Der Zwölfzylinder war für Enzo Ferrari die DNA seiner Sportwagen – am liebsten vorn unter einer langen Motorhaube. So konstruierte er Ende der 1940er-Jahre den ersten Ferrari 125. Und das Prinzip führte über die Jahrzehnte zu so legendären Baureihen wie 250, 330, 550 Maranello oder dem 2017 vorgestellten 812. Mit dessen Nachfolger setzen die Italiener dem reinen Zwölfzylinder-Prinzip jetzt ein vielleicht allerletztes Denkmal. Sie nennen den kommenden V12-GT schlicht "12Cilindri" – Zwölfzylinder.
Mindestens genauso spektakulär wie das Motorprinzip ist das Design des jüngsten Pferds im Stall der Scuderia. Das lüftet Ferrari für uns im legendären Centro Stile – dem Designzentrum mitten auf dem Werksgelände in Maranello. Das Tuch zieht Chefdesigner Flavio Manzoni zuerst vom Coupé ("Berlinetta"), dann vom Cabriolet ("Spider"). Und tatsächlich gliedert sich der 12Cilindri als moderne Evolution mit vielen klaren Linien perfekt in die wohl teuerste automobile Ahnenreihe aller Zeiten.
Vierradlenkung und Brake-by-Wire
Im Vergleich zum Ferrari 812 Superfast ist der 12Cilindri (gesprochen: Dodici Cilindri) in seinen Abmessungen deutlich gewachsen. Er ist 4,73 Meter lang, 2,17 Meter breit und 1,29 Meter hoch. Dafür hat Ferrari bei der Entwicklung des komplett neuen Chassis den Radstand um zwei Zentimeter verkürzt (2,70 Meter). Das soll zusammen mit der Vierradlenkung für eine bessere Agilität sorgen.
Obendrein führt Ferrari nun auch in der GT-Baureihe das Brake-by-Wire-System ein, das wie beim 296 GTB oder beim SF90 über das vollvariable ABS Evo oder Side Slip Control (SSC) 8.0 gegen Seitenschlupf verfügt. Überhaupt soll Ferraris Sicherheitssystem SSC 8.0 gerade rutschigen Untergrund früh erkennen und das Lenken und Bremsen darauf einstellen. Aber auch unter normalen Straßenbedingungen oder im Grenzbereich auf der Rennstrecke soll das System den Fahrer bestens unterstützen.
Aktive Aerodynamik
Das Hauptziel der Aerodynamik des Ferrari 12Cilindri bestand darin, ein nüchternes, elegantes Auto zu schaffen, ohne Kompromisse bei der Leistung einzugehen. Statt eines dicken Flügels setzten die Ingenieure auf einen kleinen Abriss-Bürzel (Nolder) auf dem Kofferraumdeckel und zwei ausfahrbare Spoiler über den Hinterrädern. Mehr kann man von der ausgefeilten Aerodynamik kaum erkennen – abgesehen von der Diffusor-Auspuff-Einheit am unteren Heck.
Die beiden schwarzen Spoiler (Ferrari nennt sie "Wings") bringen es immerhin auf etwa 50 Kilogramm Abtrieb bei 250 km/h. Sie gewährleisten zudem die Rekompression, die erforderlich ist, um die Aeroeffizienz des Fahrzeugs bei minimalem Luftwiderstand zu ermöglichen. Dazu können die Klappen in zwei verschiedene Stellungen ausgefahren werden: Low Drag (LD) oder High Downforce (HD) für maximalen Abtrieb.
V12 ohne Turbo- oder E-Unterstützung
Wie auch beim SUV Purosangue vertrauen die Italiener beim 12Cilindri auf die Kraft ihres frei saugenden und klangstarken Zwölfzylinder-Motors. Es gibt keine Turbolader und keine Hybridunterstützung. Stattdessen schwingt sich der 6,5-Liter-V12 – den wir bereits von der sportlichen Speerspitze 812 Competizione kennen – zu unsagbaren 9.500 Touren hinauf. F1-Technik im Ventiltrieb und Titan-Pleuel machen es möglich. Seine maximale Leistung von 830 PS erreicht der Kurzhuber bei 9.250 Umdrehungen. Das höchste Drehmoment von 678 Nm liegt bei 7.250 Touren an.
Auch wenn Ferrari mittlerweile reichlich Erfahrung mit Power-Hybrid-Antrieben hat, verzichten die Italiener beim 12Cilindri auf elektrische Unterstützung. Der GT dürfte wohl das letzte Modell sein, das noch auf das klassische Motor-Prinzip setzt. Die Kraft leitet der V12 übrigens ausschließlich über ein 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe an die Hinterräder, die wahlweise mit 315 Millimeter breiten Michelin Pilot Sport S5 oder Goodyear Eagle F1 Supersport bespannt sind.
Von 0 auf 200 km/h in 7,9 Sekunden
Die Fahrleistungen sind entsprechend beeindruckend. In 2,9 Sekunden geht es aus dem Stand auf Tempo 100. Nach 7,9 Sekunden sind 200 km/h durchbrochen. Und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 340 km/h. Damit liegt der 12Cilindri auf Augenhöhe mit dem limitierten, aber deutlich leichteren 812 Competizione.
Apropos Gewicht: Der neue Ferrari 12Cilindri bringt leer 1.560 Kilogramm auf die Waage. Damit erreicht er ein Leistungsgewicht von 1,88 kg/PS. Die Gewichtsbalance zwischen Vorder- und Hinterachse ist mit 48,3 % zu 51,7 % nahezu ausgeglichen. Ähnlich schwer müssen die Portemonnaies der potenziellen Kunden sein. Denn ab Herbst steht der neue 12Cilindri für mindestens 395.000 Euro im Handel.