Wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht, dann gibt es zwei Aspekte, die kaum von der Hand zu weisen sind. Erstens müssen Maßnahmen ergriffen werden, die manchen oder teilweise vielen Menschen sauer aufstoßen – denn aus unserer Komfortzone heraus werden wir kaum etwas reißen können. Und zweitens, so sagte es beispielsweise Formel-E-Gründer Alejandro Agag, muss Nachhaltigkeit attraktiv und gleichzeitig erschwinglich sein. Sonst wird man die Menschen nicht dafür begeistern können.
In das erste Horn stößt die Forderung des Berliner Universitätsprofessors Gregor Bachmann, der auf Twitter einen Preis von 100 Euro pro Liter Benzin empfohlen hat, um ein Umdenken zu erwirken. Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten, ein gefundenes Fressen für die einschlägigen Boulevardmedien und den Netz-Mob. "Wie kann er nur?" "Der hat auch ein Foto von einem Porsche getwittert!" "Wer so viel verdient, hat gut reden!" Und klar könnten wir in diesen Kanon einfach mit einstimmen – oder wir fragen Herrn Bachmann nochmal in Ruhe, wie das eigentlich gemeint war.
Seine Antwort erreicht uns mit zwei Tagen Verzögerung. Er entschuldigt sich. Sein Postfach sei nach dem Erscheinen von Artikeln in der Bild und der Berliner Zeitung ziemlich vollgelaufen. Kein Problem, war ja zu erwarten.
"Vorweg: Ich habe in meinem Tweet keine Erhöhung auf 100 Euro pro Liter gefordert (die natürlich politisch und ökonomisch nicht umsetzbar wäre), sondern mit der bewusst überzogenen Zahl Aufmerksamkeit auf die These lenken wollen, dass wir eine deutlich höhere CO₂-Bepreisung (also auch deutlich höhere Spritpreise) brauchen, und zwar solche, die dem Autofahrer wehtun (wie es im BZ-Artikel korrekt heißt, die meisten lesen aber nur die reißerische Schlagzeile)."
"Wenn eine deutliche Spritpreiserhöhung, wie erhofft, dazu führt, dass weniger Auto gefahren wird, bedeutet das, dass weniger Autos (Verbrenner) verkauft werden – sei es, dass die Leute auf den Erwerb eines Verbrenners verzichten oder mit dem vorhandenen weniger fahren, der dadurch eine längere Lebenserwartung hat. Damit ließe sich also der ohnehin steigende Vertrieb von E-Fahrzeugen steigern, auf den sich die Industrie sowieso eingestellt hat. Da in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten der Automobilhersteller schon länger Strategien für den Fall des Verbrenner-Aus diskutiert werden, dürfte es nicht so disruptiv werden, wie manche befürchten. Auch andere Industriezweige oder Regionen in Deutschland und der Welt waren historisch großen Transformationsprozessen ausgesetzt und haben bzw. mussten diese bewältigen."
"Die drastische Erhöhung kommt ja nicht den Verkäufern fossiler Treibstoffe zugute, sondern fließt dem Staat zu. Also: weniger Menge verkauft, dafür höhere Einnahmen. Außerdem: der Wegfall von Steuereinnahmen kann für sich genommen kein Grund sein, schädliches Verhalten nicht zu drosseln – der Staat versucht u.a. auch, den Tabakkonsum zu dämpfen, obwohl ihm dadurch Tabaksteuer entgeht. Und: die Energiesteuer (früher: Mineralölsteuer) war eigentlich für den Straßenausbau und -unterhalt gedacht, nicht um Löcher im Steuertopf zu schließen. Insofern beenden wir allenfalls die Zweckentfremdung."
"Das ist ein separates Thema, nämlich ein solches der Energiewende, die natürlich mit der Verkehrswende Hand in Hand gehen muss. Die Bundesregierung arbeitet bereits an entsprechenden Strategien, indem der Ausbau erneuerbarer Energien forciert wird."
Vielleicht fragen Sie sich nun: Wer ist der Mann, der hier dreistellige Spritpreise fordert? Der 57-Jährige ist Jurist und lehrt an der Humboldt-Universität in Berlin Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht. Unter anderem berät der gebürtige Düsseldorfer das Bundesfinanzministerium bei Fragen der Finanzmarktregulierung. Knapp 2.000 Menschen folgen Bachmann auf der Onlineplattform "X", einstmals Twitter. In seinen Posts thematisiert der Jurist häufig Felder wie die Preisgestaltung von CO₂-Abgaben, aber auch das aktuelle politische Geschehen in Deutschland.
Fazit
Sie erkennen an diesem Artikel, was Professor Bachmann mit seiner provokanten Forderung bewirkt hat. Keine ernsthafte Diskussion um 100 Euro für den Liter E10, sondern das Anregen einer Debatte, die uns allgemeiner nachdenken lässt.