VW vs. Autohändler: Rechtsstreit um Import von China-Modellen

Klagen gegen Verkäufer des ID.6 in Europa
China-SUV darf hier weiter nicht verkauft werden

Ein Berliner Autohändler handelte sich nach dem Import des VW ID.6 einen Riesenärger mit dem Konzern ein. Nun fällt ein Gerichtsurteil zugunsten Volkswagens aus.

Ein SUV mit Platz für sieben Personen, bis zu 306 PS starkem Elektroantrieb, 588 Kilometern Reichweite und VW-Logo an Front- und Heckklappe: Für ein solches Auto muss es in Deutschland doch einen Markt geben, oder? Volkswagen sieht es anders und bietet den ID.6, zu dem die eingangs erwähnten Daten gehören, nur in China an. Gregory Brudny, der international mit Autos handelt und unter anderem in Berlin Luxus-Gebrauchtwagen anbietet, ist ganz anderer Meinung als das Management in der Wolfsburger Zentrale. Er hat bei einem chinesischen Händler kurzerhand 22 ID.6-Exemplare angekauft, um sie in Deutschland über seinen Autohandel "Gregory's Cars" vertreiben zu können.

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Doch statt in Kundenhand elektrische Kilometer zu absolvieren, stehen sich seit ihrer Einfuhr im ersten Halbjahr 2022 die fast zwei Dutzend Elektro-SUV die Reifen platt. Dabei hat Brudny nach eigener Aussage alle Zollformalitäten erledigt und die Autos an die europäischen Zulassungsvorschriften anpassen lassen. Dies wurde im Einzelzulassungsverfahren bestätigt und das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe ebenfalls seinen Segen erteilt. Es liegt auch nicht am mangelnden Erfolg, weil Brudny vielleicht den Preis zu hoch angesetzt hat: 39.000 Euro für einen Elektro-SUV, der das zuvor beschriebene Paket bietet, scheinen ein faires Angebot zu sein.

Einstweilige Verfügung und Beschlagnahmung

Nein, dass die Autos bisher nicht verkauft wurden, liegt an einer Intervention seitens Volkswagen. Vor einem Hamburger Gericht hat der Autokonzern eine einstweilige Verfügung erwirkt, in deren Zuge die 22 ID.6 beschlagnahmt wurden. Diese hat nach einer Entscheidung vom 12. Juni 2024 weiterhin Bestand: Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Berufung des Autohändlers zurück. Zuvor war Brudny bereits mit einem Widerspruch gegen diese gescheitert.

Den ursprünglichen Antrag reichte Volkswagen am 16. Februar 2023 ein, also etwa ein Dreivierteljahr, nachdem Brudny die ersten Autos angeboten hatte. Für den Händler ein Unding: "Das kam ohne Vorwarnung. VW hat zuvor nicht einmal mit mir wegen der Sache Kontakt aufgenommen." Während die Autos beim Gerichtsvollzieher stehen und nicht verkauft werden können, verlieren sie natürlich an Wert, was die Sache für Brudny bereits jetzt unwirtschaftlich machen dürfte. Es droht zudem weiteres Ungemach. VW hat parallel – ebenfalls in Hamburg – ein Hauptsacheverfahren gegen den Autohändler angestrengt. Der Vorwurf: Er habe mit seinem Import gegen das Markenrecht verstoßen und die Autos ohne Zustimmung von VW in den europäischen Wirtschaftsraum eingeführt. Solange die Berufung gegen die einstweilige Verfügung lief, lag dieses Verfahren auf Eis. Mit deren Zurückweisung könnte nun allerdings Bewegung in dieses Verfahren kommen.

Es droht gar die Verschrottung

Und die juristischen Mühlen mahlen in Deutschland bekanntlich langsam. Insofern dürfte sich das Verfahren ziehen und die Autos altern, bis ihr Wert endgültig abgesackt ist. Was spätestens dann egal wäre, falls VW das Verfahren gewinnen sollte und die ID.6-Flotte tatsächlich verschrottet wird; genau dies strebt der Konzern nämlich an. Gregory Brudny hält diesen Aspekt für "ökologischen Wahnsinn". Doch auch die ökonomische Seite würde dann endgültig in den Desaster-Bereich abdriften. Der Streitwert sei längst im siebenstelligen Bereich angekommen, sagt der Geschäftsmann.

Um einen deutlich geringeren Betrag geht es für einen niederländischen Autohändler, doch auch er hat wegen des ID.6 Ärger mit VW am Hals. Dabei hat er laut Darstellung seines Anwalts kein einziges Exemplar des elektrischen China-SUV ge- oder verkauft. Er hatte demnach lediglich die Anzeige eines tschechischen ID.6-Verkäufers im Internet entdeckt und das Inserat als eigenes Angebot im weltweiten Netz veröffentlicht. Statt eines Kaufinteressenten meldete sich nach ein paar Tagen eine Anwaltskanzlei, die angab, im Auftrag von VW zu handeln, und das Angebot mit Verweis auf das Warenzeichenrecht beanstandete. Der Niederländer löschte zwar daraufhin seine Anzeige; "es ist nichts passiert, VW ist dadurch überhaupt kein Schaden entstanden", so sein Anwalt. Dennoch soll der Autohändler die Anwaltskosten in Höhe von mehr als 13.400 Euro zahlen.

Schutz der Kunden, Händler oder des Konzerns?

Volkswagen äußerte sich auf Nachfrage gar nicht zum niederländischen Fall und aufgrund des noch laufenden Verfahrens eher allgemein zur Causa Brudny. Das hier wie dort harte Vorgehen dürfte vor allem dem Zweck dienen, keine unliebsamen Präzedenzfälle zu schaffen. Offiziell sieht der Konzern weniger sich selbst als seine Kundschaft und Händler durch die chinesischen Parallelimporte bedroht. "Die für und in China produzierten und dort verkauften ID.-Modelle sind aufgrund ihrer Hard– und Software-Konfiguration im europäischen Raum nicht zulassungsfähig", heißt es in einer Stellungnahme. Das betreffe beispielsweise das Hochvolt-Batteriesystem, wesentliche Teile der Fahrzeug-Software und das Entertainment-System; zudem fehle das in der EU vorgeschriebene automatische Notrufsystem E-Call. "Wir möchten Kunden davor schützen, diesbezüglich Überraschungen zu erleben oder finanzielle Nachteile zu erfahren", sagt ein Sprecher. "Zudem möchten wir unsere Handels- und Servicepartner davor bewahren, sich auf juristisch problematisches Terrain zu begeben."

Es erscheint durchaus nachvollziehbar, dass potenzielle Kundinnen und Kunden eines China-VW über den gesamten Lebenszyklus ihres Autos irgendwann im Regen stehen. Was passiert beispielsweise bei einem Rückruf? Dringt der überhaupt bis nach Deutschland durch? Wer kümmert sich um die entsprechende Reparatur: Gregory Brudny oder sein niederländischer Kollege? Der VW-Konzern? Dessen Vertragshändler? Obendrein stellt sich die Frage, ob chinesische Modelle qualitativ mit den hierzulande angebotenen mithalten können. Wer sich bei Volkswagen umhört, vernimmt diesbezüglich immer wieder skeptische Aussagen. Das Markenerlebnis sei mit den Fernost-Modellen dann doch ein anderes wie mit den hiesigen.

VW will Parallelmarkt verhindern

Volkswagens harte Haltung dürfte jedoch zuvorderst aus wirtschaftlichem Kalkül herrühren. Und das hat unter anderem mit dem schwächelnden VW-Absatz in China zu tun. Um in der Volksrepublik nicht noch mehr Marktanteile gegen die einheimische Konkurrenz abtreten zu müssen, bietet VW seine Autos dort aktuell zu Discount-Preisen an. Der zusammen mit Joint-Venture-Partner FAW gebaute ID.6 Crozz, um den es hier geht, ist in China ab 200.900 Yuan (aktuell umgerechnet knapp 26.000 Euro) erhältlich. Diesen Umstand wollten sich Brudny und Co. zunutze machen und die Autos nach Übernahme bei einem tschechischen Zwischenhändler mit etwas Gewinn (nach Brudnys Aussage 14 Prozent) weiterverkaufen.

Es erscheint nachvollziehbar, dass Volkswagen derartige Ambitionen im Keim ersticken möchte. Wenn sich herumspricht, dass chinesische Grauimporte eine günstigere Alternative zu den in Deutschland angebotenen VW-Modellen darstellen, könnte perspektivisch ein Parallelmarkt entstehen. Das ließe die Preise offizieller Autos bröckeln – und würde damit das eigentliche Geschäft gefährden. Zum Vergleich: Der als MEB-Modell am ehesten mit dem chinesischen VW ID.6 vergleichbare, jedoch nicht ganz so starke und lediglich fünfsitzige ID.4 Pro kostet ohne eventuelle Rabatte aktuell hierzulande mindestens 46.335 Euro. Die stärkere GTX-Version schlägt mit – im geringsten Fall – 53.255 Euro zu Buche. Die Marge pro verkauften Auto dürfte hier deutlich höher liegen als derzeit bei den in China angebotenen E-Autos, zumal man sich den Verdienst hier nicht mit einem Joint-Venture-Partner teilen muss.

Mit aller juristischer Macht

Allem Anschein nach bietet der niedersächsische Konzern hier von vornherein all seine (juristische) Macht auf, um dieses Tor verschlossen zu halten. Das Vorgehen darf sicher auch als Signal an andere Händler verstanden werden, von ähnlichen Vorhaben lieber gleich Abstand zu nehmen. Juristisch scheint Volkswagen gute Karten zu haben: In einem ähnlichen Fall hatte Hyundai im Mai 2021 vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommen; die Koreaner hatten hier ebenfalls mit dem Markenrecht argumentiert. Gregory Brudny ist dennoch fest entschlossen, den Kampf "David gegen Goliath" weiterzuführen. Er sieht seine unternehmerische Freiheit verletzt, "deshalb gehen wir juristisch bis zum Ende".