität eines Sportwagens, der aber auch völlig entspannt sechs Stunden lang über Autobahnen gleiten kann.

Der Continental GT bekommt den Plug-In-Hybrid-Antrieb des Bentayga?

Hallmark: Ja, den mit dem V6-Turbobenziner.

Es gäbe ja noch den mit dem V8-Turbomotor im Konzern…

Hallmark: Ich habe ja gesagt: Elektrifizierung, Elektrifizierung, Elektrifizierung. Da hätte ich natürlich auch gerne diesen Antrieb so schnell wie möglich. Mit all den schnellen Änderungen in der Gesetzgebung bleibt nur die Frage, wann der beste Zeitpunkt ist, um eine weitere Variante zu bringen. EU7 steht ja auch schon bald an. Und wir möchten eine Homologation lieber nur einmal durchführen als ein weiters Mal nur ein halbes Jahr nach Produktionsstart.

Der Profitabilität steht doch aber im Weg, dass derzeit die Batteriekosten eher steigen als fallen.

Hallmark: Für das, was jetzt kommt, wurden die Preise ohnehin schon vor längerer Zeit festgelegt. Und später steigen die Stückzahlen, da wird neu verhandelt.

Bekommen Sie die Menge an Batterien, die Sie benötigen?

Hallmark: Momentan ja. Der Konzern ist sehr gut aufgestellt, was die Planungen für den zukünftigen Antriebsmix betrifft.

Und über diesen Plan hinaus machen Sie sich keine Sorgen, was die Batteriekosten betrifft?

Hallmark: Sagen wir mal so: Die Batterien werden sicher nicht teurer als sie es heute sind. Die Industrialisierung der Produktion schreitet ja auch voran. Allein die Tatsache, dass man in China nur dann bestimmte Vorteile eingeräumt bekommt, wenn man Batterien aus chinesischer Produktion nutzt, wird den Wettbewerb vorantreiben. Es mag vielleicht zutreffen, dass die größere Nachfrage den Preis zunächst nach oben treibt, doch zugleich drückt ihn die fortschreitende Industrialisierung der Fertigung. Insgesamt gehe ich schon davon aus, dass Batterien günstiger werden. Zum Preis eines Verbrennungsmotors wird es jedoch nie einen Elektroantrieb geben. Um heute etwa die gleiche Leistungsfähigkeit eines Zweiliter-Benziners zu erreichen, müssen sie sechsmal so viel in die Batterien investieren. Das reduziert sich bestenfalls einmal auf das Zwei- bis Dreifache.

Dabei wird in der Industrie doch gerne mal behauptet, man könne den Elektroantrieb zum Preis eines Diesels anbieten.

Hallmark: Sicher, doch dem liegt die Annahme zugrunde, dass aufgrund der immer schärferen Emissionsgesetzgebung der Diesel deutlich teurer wird als heute. Wenn sie nur zehn Jahre zurückblicken, werden sie feststellen, dass ein herkömmlicher Benziner nur die Hälfte von dem heutigen Preis kostete. Allein wegen der ganzen Zusatzaggregate ist es heute oft schon für das Package sinnvoller, einen Vierzylindermotor längs und nicht mehr quer einzubauen, spätestens mit EU7 wird das so sein.

Nun, der kurze Ausflug von Bentley in die Welt des Diesels ist ja ohnehin schon wieder beendet. Besteht eine Chance auf eine Neuauflage des Bentayga Diesel, jetzt, da noch schärfer CO2-Grenzen drohen?

Hallmark: Für viele Kunden war den Bentayga Diesel das perfekte Fahrzeug, wegen der Kraft, der Reichweite, zudem klang er auch sehr sportlich. Aber, noch einmal, die sich ändernden Gesetzgebungen machen einen Einsatz zu riskant. Man weiß einfach nicht mehr, wie lange man so einen Antrieb bauen kann, wann man wieder aufwändig nachbessern muss.

Gut, dann also der Bentayga Plug-In-Hybrid. Den haben Sie bereits in Genf vorgestellt. Wann kommt er denn nun in den Handel?

Hallmark: Der Bentayga Hybrid wird ab Herbst 2019 in Europa verfuegbar sein.

Weshalb die Verspätung?

Hallmark: WLTP. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich mache WLTP nicht für alles verantwortlich. Die Abstimmung der Technik ist erledigt. Die Homologation nimmt allerdings viel Zeit in Anspruch, auch weil wir innerhalb des Konzerns oft die letzten in der Warteschlange sind, da viele andere Modelle einfach eine höhere Priorität aufgrund der zu erwartenden Stückzahlen haben. Sehen wir es einfach positiv: Das Auto ist rund ein halbes Jahr vor Verkaufsstart fertig. Also haben wir noch solange Zeit, um es ausgiebig zu testen.

Welche Rolle spielt in Ihren Elektrifizierungsplänen die 48 Volt-Technik?

Hallmark: Wir sehen uns das natürlich an, haben aber noch keine konkreten Pläne. Bei kleineren Autos weiß ich, dass das Einsparpotenzial bei fünf bis acht Gramm CO2 pro Kilometer liegt, und das nur wenige hundert Euro kostet. Bei Fahrzeugen vom Kaliber der Bentleys gilt es nun herauszufinden, ob sich ein 48 Volt Hybrid da ebenso gut rechnet.

Tja, dann werden wir jetzt noch über das autonome Fahren reden müssen. Fragen ihre Kunden danach?

Hallmark: Wir haben mit rund 200 Kunden gesprochen, um ihre Sicht auf die Marke und ihre Erwartungen zu erfahren. Mehr als 90 Prozent haben keinerlei Interesse am autonomen Fahren. Der Hauptgrund, wenn ich so viel Geld für ein Fahrzeug wie einen Bentley ausgebe, ist doch, dass ich ihn fahren möchte! Erstaunlicherweise sind sich bei diesem Thema sowohl die 36-jährige Self-Made-Millionärin aus China als auch der 58-jährige Unternehmer aus München einig. Falls es jemals dazu kommen sollte, dass Großstädte nur noch im autonomen Modus befahren werden dürfen, müssen wir uns mit dieser Technik auseinandersetzen, da 40 Prozent unserer Fahrzeuge im urbanen Umfeld verkauft werden. Dann müssen wir in diesem abgesicherten Umfeld Level 4 anbieten. Um ehrlich zu sein, zweifele ich aber an, dass schon Level 3 wirklich sicher sein kann. Die Reaktionszeit eines Menschen ist einfach zu lange, um in einer Gefahrensituation rechtzeitig eingreifen zu können. Das ist erwiesen. Darüber hinaus ist es gefährlich, wenn nicht alle Fahrzeuge über Level 3 verfügen. Ich halte es daher für gut möglich, dass man das vielleicht sogar überspringt und von einer Art Level 2 plus gleich zu Level 4 übergeht.

Ist der Wunsch nach mehr Konnektivität bei Ihren Kunden denn vorhanden?

Hallmark: Ja. Sowohl bei Assistenzsystemen als auch bei gesamten Fahrzeugkonnektivität. Daher führen wir noch in diesem Jahr mit unserem Partner Skybridge die 5G-Datenübertragung in unseren Modellen ein, allerdings als Option. Künftig bildet das dann die Plattform für verschiedene Dienstleistungen.

Sprechen wir noch kurz über die schönste Form des autonomen Fahrens Level Null, den Motorsport. Wie sehen da Ihre Pläne aus?

Hallmark: Nun, wir sind in der GT3-Klasse aktiv. Unser neuer Continental GT3 hat im Vergleich zum Vorgänger einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Allerdings macht es mir zunehmend Sorge, dass es überwiegend ein Teilnehmer- als ein Zuschauersport ist. Selbst die 24 Stunden von Le Mans besetzen eine Nische. Klar ist aber auch, dass Motorsport zur Marke gehört, schließlich liegen dort unsere Wurzeln. Was könnte also die Zukunft sein? Es ist sicher nicht die Formel 1, wir kehren auch nicht in die LMP1-Klasse zurück. Mein Traum wären rein elektrische Langstreckenrennen, am liebsten 24 Stunden. Das wäre fantastisch. Wann es soweit ist? Schwer zu sagen. Es wäre ja schon ein Anfang, wenn man statt nachzutanken die Batterien innerhalb eines Boxenstopps wechseln könnte.

Ist der GT3 denn wenigstens noch ein attraktives Geschäftsmodell?

Hallmark: Ja, prinzipiell schon, wobei wir mit dem neuen Fahrzeug nun natürlich noch ganz am Anfang stehen. Die Motorsport Rennen begeistern die Kunden und lassen sie Bentley auf ganz andere Art und Weise erleben, wobei ich mir noch mehr Internationalität wünschen würde.

Könnte eine GT4-Variante das Geschäftsmodell nicht noch attraktiver gestalten?

Hallmark: Nein, da GT4 eine noch groessere Nische besetzt. Wir konzentrieren uns zunaechst auf GT3.

Zurück auf die Straße: Kümmern Sie sich auch um die beiden wunderschönen EXP Speed Six-Studien?

Hallmark: Ja, die sind eingelagert.

Dazu sind sie zu schade.

Hallmark: Sehen Sie, ich habe mein halbes Leben im Sportwagen-Geschäft verbracht. Derzeit schrumpft das Segment.

Also noch ein SUV.

Hallmark: Na ja, die SUVs verkaufen sich weiterhin sehr gut. Sie sind schnell, geräumig und – im Falle von Bentley – luxuriös. Aber vielleicht gibt es ja auch eine Alternative. Die könnte dann ja elektrisch angetrieben sein und eben kein ausgewachsener SUV, wenngleich durchaus geräumig.

Dann ein Crossover.

Hallmark: Eher eine Neuinterpretation einer Stufenheck-Limousine mit mehr Nutzwert. Elektro-Architekturen geben da ganz neue Möglichkeiten.

Na, dann sind wir ja doch wieder bei der Taycan-Architektur…

Hallmark:…die aber immer noch zu klein für einen Bentley ist.

Wenn also alles eine Frage der Größe ist, weshalb gibt es dann noch nicht längst einen Bentayga mit langem Radstand?

Hallmark: Eine gute Idee. Dafür, dass wir den Bentayga bislang im Prinzip nur als W12 verkauft haben, ist er ein riesiger Erfolg. Mit entsprechender Verfügbarkeit der V8- und Hybrid-Varianten wird das sicher noch besser. Und ja, auch für eine längere Variante sehe ich Potenzial. Aber auch hier ist wieder die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Stichwort Erfolg: Dieses Jahr dürfte die Bilanz für Bentley eher mäßig ausfallen, oder?

Hallmark: Sehen Sie, der Continental GT macht rund 30 Prozent unseres Absatzes aus, und wir konnten in den ersten acht Monaten nicht liefern. Aber wir haben einen Plan, und der ist abgesichert.