Unsere Dachorganisation HORSE Powertrain Limited ist ein neuer, weltweit führender Anbieter von Fahrzeugantrieben mit Sitz in London unter der Leitung von CEO Matias Giannini. Wir haben zwei Bereiche: Horse in Madrid mit den ehemaligen Renault-Produktionsstandorten und Aurobay mit Fabriken in Schweden und China. Ruiping Wang ist der CEO von Aurobay, der ich unterstellt bin. Ich bin verantwortlich für die regionale Zentrale von Aurobay in Schweden und zwei Produktionsstandorte in Schweden und China.
Als ich die Firma übernahm, habe ich einige Dinge unterschätzt. Wir haben die Firma nicht nur physisch von Volvo getrennt, sondern auch digital. Wir mussten alle digitalen Lösungen neu entwickeln, nicht nur Office- und SAP-Anwendungen, sondern auch jede einzelne Maschine musste mit neuer Software versehen werden. Das war ein großer Aufwand. Und dann kam dazu, dass sich das Geschäftsmodell der Firma grundlegend verändert hat. Als wir bei Volvo waren, da bekamen wir einen Auftrag und wir haben einen neuen Motor gebaut. Jetzt müssen wir schauen, was braucht der Markt. Wir müssen das Produkt vorentwickeln, es dem Kunden vorstellen und es verkaufen.
Volvo Cars, der größte Kunde von Aurobay Schweden, hat seine Entscheidung zurückgezogen, den Verkauf von Verbrennungsmotoren bis 2030 einzustellen.Wir sehen bei Volvo und vielen anderen Herstellern einen pragmatischeren Trend, Autos mit Elektro-, Hybrid- und Verbrenner-Antrieben anzubieten. Renault, insbesondere Dacia, setzt seit jeher auf eine längere Lebensdauer seiner Modelle mit Verbrennungsmotor. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Aurobay mit Geely in China.
Ja. Den größten Deal, den wir unter Horse Powertrain gemacht haben, ist die türkische Habas group, die in einer ehemaligen Honda-Fabrik ein Hybrid-Modell produzieren wollen. Unser Ziel ist es zunächst Newcomer zu akquirieren.
Das war unser China-Partner. Das ist eine Kooperation, da wird gemeinsam entwickelt und dann in China produziert. Das Powertrain-Team in China kann extrem gute Preise anbieten.
Wenn Sie das gesagt hat, wird es stimmen. Es ist schon ganz schön viel, was dort reduziert wurde. Die Mercedes-Kollegen sind sehr zufrieden.
Auf jeden Fall. Das Verbot der Verbrennungsmotoren durch die EU hat unglaubliche Konsequenzen. Ich glaube, das versteht man in der EU noch gar nicht. Unsere chinesischen Kollegen bauen die effizientesten Verbrennungsmotoren der Welt. Getrieben wurde das durch das fehlende Investment in Europa. In China gibt es eine clevere Regierungsstrategie. Da werden die Firmen durch die Gesetzgebung gezwungen, Effizienz zu entwickeln.
Genau. In der Vorentwicklung haben wir Vierzylinder-Motoren, die im Bestpunkt an 50 Prozent Effizienz rankommen. Vor zehn Jahren wäre das nicht denkbar gewesen. Im Moment gibt es in China einen Bestpunkt-Hype. Der wird getrieben durch die Gesetzgebung. Für den Kunden schlägt das nicht 1:1 durch. Aber es treibt die Technologie voran. Das geht nicht nur mit Applikationen, da braucht man schon weitere Maßnahmen, beispielsweise die Reduktion der Reibung.
Ja. Nicht aufgrund des Know-hows, sondern weil dort investiert wird.
Wir haben das Konzept fertig. Das erste Fahrzeug wird in zwei bis drei Wochen laufen. Und dann schauen wir, welcher Kunde es haben will. Der Serienanlauf ist ungefähr zwei Jahre entfernt.
Das wird ein Saugmotor mit einem Liter Hubraum, ein ganz interessantes Konzept. Er läuft quasi vibrationsfrei. Ein Parallel Twin mit zwei Kurbelwellen. Da werden schon viele Massenkräfte durch die Bauweise ausgeglichen. Der Motor wird komplett gekapselt sein, damit man die Luftschallgeräusche reduziert. Er ist gerade mal so groß wie ein Reisekoffer und er hat eine Trockensumpfschmierung. Den können sie installieren, wo sie wollen, liegend oder auf dem Kopf stehend. Den haben wir so gebaut, dass er überall Platz findet, vor allem in BEV-Fahrzeugen. Ein Kunde will ihn zum Beispiel im vorderen Kofferraum installieren. Daneben haben wir eine Kooperation mit einem Hersteller von Radnaben-Motoren. Da lässt sich schnell einen Allrad-Antrieb realisieren. Wir wollen daraus einen Baukasten entwickeln.
Das Portfolio, das wir momentan haben, sind Drei- und Vierzylinder mit Elektrifizierung. Damit decken wir 80 Prozent des weltweiten Bedarfs ab. Einen Achtzylinder für das Premiumsegment machen wir dann, wenn ein Kunde es wünscht. Aber wenn ein Kunde sagt, wir würden zwar gern einen Achtzylinder haben, aber das Volumen ist uns zu klein, dann könnten wir auch seine Fabrik übernehmen und Motoren an andere Kunden verkaufen. Solche Überlegungen haben wir auch. Denn wenn man in Deutschland oder Frankreich eine Fabrik schließen muss, dann ist das nicht so einfach.
Im Moment ist der Diesel der sauberste Verbrenner. Volvo hat sich entscheiden, ihn nicht mehr anzubieten. Aber ich glaube, der Diesel hat eine Zukunft. Betrieben mit Bio-Kraftstoff ist er sehr nachhaltig.
Man muss eine gesamthafte CO2-Betrachtung machen, von der Herstellung bis zum Recycling. Wenn man dies tut, dann wird der Druck rein batteriegetriebene Fahrzeuge zu verkaufen geringer. Ein Range Extender ist besser als ein BEV. Mein Wunsch ist eine ehrliche CO2-Betrachtung in der auch die Stromproduktion und der Kraftwerk-Mix betrachtet werden. Denn bis 2035 werden wir nicht für alle E-Fuels haben.
Wir entwickeln. Und wir fahren im Motorsport am Pikes Peak oder im Rallye Cross mit E-Fuels. Aber bislang sind das alles homöopathische Volumen. Das liegt nicht daran, dass es nicht geht, sondern am Gesetzgeber. Der sollte sagen, der Kraftstoff an der Zapfsäule muss in zwei Jahren zehn Prozent E-Fuel-Anteil haben, in fünf Jahren 20 Prozent und in zehn Jahren 40 Prozent. Und dann muss man diesen grünen Kraftstoff steuerfrei machen und die Steuer auf den Mineralölanteil erhöhen. Damit es einen Anreiz für die E-Fuel-Hersteller gibt. Die Technologie ist da.
Batterien sind im Wesentlichen nicht unser Geschäft. Das Horse-Team in Madrid entwickelt die Hybrid-Batterien für Renault. Das BEV-Powertrain-Geschäft sehe ich schon. Dabei allerdings nicht den Massenmarkt, da tun sich selbst alteingesessene Hersteller schwer. Deshalb gehen wir in den Hochleistungsbereich. Da haben wir einen Partner, der die E-Motoren-Technologie mitbringt.
Das darf ich noch nicht sagen. Aber der Motor ist super effizient, mit tollem Leichtbau. Viele Hersteller haben ja eine gute Peakleistung. Wenn die Motoren aber heiß werden, dann müssen sie auf die Hälfte der Leistung zurückgehen. Unser Partner hat eine Technologie, da ist Peakleistung gleich Dauerleistung. Die haben ein innovatives Kühlkonzept. Sie verkaufen auch schon Motoren, aber nur in kleinen Stückzahlen. Ihre Technik und unser industrielles Know-how, das könnte eine gute Kombination sein. Das wäre etwas für Sportfahrzeuge, aber auch für unsere Range Extender. Unser PDU (Power-Delivery-Unit) sollte ja auch für längere Zeit auf Höchstleistung laufen können. Unser BEV-Powertrain Geschäft steckt noch in den Kinderschuhen. Aber als große Firma kann man nicht nur in einem Bereich, der Mobilität aktiv sein. Zu glauben, dass uns der Verbrenner für die nächsten 50 Jahre erhalten bleibt, das wäre zu riskant. Ich möchte eine Firma aufbauen, die auch in 100 Jahren noch existiert.
Der Plug-in-Hybrid wird ja als Brückentechnologie angesehen. Ich glaube, das ist keine Brücke, sondern eine ganz lange Straße. Man hat geglaubt, man könnte mit dem BEV-Antriebsstrang alle Probleme lösen. Aber leider sind die Batterien immer noch sehr teuer. Auf lange Sicht werden die auch nicht deutlich preiswerter. Der Plug-in-Hybrid hat mit den kleinen Batterien Kostenvorteile. Und für weitere Strecken hat man einen kleinen Verbrennungsmotor.
Der Trend geht zum Zweiliter. Und da kann man, ohne die Effizienz zu reduzieren, eine Menge Technologie rausnehmen, wenn man den Verbrenner geschickt mit dem E-Motor unterstützt. Man nennt es das Peakshaving, wo man den Verbrenner in den Peaks, die im Abgastest vorgeschrieben sind, durch den E-Motor unterstützt. Das machen wir gerade in China mit den sogenannten DHE (Dedicated-Hybrid-Engine)-Motoren. Die sind bei einem Parallel-Seriellen-Hybrid mit einem speziellen Dreigang-Getriebe gekoppelt. Man kann den Verbrenner ohne mechanische Verbindung zur Antriebswelle fahren. Wenn der Kunde von null auf Tempo 150 beschleunigt, dann ist der erste Gang mechanisch über das Dreigang-Getriebe, der zweite elektrisch, der dritte mechanisch, der vierte elektrisch, fünfter mechanisch und der sechste wieder elektrisch. Man spart sich drei Gänge und der Kunde merkt keinen Unterschied.
Dieses Konzept ist in China Ende letzten Jahres in Serie gegangen. Und es gibt Überlegungen, dass dieser Antrieb auch nach Europa kommt. Da müssen sich die europäischen Automobilhersteller warm anziehen.
Kosten, Effizienz, Fahrverhalten und Fahrleistungen. Das Fahrzeug, das in China vorgestellt wurde, hat Fahrleistungen wie ein BEV, eine Reichweite von 1200 Kilometern und ist preiswerter.
Nichts. Das ist ja gerade unser Vorteil, dass der Kunde eigentlich nicht mehr weiß, welchen Antrieb er hat.
Als wir vor drei Jahren angefangen haben, da haben wir auch überlegt, wie eine Branding-Strategie aussehen könnte. Bei den Computern hieß es "Intel inside". Das haben wir uns auch überlegt. Aber den Kunden interessiert das nicht. Unser Geschäft ist mehr der B2B (busines to business). Wir müssen schauen, dass die OEMs auf uns aufmerksam werden. Deshalb machen wir beispielsweise durch Vorträge bei Kongressen auf uns aufmerksam und wir engagieren uns im Motorsport, wo wir gerade einen Klassensieg beim Pikes Peak-Bergrennen in Colorado errungen haben.
Wir engagieren uns in der Kumo TCR World Tour mit Lynk & Co und mit Kristoffersson Motorsport im FIA World-Rallycross Championship, da fahren BEV gegen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Und unser Partner KMS hat noch viele gute Ideen, in welchem Motorsportsegment wir unsere Produkte vertreiben können.
Öffentlich wirksam vielleicht nicht sehr, aber die OEMs, Motorsport Teams und Privatkunden sehen, zu welchen Leistungen wir fähig sind. Auch unser Motorsportinvestment ist ein business case. Ich kann das Sponsoring durch Motorenverkäufe gegenfinanzieren. Motorsportmotoren in kleinen Stückzahlen werden mit höheren Gewinnmargen verkauft.
Vita
Michael Fleiss sammelte seit seinem Master in Maschinenbau an der Universität Lübeck mehr als 25 Jahre Führungserfahrung in der Motorenherstellung in Europa. Zu den Meilensteinen seiner Karriere zählen die Entwicklung des preisgekrönten 1,4-Liter-TSI-Motors von Volkswagen. 2012 wechselte er zu Volvo, deren Sparte für Verbrennungsmotoren er 2021 in Aurobay Sweden ausgliederte und leitete. Aurobay gehört seit Mai 2024 zu Horse Powertrain, ein Unternehmen, an dem auch Geeley und Renault beteiligt sind. Horse Poweertrain baut an 17 Standorten unter anderem fünf Millionen Verbrennungsmotoren im Jahr und beliefert Autohersteller weltweit mit Antriebskomponenten.